Dr. Tuba Isik und Sandra Lenke

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„Offen zuhören“

Workshop des Fachkreises Christen und Muslime

Der BEFG-Fachkreis Christen und Muslime hat mit seinem Workshop auf der Bundesratstagung des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden christliche und muslimische Perspektiven in den Dialog gebracht. Der Fachkreis war 2018 vom Präsidium ins Leben gerufen worden, um eine Position im christlich-muslimischen Dialog zu entwickeln.

Im Workshop tauschten sich die evangelische Theologin Sandra Lenke und die Professorin für Islamische Religionspädagogik Dr. Tuba Isik über die historische Figur Hagar aus, der die Jahreslosung aus 1. Mose 16,13 zugeschrieben wird: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Lenke fasste zunächst die biblische Geschichte der Magd zusammen, die für Abraham und seine Frau Sara den verheißenen Sohn gebären sollte und am Ende verstoßen wurde. Dort, in der Wüste, drückte sie ihr Vertrauen in Gott aus, der sie in ihrer scheinbar ausweglosen Situation sieht.

Tuba Isik erläuterte, dass die Geschichte von Hagar im Islam in großen Teilen sehr ähnlich berichtet werde und doch ein anderes Ende habe. Demnach legte Hagars Sohn Ismael in der Not durch Graben eine Quelle frei, nachdem die beiden in der Wüste nahe der heutigen Stadt Mekka sieben Mal zwischen zwei Bergen hin und her gelaufen waren, was die Bedeutung der muslimischen Pilgerfahrt unterstreiche. Die Suchbewegung einer Frau sei ein grundlegendes Bild für eine kollektive Gebetsbewegung geworden: „Hagar vertraut auf Gottes Barmherzigkeit. Aber sie wartet nicht einfach, sie wird aktiv. Muslime glauben: Gottes Barmherzigkeit erreicht mich, wenn ich aktiv werde. Aber ich habe das Vertrauen, dass er mich erreichen wird.“

Thomas Klammt und Fletcher Kaiya

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Schirin Wiesand

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Marcus Bastek

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Nach dem Dialog von Dr. Tuba Isik und Sandra Lenke tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops in Kleingruppen über das Gehörte aus. Ein Teilnehmer beschrieb die Form des Dialogs als „faszinierend“. Er habe sich noch nie mit einem Moslem unterhalten und es sei gut, einfach einmal zuzuhören. Ein anderer Teilnehmer teilte die Beobachtung, dass sich deutliche Unterschiede im Gottesverständnis zeigten. Ein weiterer Teilnehmer betonte, dass es im interreligiösen Dialog wichtig sei, den eigenen Glauben nicht zu verleugnen, aber offen zuzuhören.

Am Ende des Workshops standen drei Erfahrungsberichte über interreligiösen Dialog. Schirin Wiesand berichtete davon, wie sie in Brandenburg daran beteiligt war, ein Konzept für eine ehrenamtliche multireligiöse Seelsorge für Schutzsuchende zu entwickeln. Pastor Fletcher Kaiya berichtete über die Situation in Malawi. 75 Prozent der Menschen in dem südostafrikanischen ehemaligen Partnerland des BEFG sind Christen, 15 Prozent Muslime. Es gibt ein Komitee, das den Dialog zwischen beiden Gruppen fördert. Nachdem die islamfeindliche Publikation eines Christen zu Unruhen geführt hatte, seien die muslimischen Komitee-Vertreter die ersten gewesen, die ihre Glaubensgeschwister zum Ende der Gewalt aufgefordert und dafür geworben hätten, nicht von einer Publikation auf alle Christen zu schließen. Pastor Marcus Bastek berichtete über den interreligiösen Theologenkreis in Kamp-Lintfort. Am Anfang habe er die Teilnahme an den Treffen eher als eine langweilige Pflicht empfunden. Doch schnell habe er den Kreis sehr schätzen gelernt und die Teilnehmer hätten sich zu echten Freunden entwickelt: „Ich mag manche Institution kritisch sehen, aber es geht um Menschen. Es ist gut, mit anderen Menschen auf dem Weg zu sein. Deshalb ist interreligiöser Dialog wichtig.“

Ein Artikel von Dr. Michael Gruber