Geschichten vom Missionsfeld

Februar 2024

Indien: Von Abhängigkeit zur Selbstbestimmung

Neue Perspektiven für Stammesgemeinschaften

Flink wandern die kleinen, gelben Blüten des Butterbaums vom Waldboden durch die Hände von Sukanti in ihren Korb. Es ist eine mühsame Fleißarbeit. Immer schon haben die Menschen in Chhattisgarh und Odisha die Blüten, Früchte und Nüsse des Baumes verarbeitet. Der Butterbaum wird verehrt, der Likör aus seinen Blüten fehlt bei keiner Feier. Dass Sukanti mit dem Verkauf der Blüten ausreichend Gewinn erzielt, um ihre Familie zu ernähren, verdankt sie dem „Green-Action-Project“ in ihrem Dorf Jampali.

Es ist keine neue Idee, dass die Menschen die Früchte des Waldes ernten, selbst verzehren oder Teile davon verkaufen. Neu ist, dass die Frauen und Männer dies nun systematisch und gemeinsam tun. Zusätzlich erhielten sie wichtige Starthilfen für ihre Produktionsgemeinschaft. Die Veränderung, die das etwa ein Jahr junge Projekt von EBM INTERNATIONAL und dem lokalen Partner Jesus Loves Ministries (JLM) gebracht hat, ist beachtlich.

Zwangsarbeit über viele Generationen

Die Bundesstaaten Chhattisgarh und Odisha gehören zu den ärmsten in Indien. In den entlegenen Waldgebieten leben vor allem Stammesgemeinschaften, die seit jeher vom Kastensystem ausgeschlossen waren. Immer noch hält sich in einigen Regionen ein System der Zwangsarbeit: Wie leibeigene Sklaven müssen ganze Generationen für ihre Besitzer arbeiten. Ein Ausweg daraus ist nicht gewünscht. Der daraus resultierenden Armut entkamen die Menschen in der Regel nur, wenn es ihnen gelang, weit entfernt in den großen Städten eine Arbeit zu finden. Als die Corona-Pandemie Indien besonders hart traf und jegliche Reisen strikt untersagt waren, wuchs die Not der ländlichen Stammesgemeinschaften erneut.

Ein klimafreundliches Projekt gegen den Hunger

Samarpana Praveen, leitender Verantwortlicher von Jesus Loves Ministries (JLM) und Pastor der Bethel Baptist Church in Uppada, half schon in der Pandemie den Ärmsten Chhattisgarhs und initiierte das Green-Action-Project, um den Familien ein dauerhaftes Einkommen zu ermöglichen. Ein zweiter Aspekt ist ebenso bedeutsam: Durch den Aufbau natürlicher Plantagen wird das Land begrünt – ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Ziel des Projekts ist es, verschiedene Nutz- und Heilpflanzen des Waldes mit modernen Methoden zu kultivieren, die Produkte haltbar zu machen und sie durch gemeinsame Initiativen zu verkaufen.

Der Indische Butterbaum ist nur eine von vielen Pflanzen: Tendu-Blätter, Tamarinden und verschiedene Nüsse und Früchte werden saisonal gesammelt und verarbeitet. Aus Zweigen geflochtene Besen oder selbstgemachte Körbe aus Bambus werden ebenso verkauft. Das Green-Action-Project vermittelt dabei Wissen, hilft beim Aufbau von Lagern und Produktionsräumen sowie bei der Anschaffung von kleinen Maschinen. Samarparna Praveen berichtet: „Wir haben die Einrichtung eines Büros abgeschlossen, Material für Schulungsprogramme vorbereitet und ein Netzwerk von 45 Selbsthilfegruppen gebildet, um 45 Dörfer zu erreichen. In der Zwischenzeit arbeiten wir mit der Regierung von Chhattisgarh an der Zuteilung von 25 Hektar Land für das Programm zum Klimaschutz, das im nächsten Jahr beginnen wird.“

Wege aus der Armut

Bereits jetzt profitieren Frauen wie Sukanti durch wachsendes Einkommen. In ihrem Dorf Jampali leben verschiedene Stammesgemeinschaften und landlose Wanderarbeiter. Die Preise, die sie bisher für die gesammelten Beeren oder Früchte erhielten, waren oft niedrig. Gemeinsam können sie haltbar gemachte Produkte auch außerhalb der Saison verkaufen und als Genossenschaft höhere Preise erzielen. Das motiviert, stärkt den Zusammenhalt und bedeutet nachhaltige Verbesserung der Lebensumstände.

Jesus Loves Ministries weitet das Projekt kontinuierlich aus: Weitere Dorfgemeinschaften sollen erreicht werden. Auch das in anderen Regionen erfolgreiche Milch-und-Ei-Programm wurde gestartet. Einmal pro Woche, später je nach Möglichkeiten auch öfter, erhalten etwa 50 Kinder eine Mahlzeit, um Mangelernährung zu bekämpfen.

Klimaschutz ist zugleich Hungerbekämpfung

Auch das Klima profitiert vom Green-Action-Project: Auf einer 20 Hektar großen Brachfläche schufen Arbeiter, die vorher weit entfernt ihren Lebensunterhalt verdienen mussten, eine grüne Nutzfläche. So entstanden Baumschulen für langfristige Nutzung. Obstbäume, Heilpflanzen und Holzplantagen bieten Arbeit und Erträge.

Insgesamt sollen etwa 925 Familien befähigt werden, durch ein geregeltes Einkommen eine bessere Lebensperspektive zu erhalten. EBM INTERNATIONAL begleitet das Projekt für drei Jahre und fördert es über diesen Zeitraum mit bis zu 100.000 Euro. Sukanti sammelte in der dieser Saison 189 Kilo Butterbaum-Blüten, die sie mit Gewinn verkaufen konnte. Sie ist dankbar: Durch die Hilfe haben sie, ihre Familie und die Dorfgemeinschaft einen Weg aus der Armut heraus hinein in die Selbstbestimmung gefunden.