25 Jahre Verein für Freikirchenforschung

Kirchengeschichtliche Forschung der Minderheitskirchen als gemeinsame Aufgabe

Im September feiert der Verein für Freikirchenforschung sein 25-jähriges Bestehen. Die Vereinsmitglieder kommen aus ganz unterschiedlichen Kirchen. Dadurch können sie kirchenhistorische Themen in einem besonders weiten Horizont beleuchten, wie Beiratsmitglied Karl Heinz Voigt und Gründungsmitglied Hans-Volker Sadlack in ihrem Bericht zur Geschichte des international vernetzten Vereins zeigen. 

Seit 1990 haben nahezu fünfzig mehrtägige Symposien des Vereins für Freikirchenforschung stattgefunden. In 24 Jahrbüchern sind ungezählte Vorträge dokumentiert. Sie leuchten vielfältige Erfahrungen, Entwicklungen und Probleme in den verschiedenen Freikirchen aus.

Es ist für die zwischenkirchliche Entwicklung in Deutschland typisch, dass auch der Impuls zur Bildung eines Vereins für die Erforschung von Geschichte und Theologie der Freikirchen von einem Amerikaner ausging. Robert C. Walton (1932-2000), Professor für Kirchengeschichte der presbyterianischen Tradition, hatte die vernachlässigte Erforschung der Freikirchen in Deutschland als ein gesamtkirchliches Defizit erkannt. Walton wirkte von 1978 bis zu seinem Ruhestand 1993 an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Er gab den Anstoß, dass es an dieser Universität zur Bildung dieser von allen Kirchen unabhängigen Forschungsgemeinschaft kam.

Gerade im BEFG sollten dieser Verein und sein 25-jähriges Bestehen nicht unbeachtet bleiben. Denn an der Idee und der Gründung 1990 hatten Baptisten einigen Anteil. Günter Balders, damals Dozent für Kirchengeschichte am Theologischen Seminar Hamburg, als 2. Vorsitzender des Vereins; Emil-Christian Zagray (†), damals Mitglied der BEFG-Bundesleitung, als Kassierer; Hans-Volker Sadlack, wissenschaftlicher Assistent von Prof. Walton, als Geschäftsführer sowie Pastor Wolfgang Müller (†), freikirchlicher Referent der ACK, als Vermittler des Anliegens an die Freikirchen der VEF. Sie alle gehörten zu den Aktiven der „ersten Stunde“. Die EFG Münster war Gastgeber bei Tagungen und unterstützte die Arbeit damit. Später lenkten für einige Jahre Prof. Dr. Erich Geldbach als 1. Vorsitzender und Pastor i.R. Manfred Bärenfänger (†) als Geschäftsführer die Geschicke des Vereins. Auch gegenwärtig gestalten Baptisten die Vereinsarbeit mit – als Kassierer (Oberstudienrat i.R. Erich Wilde), in der Jahrbuch-Redaktion (Dr. Astrid Nachtigall, Pastor i.R. Peter Muttersbach) und in einer Arbeitsgruppe „Freikirchen nach dem 2. Weltkrieg“ (Pastor i.R. Reinhard Assmann). Darüber hinaus verteilen sich die Gestaltung und Verantwortung der Vereinsarbeit auf Historiker aus verschiedenen Freikirchen.

Inzwischen hat der Verein 180 Einzelmitglieder aus zwölf Ländern. Es sind Professoren verschiedener Fachrichtungen, Theologen und interessierte Laien, die teilweise in akademischen Bereichen engagiert sind. 21 kirchliche und wissenschaftliche Institute aus verschiedenen Ländern sind offiziell mit der freikirchlichen Forschungsvereinigung verbunden. Ihre Einmaligkeit gewinnt die aktive Studiengemeinschaft durch die breite kirchliche Zusammensetzung: 27 eigenständige Kirchen, Gemeindebünde und Gemeinschaften nehmen die Chance wahr, in größerer Gemeinschaft zu forschen und die Ergebnisse der Studien in einer ökumenischen Gemeinschaft vorzustellen und zu diskutieren. Generell sind die thematischen Symposien für alle Interessierten offen. Durch die heterogene Zusammensetzung sind die Symposien ein in Deutschland nahezu einzigartiger Raum, an dem die Teilnehmer und damit die Kirchen insgesamt Einsichten gewinnen können, die andernorts kaum möglich wären.

Ein Beispiel ist das Symposion vom Frühjahr 2014, das in der Theologischen Hochschule des BEFG in Elstal stattfand. Das Thema „Friedenstheologie und Friedensengagement“ wurde entfaltet durch Professor Fernando Enns, einen Mennoniten aus Amsterdam. Weitere Beiträge wurden eingebracht von der prominenten Quäkerin Dr. Susanne Jalka aus Wien. Die weltweiten Sichten und Erfahrungen der Heilsarmee und der aus den USA nachhaltig beeinflussten Siebenten-Tags-Adventisten waren Denkanstöße, die selten in dieses Thema einfließen. Ein früherer landeskirchlicher Bundeswehrpfarrer und ein Wissenschaftler, der über Soldatenarbeit in den Freikirchen promoviert, leiteten die Teilnehmer zu teilweise völlig neuen Fragestellungen an. Das berichtende Gespräch von ehemaligen DDR-Bausoldaten machte Fragen aus der jüngsten Vergangenheit für die unmittelbare Zukunft fruchtbar. Neben der Freikirchenforschung gibt es kaum einen Raum, in dem ein Thema in einem so weiten Horizont entwickelt werden kann.

Im Rahmen des Herbstsymposions am 26. und 27. September in der Theologischen Hochschule der Adventisten in Friedensau wird in einer Feierstunde des 25-jährigen Bestehens des Vereins gedacht. Einige Vereinsgründer werden zu diesem Anlass erwartet. Voraus gehen Beiträge zur Rolle und Entwicklung der Erforschung in den einzelnen Freikirchen. Dazu werden auch Referenten aus römisch-katholischer, aus landeskirchlicher, aus neupietistischer und natürlich aus der Sicht einiger Freikirchen sprechen, unter anderem Prof. Dr. Martin Rothkegel (Elstal) über „Täufertum und Baptismus: Zwei freikirchliche Traditionen und ihre Historiographien“.


Das nächste Symposion findet unter dem Leitthema
„Ökumenisch und interdisziplinär – Bilanzen und Perspektiven der Freikirchenforschung“ am 26. und 27. September 2015 in der Theologischen Hochschule Friedensau statt. Anmeldeschluss ist der 1. September 2015.
Tagungsprogramm:

Ein Artikel von Karl Heinz Voigt und Hans-Volker Sadlack