Baden-Württemberg: Seminartag zu Flüchtlingshilfe

Ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit zwischen Beziehungsaufbau und Abschied

„Wir möchten Sie ermutigen, fehlerfreundlich zu agieren und zu lernen.“ So leiteten Jana Mokali und Dieter Albert vom Diakonischen Werk Württemberg (DWW) am vergangenen Samstag (4. Juni 2016) das interkulturelle Training beim Seminartag „Flüchtlinge gut begleiten. Ehrenamtliche stärken“ ein. Zugleich habe jedes Engagement in der Flüchtlingsarbeit fachliche Grenzen, verdeutlichte Dieter Albert vor rund 40 Teilnehmenden beim Seminartag in der Martin-Luther-King-Kirche in Stuttgart-Zuffenhausen, den das Diakoniewerk der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden in Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem DWW durchführte. Zuerst komme es auf die eigene Haltung an, nicht auf die Frage, wie Syrer oder Eritreer generell tickten, ergänzte Jana Mokali. 

Menschen nach der Flucht hätten, wie alle Menschen nach Katastrophenerfahrungen, fünf Basisbedürfnisse: Sicherheit, Beruhigung, Selbst- und Gemeinschaftsermächtigung, menschliche Verbundenheit und Hoffnung, erklärte Hanna Pick von der DWW-Kontaktstelle Psychosoziale Beratung in Reutlingen. Hilfreich in der Begleitung sei die Frage: „Was brauchst Du?“ Nach einer Monate oder sogar Jahre langen Flucht könnten Menschen ihre Belastungen nicht einfach abstreifen. Vielmehr erlebten sie in Deutschland teilweise neue Belastungen wie etwa die Ungewissheit über die eigene Zukunft oder die oft langen Wartezeiten im Asylverfahren, sagte Hanna Pick weiter. Die Chance in der Flüchtlingsarbeit liege im Aufbau von Beziehungen. Aber auch Enttäuschungen, Niederlagen und Abschiede gehörten dazu.

Ehrenamtliche könnten Flüchtlinge gut auf Fragen bei der persönlichen Anhörung vorbereiten und sie dort als Beistand begleiten, führte Dietmar Oppermann aus, der Neuerungen im Asylrecht erklärte. Während der Anhörung sollte ein Flüchtling so ehrlich und ausführlich wie möglich sprechen. Hilfreich könne sein, dass Flüchtlinge zuvor ihre Geschichte aufschrieben, da sie während der Anhörung manche traumatische Erfahrungen nicht schildern könnten. Nachträglich dürften keine Gründe mehr vorgebracht werden.

„Flüchtlinge sind eigentlich motivierte und selbstbewusste Menschen“, so Diplom-Theologe Markus Lochstampfer, ebenfalls vom DWW. Deshalb sollten Ehrenamtliche nicht allein aus dem Blickwinkel der Hilfe agieren. „Sonst werden Flüchtlinge leicht zu Objekten Ihrer Hilfe“, sagte er weiter. In Anlehnung an den Theologen Ulrich Bach sei die Kirche Jesu Christi ohne die Schwächsten „nicht ganz“. Unterschiede dürften nicht zur Ausgrenzung führen, vielmehr seien alle verbunden in ihrer Bedürftigkeit und ihren Begabungen.

Nach einer neuen Statistik des Diakoniewerks sind mindestens 25 von knapp 80 Gemeinden im Landesverband Baden-Württemberg in der Flüchtlingshilfe aktiv.

Ein Artikel von Holger Gohla