Beratertreffen: Prävention gegen ein Gemeinde-Burnout

… und was die Gemeindeberatung damit zu tun hat

Mit einer ausgesprochen positiven Resonanz ging am 7. November das diesjährige Treffen des Netzwerks „Beratung von Gemeinden“ mit ungefähr 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der Gemeinde Kassel-West zu Ende. Neben Beraterinnen und Beratern aus dem Netzwerk nahmen auch einige Mitglieder aus Landesverbandsleitungen teil.

Mit dem Thema „Prävention gegen ein Gemeinde-Burnout“ wurde offenbar ein Nerv getroffen. Denn nicht nur einzelne Personen, sondern auch ganze Gruppen und Organisationen können ein sogenanntes Burnout erleben. Auch in Gemeinden erleben Mitarbeitende Phasen, in denen Zeit und Energie immer knapper werden und die Freiheit Neues anzugehen, anscheinend verloren gegangen ist. Diesen Erschöpfungszustand kann man manchmal nicht mehr mit eigenen Ressourcen positiv verändern.

Für dieses aktuell relevante Thema konnte das Netzwerk „Beratung von Gemeinden“ mit Silke Sommerkamp eine Referentin gewinnen, die sowohl Erfahrungen als Gemeindepastorin und Lehrerin mitbringt, als auch ein hohes Maß an Kenntnis und Reflexion durch ein Promotionsprojekt zum Thema „Spiritualität in der Gemeindeberatung“. Darin setzt sie sich auch mit Fragen zur „erschöpften Kirche“ beziehungsweise zum „organisatorischen Burnout“ auseinander. So legte sie unterschiedliche Ursachen dar, die zu einem solchen Erschöpfungszustand führen können: Als „externer Systemstress“ werden Einwirkungen von außen auf die Gemeindearbeit bezeichnet, wie zum Beispiel die Corona-Pandemie oder die steigenden Energiepreise. „Internen Systemstress“ verursachen unpassende Strukturen, Machtkämpfe innerhalb der Gemeinde und ähnliches. Als Beispiel für „endogenen Identitätsstress“ nannte Sommerkamp die Situation, wenn etwa die Sinnfrage der Gemeindearbeit nicht mehr beantwortet werden kann. Silke Sommerkamp forderte die Beraterinnen und Berater auf, für diese Stress-Situationen Beispiele aus ihren Gemeindeberatungen zu besprechen.

In Hinblick auf die Gemeindeberatung gab Silke Sommerkamp verschiedene Ansatzpunkte und Impulse in das Plenum. So plädierte sie etwa mit Tobias Faix für die Idee eines Sabbatjahres für Gemeinden. Gemeindeberaterinnen und Gemeindeberater könnten die Gemeinde dabei unterstützen, auch „einen Raum der Leere auszuhalten“. Wichtig sei dabei eine gute Balance zwischen „Tun und Lassen“, so dass man weder in die „Beschleunigungsfalle“ gerate, noch in die „Trägheits“- oder „Korrosionsfalle“: „Als einzelne Christen leben wir in der Spannung, dass alles schon getan ist, wir ohne jedes Zutun geliebt sind und doch durch unserer Tun Jesus folgen wollen und darum nicht einfach passiv bleiben. Genauso ist auch die Gemeinde ohne jedes Zutun von Gott geliebt und gewollt und fragt doch immer wieder danach, was ihr Auftrag in der je spezifischen Situation in dieser Welt ist. Dabei braucht es gerade diese Freiheit und Gelassenheit, die Gott schenkt, um auch Neues zu wagen.“

Konkrete Handlungsmöglichkeiten für die Gemeindeberatung kennenzulernen, war darüber hinaus in Workshops möglich: „Unbewusste Organisationsmuster erkennen, Gemeinde Burnout vorbeugen“ hieß das Workshop-Angebot von Hans Günter Simon und bei Thorsten Graff ging es um: „Potenziale entfalten statt Probleme wälzen: Appreciative Inquiry, ein ressourcenorientierter Beratungsansatz“.

Interessant war es, im Rahmen des Beratertreffens gerade zu diesem Schwerpunktthema auch zu dem „Projekt:Revitalisierung“ unseres Bundes ins Gespräch zu kommen. Im Interview machte Benno Braatz, Regionalreferent im Dienstbereich Mission, deutlich, dass dies keineswegs ein Kontrastprogramm zur Burnout-Prävention sei. Er warb dafür: „Ohne in Aktionismus zu verfallen bieten die ‚7 Merkmale einer vitalen Gemeinde‘ ein gutes Handwerkszeug, begrenzte Ressourcen zielgerichteter einzusetzen, um dem Abwärtstrend einer Gemeinde entgegenzuwirken.“

Im Netzwerk „Beratung von Gemeinden“ sind aktuell 69 Beraterinnen und Berater akkreditiert. Zwischen Januar und Oktober 2022 nahmen rund 70 Gemeinden mit dem Netzwerk Kontakt auf. Es werden in einigen Regionen noch Beraterinnen und Berater gesucht, etwa in Bayern und in den östlichen Landesverbänden. Wer Gemeindeberatung nutzen möchte, beispielsweise für Klausurtage oder Teamcoachings, für Gesprächsprozesse oder Zukunftswerkstätten, Konfliktlösungen oder Entwicklungsthemen kann sich an gemeindeberatung@baptisten.de wenden.

Ein Artikel von Heike Beiderbeck-Haus