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Das Apostolikum

Ein altes Glaubensbekenntnis als Teil der „Rechenschaft vom Glauben“

Zwischen der Vorrede und dem eigentlichen Text der „Rechenschaft vom Glauben“ steht das Apostolische Glaubensbekenntnis. Das ist ein bedeutsamer Umstand. Das Apostolische Glaubensbekenntnis, kurz auch Apostolikum genannt, wurde laut der Vorrede dem eigentlichen Text vorangestellt, weil es als Voraussetzung für ihn angesehen werden soll. Das Apostolikum ist also ein Bestandteil der „Rechenschaft vom Glauben“.

Das muss als ein ökumenisches Signal verstanden werden. Das Apostolikum wird, wie die Vorrede ausdrücklich sagt, „als gemeinsames Bekenntnis der Christenheit“ zum Teil der baptistischen „Rechenschaft“. Ganz korrekt ist diese Aussage allerdings nicht. Das Apostolikum ist ein gemeinsames Bekenntnis nicht der gesamten Christenheit, sondern nur der abendländischen, lateinisch geprägten Christenheit. Die morgenländische Christenheit, d.h. die orthodoxen und altorientalischen Kirchen, haben es nicht in Gebrauch. Das hängt mit seiner Entstehung zusammen.

Viele einzelne Aussagen des Apostolikums stammen aus dem 1. und 2. Jahrhundert der Kirchengeschichte und sind darum auch in den Ostkirchen anerkannt. Seine jetzige Form hat das Apostolikum aber erst im 5. Jahrhundert in der westlichen Kirche gefunden. Es geht wohl nicht, wie man lange annahm, auf ein römisches Taufbekenntnis des 3. Jahrhunderts zurück, sondern auf ein Bekenntnis, das der Theologe Marcell von Ancyra Mitte des 4. Jahrhunderts dem Bischof von Rom vorgelegt hatte. Dies Bekenntnis wurde nur in der lateinisch-sprechenden Kirche verbreitet, und deshalb kam das Apostolikum auch nur hier in kirchlichen Gebrauch. Die aus der griechisch-sprechenden Alten Kirche stammenden Ostkirchen verwenden an seiner Stelle das sog. Nicänum, das Glaubensbekenntnis der beiden ersten gesamtkirchlichen Konzile von Nicäa 325 und Konstantinopel 381 n. Chr.

Dennoch ist Annahme und Gebrauch des Apostolikums durch Baptisten ein ökumenisches Signal, weil Baptisten dadurch mit allen anderen evangelischen Kirchen sowie mit der altkatholischen Kirche und der römisch-katholischen Kirche verbunden sind. Die Verfasser der „Rechenschaft“ machen durch die Integration des Apostolikums in ihren eigenen Text und durch den entsprechenden Hinweis in der Vorrede deutlich, dass Baptisten sich als Teil einer größeren Christenheit verstehen und nicht meinen, ganz allein die Wahrheit erkannt zu haben. Ein genau entsprechendes Signal wurde auch 1905 auf der Gründungsversammlung des Baptistischen Weltbunds in London gesendet. Der englische Versammlungsleiter Alexander MacLaren bat in der Eröffnungssitzung alle Teilnehmer, mit ihm zusammen das Apostolische Glaubensbekenntnis zu sprechen. Dieses Bekenntnis ist also Teil des baptistischen Glaubens.

Was sagt das Apostolikum über den Inhalt des christlichen Glaubens? Insgesamt so viel, dass wir hier nicht im Einzelnen darauf eingehen können. Nur auf folgende wenige Punkte möchte ich aufmerksam machen.

Die Vorrede der „Rechenschaft vom Glauben“ sagt zu Recht: „Das apostolische Glaubensbekenntnis nimmt Glaubensaussagen des Neuen Testaments auf.“ Die Aussagen des Apostolikums sind nicht nur sämtlich biblisch begründet, sie werden auch in einer schlichten biblischen Sprache dargeboten. Darum kann man dieses Bekenntnis tatsächlich als eine knappe Zusammenfassung der biblischen Geschichte und Botschaft gebrauchen. Weil es so bibelgesättigt ist, nimmt es auch keine Rücksicht auf theologische Debatten. Manche Christen ärgern sich etwa über das „geboren aus der Jungfrau Maria“, anderen wiederum scheint gerade dieser Satzteil der beste Prüfstein für Rechtgläubigkeit zu sein. An beides haben aber weder die Bibel noch das Bekenntnis ursprünglich gedacht.

Man kann dieses oder jenes im Apostolikum vermissen. Pfingstler und Charismatiker werden möglicherweise bedauern, dass die Charismen nicht erwähnt sind, Baptisten, dass die Taufe übergangen wird, Reformierte, dass kein Wort über die Gebote gesagt wird, Lutheraner, dass die Rechtfertigung aus Glauben nicht angesprochen ist, und Katholiken, dass die Bischöfe und der Papst nicht genannt werden. In der Tat: Das alles fehlt. Wenn eine heutige ökumenische Kommission ein Bekenntnis formulieren würde, käme dabei gewiss etwas viel Ausführlicheres heraus. Ob man das dann aber noch im Gottesdienst gemeinsam sprechen könnte, ist mehr als fraglich.

Das Apostolikum enthält übrigens auch keine Aussage über die Dreieinigkeit Gottes. Es bezeugt sie aber dadurch, dass es dreigegliedert ist, nach Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist. Nur bei diesen dreien spricht das Apostolikum von „glauben an“. Das gilt auch für den dritten Teil. Man sollte das „an“ hier nicht über den Heiligen Geist hinaus auf „die heilige christliche Kirche“ und das Folgende beziehen. Vielmehr will das Bekenntnis sagen: „Ich glaube die heilige christliche Kirche“, im Sinne von: „Ich glaube, dass sie und alles Folgende eine Wirkung und Gabe des Heiligen Geistes sind“. Und genau das ist es auch.

Erschienen in: Die Gemeinde 26/2022, S.31-32.

Ein Artikel von Dr. Uwe Swarat, Prof. i.R. für Systematische Theologie und Dogmengeschichte (bis Juli 2022 an der Theologischen Hochschule Elstal)