Die Geschichte der Täufer und ihre Bedeutung für die Gegenwart
Workshop zu „500 Jahre Täuferbewegung“
Um den Blick nachfolgender Generationen auf die frühen Täufer und die Relevanz des Täufertums für die Gegenwart ging es bei Workshop Täufergedenken mit rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf der BEFG-Bundesratstagung.
Dr. Dr. Martin Rothkegel, Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Hochschule Elstal, skizzierte die historische Entwicklung der Auseinandersetzung mit den Täufern der Reformationszeit sowohl in anderen Ländern als auch innerhalb Deutschlands. So seien die prägenden Gründergestalten der deutschen Baptisten noch sehr darauf bedacht gewesen, dass ihre Gemeinden nicht mit den berüchtigten Wiedertäufern in Verbindung gebracht wurden. Dies habe damit zusammengehangen, dass die deutschsprachige Öffentlichkeit mit dem Stichwort „Wiedertäufer“ vor allem das Königreich von Münster in den Jahren 1534 und 1535 verband. Dort war die Einführung der Reformation und die Abschaffung der Kindertaufe mit brutaler Gewalt durchgesetzt worden. Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts habe man erkannt, „dass die große Masse der Täufer konsequent gewaltlos gewesen war und in ihrer Lehre genuin reformatorisch war“. Seit etwa 1900 hätten sich die deutschen Baptisten auch in der Öffentlichkeit auf die Tradition der alten Täufer berufe. Weitere Höhepunkte in der Identifikation mit der täuferischen Tradition habe es in der Zeit der Weimarer Republik und in der Zwischenkriegszeit – vor allem in den Donauländern – sowie 1928 auch durch die Initiative des Baptistischen Weltbunds gegeben. In der Nachkriegszeit sei bis in die 1960er-Jahre hinein das Täufertum ein Schwerpunkt der Publikationen des baptistischen Oncken-Verlags gewesen. Schließlich sei in den 1980er-Jahren in den Gemeinden des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden ein neues Interesse am Täufertum erwacht: „Sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik wurde das Friedenszeugnis der Täufer für viele Baptistinnen und Baptisten zu einem Vorbild für ihr eigenes Christsein“, so Rothkegel. Schließlich stellte Rothkegel zum Ende seines Vortrags Themen vor, die den frühen Täufern wichtig gewesen seien wie der Umgang mit der Bibel, Gewaltlosigkeit, Einheit der Gemeinden, Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Trennung von Kirche und Staat und der Umgang mit Besitztümern. Und er stellte die Frage, welche Rolle diese Themen bei den täuferischen Gemeinden der Gegenwart noch spiele.
Auch die Historikerin PD Dr. Astrid von Schlachta, Vorsitzende des Mennonitischen Geschichtsvereins, fragte in ihrem Beitrag: „Was bleibt von den Täufern nach 500 Jahren?“ Dabei arbeitete sie vier „Schlaglichter“ heraus. Zunächst nannte sie die Gewaltlosigkeit. „Dass die Täufer im 16. Jahrhundert nicht zu den Waffen griffen, sondern gewaltlos leben wollten, war der Grund für ihre Verfolgung und Vertreibung“, so von Schlachta. Es stehe fest, dass das Prinzip der Gewaltlosigkeit für jede Gesellschaft bis in die heutigen „Zeiten eines nicht allzu fernen Krieges“ eine Herausforderung sei. Tragfähig „für das Heute aus der historischen Erfahrung der Täufer“ sei auch die Toleranz im Sinne des Verstehens und Respektierens „der Anderen“. Während die heutige Debattenkultur dazu neige, andere Meinungen schnell auszugrenzen und als nicht legitim zu klassifizieren, ermahne das täuferische Beispiel, „Minderheiten zu schützen und ihrer Diskriminierung und Stigmatisierung entgegenzuwirken“. Auch das Gestalten und Aushalten von Vielfalt zugunsten der Gemeinschaft sieht Astrid von Schlachta als Merkmal der täuferischen Geschichte. Konflikte seien normal. „Und letztendlich können wir dankbar sein für alle Spannungen und Debatten, denn sie helfen uns, das Verhältnis von Freiheit und Verpflichtung, von Gesetz und Gnade, von Tradition und Innovation, von Buchstabe und Geist zu definieren. Konflikte können ein Segen sein, wenn sie im Geist gegenseitigen Respekts ausgetragen werden.“ Und schließlich seien Non-Konformismus und Mündigkeit Erbe des Täufertums: „Positionieren wir uns, auch gegen den Mainstream! Erheben wir unsere vielleicht non-konforme, kritische Stimme!“ rief Astrid von Schlachta die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops auf. „Und seien wir wachsam, wo sich Mechanismen entwickeln, durch die Andere diffamiert, stigmatisiert oder sogar kriminalisiert werden. Damit geben wir dem täuferischen Erbe seine Funktion für das Heute!“
In einem Interview mit dem Briten Dr. Joshua Searle, der vor Kurzem als Professor für Missionswissenschaft an die Theologische Hochschule Elstal berufen wurde, sprachen Rothkegel und von Schlachta über die Bedeutung der Täuferbewegung in Großbritannien. „Es ist vermutlich keine Übertreibung, heute vom Ende des Christentums in Großbritannien zu sprechen“, sagte Searle. „Wir sind in einer Krise, aber das ist auch die Chance, neue Impulse zu entdecken. So haben wir viel von den Täufern gelernt.“ Eine wichtige Rolle spiele dabei das „Anabaptist Network“ in Großbritannien, das von dem britischen Theologen Stuart Murray gegründet wurde und sich auf die die Werte und Praktiken der frühen Täuferbewegung des 16. Jahrhunderts beruft. Im Mittelpunkt der täuferischen Spiritualität der Anabaptists stehe die „Nachfolge“, führte Searle aus. So könne mit Blick auf die frühen Täufer gegenwartsbezogen christlicher Glaube gelebt werden.
In Kleingruppen tauschten sich die Workshop-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer über das Täufertum und das Täufergedenken aus. Mit Hinweisen von Dr. Andreas Liese auf Themen, Termine und die Ausstellung zum Gedenken „500 Jahre Täuferbewegung“ endete die Veranstaltung.
Ein Artikel von Julia Grundmann