
Drei Monate Waffenstillstand: Das Schlüsselwort ist „Hoffnung“
Ein Zeugnis von Alia Abboud aus dem Libanon
Dr. Alia Abboud, Projektleiterin beim Partner „Thimar“ von German Baptist Aid, beschreibt die Lage im Libanon nach dem Waffenstillstand und hat ihre Teammitglieder nach ihrer Hoffnung gefragt.
Eine bohrende Frage, die uns heute - drei Monate nach Beginn des Waffenstillstands - und inmitten der bleibenden Unruhen immer wieder gestellt wird, lautet:
Seid ihr hoffnungsvoll?
Um realistisch zu sein - wir haben als Land noch einen sehr langen Weg vor uns. Die starken Krisen dauern immer noch an, und dazu kam dieser verheerende Krieg, der viele Menschenleben und Zerstörungen hinterlassen hat. Das Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Office for the Coordination of Humanitarian Affairs -OCHA) beschreibt die humanitäre Lage im Libanon heute als „prekär aufgrund der anhaltenden Militäroperationen, der anhaltenden Vertreibung und der Beschädigung kritischer Infrastrukturen, von der vertriebene Gemeinschaften im ganzen Land betroffen sind“.
Dennoch sind wir dankbar für unseren neuen Präsidenten und unseren neuen Premierminister und das Kabinett. Wir haben die Hoffnung, die mit einem Neuanfang einhergeht und mit der wir jeden neuen Tag und jeden Sonnenaufgang begrüßen. Die Hoffnung, die mit den Gebeten zu einem Gott einhergeht, der zuhört, der die Lage kennt und der sich kümmert. Ein Gott, der das letzte Wort hat!
In diesen Tagen berät das Parlament über einen vom neuen Kabinett vorgeschlagenen Aktionsplan, der neue Strategien und Reformen enthält. Wir beten für Weisheit und die Umsetzung der richtigen Schritte für die Zukunft.
Anfang dieser Woche fragte einer unserer Partner: „Wie sieht Hoffnung in eurem Kontext aus?“ Wir haben die Frage an Menschen aus unseren Teams weitergegeben. Hier sind einige Antworten:
- Hoffnung besteht darin, zu sehen, dass Kindergartenkinder an der Baptistischen Schule in Beirut (Beirut Baptist School: BBS) morgens auf ihre Lehrer zu rennen, um sie zu umarmen.
- Zu sehen, wie Kinder mit besonderen Bedürfnissen neue Fähigkeiten entwickeln.
- Hoffnung liegt auch darin, die Reaktionen der Eltern zu beobachten, wenn sie sehen, wie ihre Kinder die Sprachschwierigkeiten haben, kommunizieren.
- Hoffnung bringt die eine Begegnung mit einem Absolventen, der in einem Einkaufszentrum arbeitet. Er hat am Ideal-Programm für Menschen mit besonderen Bedürfnissen teilgenommen.
- Hoffnung besteht darin, die Träume von Eltern und Teammitgliedern wahr werden zu sehen. Hoffnung liegt in der Verwirklichung einer besseren Zukunft.
- Hoffnung liegt in den Bauern eines Dorfes, denen geholfen wird, ihr Land mit nachhaltigen landwirtschaftlichen Methoden neu zu bepflanzen. „Ihr habt uns einen Grund gegeben, auf unserem Land zu bleiben“, sagten sie.
- Zu sehen, wie unsere Partnerkirchen, mit denen wir vor kurzem auf die Bedürfnisse von Binnenvertriebenen und Familien reagiert haben, immer wieder aus ihrer Komfortzone heraustreten und sich dafür entscheiden, den Schwachen und Bedürftigen beizustehen, unabhängig davon, wer sie sind oder woher sie kommen.
- Es sind die Worte eines Pastors, der sagt, dass „jedes Flüchtlingskind ein Recht auf einen angemessenen Lebensunterhalt und eine angemessene Ausbildung erhält und so erfährt, dass es in Gottes Augen etwas Besonderes ist“.
- Es ist die Fähigkeit, durch Gottes Gnade Perspektiven zu verändern und die Herzen von Menschen zu berühren.
- Es sind Lehrkräfte an der BBS, die direkt vom Krieg betroffen sind und denen es ein Anliegen ist, dass auch die Unterstützung erhalten, die keine Schulgemeinschaft im Rücken haben.
- Hoffnung liegt in den demütigen Worten des Vaters eines Schülers an der BBS, der im jüngsten Krieg gerade sein Haus verloren hat: „Ihr habt uns in unserer Stunde der Not beigestanden. Ihr seid die ehrenwertesten und gnädigsten Menschen.“
Ja, wir haben Hoffnung! Einer unserer Kollegen erinnerte uns daran, dass „Hoffnung eine Entscheidung ist - wie Liebe, wie Hass... an jeder Kreuzung müssen wir diese Entscheidung treffen. Sie kommt durch Übung.“ Oder wie ein anderer Kollege sagte: „Was ist das Schlimmste, was passieren kann, wenn 'Sterben ein Gewinn ist'? Die Herrlichkeit und Schönheit dessen, was kommen wird, ist die höchste Form der Hoffnung“ (1. Korinther 15,19).
Ja, es gibt Zeiten, in denen Frieden und Wachstum wie ein weit hergeholter Traum erscheinen. Aber gerade in diesen Zeiten lenkt Gott unsere Aufmerksamkeit auf die Wunder, die er in unserer Mitte möglich macht - er berührt und verwandelt das Leben von Menschen, Gemeinschaften und Kirchen zu seiner Ehre.
Wir sind so dankbar für Eure Partnerschaft, die es uns ermöglicht, auch in dieser Zeit seine praktische Liebe auf sinnvolle Weise und zu seiner Ehre widerzuspiegeln.
Ein Artikel von Dr. Alia Abboud