„Freikirchliches“ Reformationsjubiläum in Wittenberg

Ehrenamtliche Mitarbeitende aus ganz Deutschland

„Von Martin Luther zu Martin Luther King“ heißt die Ausstellung der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), die vom 1. Mai bis zum 14. September in der Evangelisch-Freikirchlichen Hoffnungskirche in Lutherstadt Wittenberg zu sehen war. Mitarbeitende der Hoffnungskirche und Ehrenamtliche aus ganz Deutschland führten die Besucherinnen und Besucher durch die Ausstellung. Auch in der ökumenischen Begegnungsstätte „These 62“ in der Wittenberger Innenstadt standen überwiegend freikirchliche Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner zur Verfügung, die extra dafür angereist waren. Theresia Stadtler-Philipp hat sie nach den Eindrücken ihres Aufenthalts gefragt.

Kaum waren die Pforten der Weltausstellung Reformation am 10. September geschlossen, begann auch schon der Abbau. Am Morgen des 11. Septembers fielen die Planen des Aussichtturms am Bahnhof. Das Riesenrad wurde abgebaut. Wo man auch hinsah: Es wurde gepackt, geräumt und gefegt. Mitarbeiter, Volunteers und die Verantwortlichen der einzelnen Pavillons packten zusammen (an). Auch in der Hoffnungskirche wurden die Roll-Ups eingerollt, verstaut und abgeholt. An der Tür der „These 62“ stehen wieder die alten Öffnungszeiten, Freitag und Samstag von 14 bis 18 Uhr. Die Monate, in denen wir die Ausstellung „Von Martin Luther zu Martin Luther King“ bei uns in der Hoffnungskirche zeigten und in der „These 62“ mit den „Reformationsbesuchern“ viele interessante Gespräche führen konnten, waren eine gute und sehr intensive Zeit. Dankbar sind wir für die vielen Ehrenamtlichen aus ganz Deutschland, die uns tageweise immer wieder unterstützt haben. Einige von ihnen haben wir nach ihren Rückmeldungen gefragt und freuen uns über den „bunten Strauß“, der da zusammengekommen ist:

Eine Mitarbeiterin aus Hamburg in der „These 62“
Die Mitarbeit in der „These 62“ war eine wertvolle Zeit für mich. Ich habe
•    viele interessante Menschen kennengelernt: Gäste Besucher und auch andere Mitarbeiter.
•    Bereicherung durch Mitarbeiter auch aus anderen Ländern und Kulturen erfahren.
•    das Erleben vom Schatz des Evangeliums und die Gnade Gottes durch Jesus Christus neu als Zuspruch erlebt.
•    kritische Fragen aushalten und gleichzeitig meinen Glauben bezeugen können
•    erlebt: Glauben an Gott durch Jesus Christus verbindet = gelebte Ökumene!
•    gespürt: die „These“ ist wirklich ein Ort, wo man auftanken kann, eine Oase – so hat es ein Gast formuliert.
Ich hoffe, dass die „These 62“ weiter als Ort der Begegnung erhalten bleibt

Ein Mitarbeiter aus Hamburg in der „These 62“
Es sind nicht die großen Massen, die in den ökumenischen Begegnungsraum im Zentrum Wittenbergs, fast könnte man es ein Café nennen, hereinkommen. Aber aus dem Touristenstrom lösen sich immer wieder einige und treten ein, schauen sich interessiert und erstaunt um und nehmen erfreut Platz zum Ausruhen und Genießen kalter und warmer Getränke. Manche fragen auch gezielt nach den Thesentörtchen. Die einen lassen sich den mit Luthers 62. These schön gestalteten Raum erklären, andere nehmen sich Zeit für ein ausführlicheres Gespräch mit den Mitarbeitern. Selbst Ortsansässige kommen, nachdem sie schon viel Gutes über die „These 62“ gehört haben, um sie selber in Augenschein zu nehmen. Sehr gelobt wird die Zusammenarbeit der christlichen Kirchen, die hinter der Arbeit steht. Einzelne kennen auch die Baptisten, wie ein Ehepaar aus den Niederlanden. Wieder andere genießen den freundlich gestalteten Begegnungsraum, bevor sie weiterziehen, während manche bleiben und aus ihrem Leben erzählen.

Die meisten Besucher sind dem christlichen Glauben gegenüber offen, viele geben sich als Kirchentagsbesucher zu erkennen. Nur einen einzigen erlebte ich, der mit kritisch-skeptischer Haltung fragte, ob die Kirchen sich denn auch mit der Philosophie zum Beispiel von Karl Marx beschäftigen würden. Wie Reformation heute weitergehen müsste oder was denn die Mitte des christlichen Glaubens sei, solche Gespräche waren äußerst selten. Dennoch waren viele bereit, sich ein Johannesevangelium mitzunehmen oder eine Karte mit Luthers These 62, auch mit dem Pilgerstempel. Dazu kamen angemeldete Besuchergruppen oder Veranstaltungen zu Lebensfragen, die den Begegnungsraum füllten. Da die Öffnungszeiten am frühen Nachmittag begannen, hatte ich als Mitarbeiter genügend Zeit, mich in der vielfältigen Reformationsausstellung der Lutherstadt umzusehen und eigene Entdeckungen zu machen. So danke ich selber Gott und den Mitarbeitenden vor Ort für viele wertvolle Begegnungen und den Einblick in die wichtige Arbeit der baptistischen Hoffnungskirche.

Ein Mitarbeiter aus Lehrte in der „These 62“

Die Tage in Wittenberg sind mir in lebhafter Erinnerung. Mein spontaner Entschluss für die Mitarbeit, hat sich als sehr gut erwiesen. Das Wort Jesu: „Wer hingibt, empfängt“ hat sich bewahrheitet. Neben den guten Gesprächen in der „These 62“ konnte ich die Vielfalt der Reformationsausstellung genießen. Danke für die Gastfreundschaft. Gott segne die weitere Arbeit.

Eine Mitarbeiterin aus Bielefeld in der Hoffnungskirche
Ich war gespannt auf meinen ehrenamtlichen Einsatz in der Hoffnungskirche.
Wie viele Menschen würden kommen und könnte ich ihre Fragen auch richtig beantworten? Meine Sorgen waren vollkommen unbegründet. Die Roll-Ups waren informativ, gut aufgestellt und erklärten sich von selbst.

Es waren die Begegnungen mit den Besuchern, die von sich und auch ihren Gemeinden erzählten. Diese haben einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen. Da war die Frau aus dem Erzgebirge, die mit ihrer Tochter für einen Tag nach Wittenberg gekommen war. Sie erzählte mir von ihrer Kirche, ihrer Gemeinde, die so lebendig ist und dennoch fehlt es an Mitarbeitern. Oder ich erinnere mich an das indische Ehepaar, das mich am Vortag nach einer Adresse gefragt hatte. Der Mann ist Pastor in Indien und engagiert sich in vielen sozialen und missionarischen Projekten. Er gab mir gleich seine Visitenkarte und ich lud ihn in die Hoffnungskirche ein. Das Ehepaar kam tatsächlich und wir zeigten ihnen den englischsprachigen Film über Martin Luther King, der sie sehr beeindruckt hatte. Es kam zum Beispiel auch eine Hauskreisgruppe der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde mit ihren Kleinkindern aus Leipzig. Sie hatten den Ausflug nach Wittenberg mit dem Besuch in der Hoffnungskirche verbunden und legten dort eine Kaffeepause ein. Diese Begegnungen haben mich bereichert und ich denke gerne an diese außergewöhnliche Zeit zurück.

Ein Mitarbeiter aus Lübeck  in der „These 62“ und in der Hoffnungskirche

Wer das Privileg hatte, ein oder zwei Wochen (wie ich eben) „unsere“ beiden Angebote zu begleiten, der konnte nicht nur die Highlights dieser Weltausstellung, die berühmten beiden Kirchen samt Thesen, Asisi-Panorama, Melanchthon, Cranach und so weiter, für sich entdecken. Nein, es waren auch und vor allem Kontakte zu den 85 Prozent der „Nicht-Gläubigen“ (also einigen davon) vor Ort, die zufällig hier leben, dem „Lutherallala“ mehr oder weniger – eben „ungläubig“ – gegenüberstehen, aber doch den Rummel, auch wirtschaftlich, ganz gut wegstecken. Ihnen zu verdeutlichen, warum wir als Christen extern da sind, um zum Beispiel Touristen die „King“-Ausstellung zu erklären, waren für mich erfüllende Momente, etwas, was man nicht planen kann. – Und natürlich das Kennenlernen neuer Geschwister in der Hoffnungskirche, neue Kontakte, Netzwerken wie von selbst. Für mich haben 500 Jahre Reformation mit dem Eintauchen ins Mittelalter, Biografien Luthers, seiner Mit- und Widerstreiter gerade erst begonnen. Woher wir kommen, warum wir heute so sind, wie wir sind: all diese Stätten hier haben damit zu tun! Und wer dann so tiefschürfenden Gedanken im „Jerusalem der Evangelischen“ nachhängt, der kann dann ganz gelassen über den lebensgroßen Playmobil-Luther schräg gegenüber der Hoffnungskirche bei der EKD Württemberg herzlich schmunzeln. Danke, Wittenberg, meine Reise hat erst begonnen!

Ein Mitarbeiter aus Regensburg, in der „These 62“
Zweimal und insgesamt für zehn Tage bin ich beim Reformationsjubiläum in Wittenberg dabei gewesen. Die Zeit in Wittenberg war für mich ein persönlicher Gewinn: neue Menschen aus unterschiedlichen Orten in Deutschland kennenzulernen, jeder in seiner Art und in seiner persönlichen auch religiösen Lebensgeschichte. Dann auch Teil der Reformationsbewegung zu sein und mit Gästen über den wahren „Schatz der Kirche“ dem „heiligen Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes“ (These 62) ins Gespräch zu kommen.

Eine Mitarbeiterin aus Backnang, in der „These 62“

Es war eine wertvolle Zeit für mich in Wittenberg und mit vielen Eindrücken bin ich nach Hause gegangen.
Täglich denke ich nachmittags an die „These 62“ und bete für die Arbeit dort. Es war für mich wie meine Teestubenzeit in der Jugend. Vielen Dank für alles und Gottes Segen.

Ein Ehepaar aus Groß Boden in der „These 62“
Ich habe die Tage in sehr guter Erinnerung. Im Schnitt hatten wir in den Tagen vom 23. bis 27. August fünfzehn bis zwanzig Besucher, die hereinschauten und für einen kürzeren oder längeren Moment blieben. Und wie diese Situation so ist, kommt es natürlich zu den unterschiedlichsten Begegnungen: entweder schauten überrascht (auf beiden Seiten) Bekannte aus unserer Kasseler Zeit herein, oder es waren Menschen aus dem uns bekannten CVJM-Werk aus Kassel, die plötzlich und stürmisch mit einem schreienden Kind auf dem Arm in der Tür standen, weil das kleine Kind einen Wespenstich auf der Nase bekommen hatte und schnelle Hilfe benötigten. Die eindrücklichsten Erinnerungen hatte ich von einer Frau (vielleicht schon Rentnerin) aus Wittenberg, die – so ihre Aussage – aufgrund der Ausstellung sich das erste Mal mit dem Thema Glaube befasste und das erste Mal die „These 62“ betrat. Sie sei schon häufig an „These 62“ vorbeigegangen und hätte sich immer wieder gefragt, was sich dahinter verbirgt. Und am Sonntag hatte ich ein längeres Gespräch mit einem durchaus gebildeten jungen Rentner aus Coswig, vielleicht ehemals Lehrer am Gymnasium, der mich mit seiner eingefahrenen Überzeugung in Sachen Glaube konfrontierte. Wir haben lange und offen miteinander geredet, wobei ich ihn bei seiner sehr auf die eigene Kultur gestützten Sicht darauf hingewiesen habe, wie Glaube nicht nur in Deutschland, sondern auch in aller Welt gelebt und erfahren wird. Und dass er doch bitte vorsichtig sein möchte, um nicht diejenigen zu diffamieren, die ganz zu ihrem Glauben an Christus stehen, egal in welcher Kultur und in welcher Herausforderung (Verfolgung, etc.) sie stehen. Das Gespräch endete damit, dass er sich mit einem Händedruck und einen herzlichen Dank für das Gespräch verabschiedete. Das hatte mich natürlich gefreut, weil ich merkte, da war etwas bei ihm in Bewegung gekommen.

Ein Artikel von Theresia Stadtler-Philipp