Gemeinden fördern, um Gottes Auftrag in der Welt zu erfüllen
„Unser Bund 2025“: Bundesrat befürwortet Konzepte für Regionalisierung und theologische Bildung
Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden erwägt, seine Landesverbände in kleinere Gemeindeentwicklungsregionen umzugestalten, um seine Gemeinden bestmöglich zu unterstützen. Mit demselben Ziel soll die theologische Ausbildung weiterentwickelt werden, um den Bedarf an Hauptamtlichen für die Arbeit vor Ort zu decken. Der Bundesrat hat sich in einer Trend-Abstimmung mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, beide Konzepte aus dem Strukturprozess „Unser Bund 2025 – Zukunft gestalten“ entsprechend weiterzuentwickeln.
„Unser Bund 2025 – Zukunft gestalten“ (UB25) war der thematische Schwerpunkt der Plenarsitzungen auf der BEFG-Bundesratstagung 2024. Damit wurden die Gemeinden durch ihre Vertreterinnen und Vertreter in den breit angelegten Beteiligungsprozess einbezogen. Bisher entwickelte Ideen wurden vorgestellt und von den Delegierten aus den Gemeinden ausführlich diskutiert. Im Vorfeld hatten sich die beiden Arbeitsgruppen zu den Themenfeldern „Regionale Ebene und Landesverbände“ und „GJW und junge Gemeinde“ zusammengeschlossen und das Konzept der sogenannten Gemeindeentwicklungsregionen entwickelt. Die Arbeitsgruppe zur „Theologischen Ausbildung“ hatte Vorschläge zu einer kurz- bis mittelfristigen Weiterentwicklung der Arbeit der Theologischen Hochschule Elstal konzipiert und als langfristige Perspektive den überkonfessionellen Zusammenschluss von Ausbildungsstätten und somit die Gründung einer neuen Hochschule vorgeschlagen. Beide Grundkonzepte wurden vor der Bundesratstagung bereits ausführlich in einem UB25-Plenum behandelt, dem rund 100 Menschen aus Gemeinden, Werken und Einrichtungen des BEFG angehören. Die Prozessbegleiter Dr. Stefan Lingott und Christoph Bartels, BEFG-Generalsekretär Christoph Stiba und die anderen neun Mitglieder der UB25-Projektgruppe stellten die Konzepte auf dem Bundesrat vor.
Gemeindeentwicklungsregionen
BEFG-Referentin Samantha Mail und Jürgen Tischler vom BEFG-Landesverband NOSA führten in das Konzept der Gemeindeentwicklungsregionen ein. „Dahinter steht die Idee, dass die Entwicklung von Gemeinden im Vordergrund steht, denn wir sind ein Bund von Gemeinden“, so Tischler. Administrative Aufgaben wolle man zentral organisieren, damit man sich in den Regionen voll auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren könne. In diesem Sinne sollen die zwölf Landesverbände in 25 bis 35 Gemeindeentwicklungsregionen, kurz: GER umgewandelt werden. In jeder dieser Regionen übernehmen Teams aus Ehren- und Hauptamtlichen gemeinsam Verantwortung für die individuelle Entwicklung der Gemeinden. Für jede GER arbeiten zwei Personen hauptamtlich: eine für Gemeindeentwicklung, eine für junge Gemeinde. Beide tun dies mit 50 Prozent ihrer Arbeitszeit. Mit der anderen halben Stelle sind sie jeweils in einer Gemeinde der Region, für überregionale Aufgaben des Bundes oder in einem anderen, dem Bund nahestehenden Werk tätig. Auch andere Konstellationen sind denkbar. Angestellt sind diese Hauptamtlichen beim BEFG, der sich um Personalentwicklung und -management kümmert. Samantha Mail unterstrich das mit diesem Konzept verbundene Ziel: „Mit diesen zielgerichteten Netzwerken wollen wir die Vitalität und die Entwicklungsprozesse der Gemeinden unseres Bundes fördern, um sie zu unterstützen, Gottes Auftrag in der Welt zu erfüllen.“
Nachdem die Delegierten Gelegenheit hatten, Verständnisfragen zu diesem Konzept zu stellen, wurde die Diskussion eröffnet. Zu Beginn verlasen Martin Seydlitz, Jonathan Walzer und Lars Heinrich ein Votum, in dem sich die Leiterinnen und Leiter aller zwölf Landesverbände ausdrücklich hinter die Grundidee der GER stellen. Das von ihnen formulierte „Aber“ habe einzig damit zu tun, „dass wir so sehr von der Richtung überzeugt sind, dass wir mehr davon wollen! Mehr Stärkung der Gemeinden, mehr Aufmerksamkeit für die Regionen!“ Um keine zu großen Regionen zu haben, wünsche man sich deshalb mehr Regionen. Zudem müsse man den Zuschnitt der Regionen gemeinsam mit den Gemeinden entwickeln – und dies in Ruhe ohne zu großen Zeitdruck. Während der Aussprache im Plenum wurde gefordert, die Regionen bei Entscheidungen über Stellenbesetzungen maßgeblich zu beteiligen, was nach Angaben der UB25-Projektgruppe auch geplant ist. Zudem wurde in der Diskussion von den Delegierten die Bedeutung der Freiwilligkeit hervorgehoben. Und tatsächlich ist zwar eine flächendeckende GER-Struktur vorgesehen, doch ob sich eine Gemeinde aktiv daran beteiligen möchte, kann sie frei entscheiden. Kritisch diskutiert wurden die 50:50-Stellen, bei denen Hauptamtliche zur Hälfte in einer Gemeinde und zur anderen Hälfte für die GER arbeiten. Dies könne zu einer Überlastung führen, so ein Einwand. Jürgen Tischler räumte ein, anfangs auch skeptisch gewesen zu sein: „Mittlerweile glaube ich daran, dass das funktioniert, weil die Hauptamtlichen durch ein zentrales Personalmanagement unterstützt werden sollen.“ Jennifer Aworour und Arne Zander, Vorsitzende und 2. Vorsitzender des GJW-Bundesvorstands, hoben in einem gemeinsamen Statement die von der UB25-Projektgruppe geteilte Sicht hervor, dass die Jugendverbandlichkeit des GJW in der neuen Struktur erhalten bleiben muss, denn diese eröffne „jungen Menschen einen Erprobungsraum, ihre Impulse zu entwickeln, die unsere Kirche voranbringen“. Aktuell wird daran gearbeitet, wie die Jugendverbandlichkeit in die neue Struktur integriert wird.
Insgesamt stieß das GER-Konzept bei den Delegierten auf breite Zustimmung, was sich darin zeigte, dass in der abschließenden Trend-Abstimmung 87,4 Prozent von ihnen mit Ja dafür stimmten. Damit signalisierten sie, dass sie sowohl die Weiterarbeit im Sinne des Konzeptes als auch die Überprüfung seiner Umsetzbarkeit und die Anpassung bei Bedarf unterstützen. Das weiterbearbeitete Konzept soll dem Bundesrat 2025 zur Entscheidung vorgelegt werden.
Finanzen
Der kaufmännische Geschäftsführer des BEFG Volker Springer ging auf Fragen der Finanzierung ein. Unter seiner Leitung hatte eine UB25-Finanzkommission einen Finanzrahmen ermittelt, indem sie eine Bestandsaufnahme sämtlicher übergemeindlicher Haushalte im Bund vorgenommen hatte. Alle Beispielrechnungen seien noch sehr grob, weil ja das UB25-Gesamtkonzept noch gar nicht stehe, wie Springer betonte. Dennoch sei absehbar, dass ein „nennenswerter Betrag für zentrale Stellen in Elstal verfügbar“ sein werde. „Dies ist auch notwendig, weil neben der Administration auch weiterhin inhaltliche Arbeit für den ganzen Bund geleistet werden soll.“ Würde man die Zahl der Gemeindeentwicklungsregionen allerdings deutlich erhöhen, fehle das Geld für die zentrale Arbeit, so Springer.
Theologische Ausbildung
UB25-Projektgruppenmitglieder Prof. Dr. Thorsten Kurzawa, Leiter des Landesverbands Berlin-Brandenburg und Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, und Prof. Dr. Ralf Dziewas von der Theologischen Hochschule Elstal stellten das Konzept für die theologische Ausbildung vor. Ziel sei es, langfristig die Ausbildung qualifizierter Hauptamtlicher wie auch Ehrenamtlicher für die Arbeit in den Gemeinden sicherzustellen, so Kurzawa: „Dabei sollen die Theologische Hochschule und die Gemeinden auf Augenhöhe zusammenarbeiten.“ Wie das funktionieren kann, stellte Dziewas am Beispiel des geplanten dualen Studiums vor: „Anstatt dass Gemeinden ihre besten Leute zu uns nach Elstal schicken, damit diese nach dem Studium in irgendeine Gemeinde gehen, heißt es beim dualen Studium: Wir wollen gute Leute, die Ihr Euch im Gemeindedienst vorstellen könnt, gemeinsam mit Euch ausbilden.“ Das Konzeptpapier schlägt zwei weitere Maßnahmen vor, durch die kurz- bis mittelfristig der Zugang zu theologischer Bildung flexibler und für mehr Zielgruppen ermöglicht werden soll. So soll das bereits bestehende „Angebot kleinerer Studien-Etappen“ ausgebaut werden, wodurch sich Menschen beispielsweise fürs Predigen in der Gemeinde ausbilden lassen können. Zudem ist ein Masterstudiengang für Nichttheologen angedacht, die bereits einen wissenschaftlichen Abschluss in einem anderen Gebiet haben und auf diese Weise schneller einen theologischen Abschluss erwerben und als Hauptamtliche in der Gemeinde arbeiten könnten. Als langfristige Perspektive schlägt das Konzept vor, dass sich bis 2035 mehrere theologische Ausbildungsstätten zusammenschließen und eine neue Hochschule gründen. Hier solle der BEFG strategische Schritte unternehmen und auf andere Freikirchen und Gemeinschaften zugehen. Eine solche größere Hochschule schaffe Synergieeffekte und sei langfristig wirtschaftlich zu betreiben.
In der anschließenden Diskussion dankte Josephine Dietz, die Sprecherin der Studierenden der TH Elstal, für das Konzept: „Wir begrüßen die Entwicklung. Wir wurden gehört und stehen hinter dem Ergebnis.“ Auf die Frage einer Delegierten aus Baden-Württemberg unterstrich Thorsten Kurzawa, dass auch geografisch weit von Elstal entfernte Gemeinden sich am dualen Studium beteiligen könnten. Auf die Frage, was „die Kunden“, also die potenziellen Studierenden wollen, hob er hervor, dass bei ansonsten abnehmenden Studierendenzahlen das Interesse an dualen Studiengängen hoch sei. Angesprochen auf das in manchen Kreisen schlechte Image der TH Elstal als angeblich einseitig liberale Hochschule antwortete Ralf Dziewas: „Alle Dozierenden in Elstal lehren auf der Basis der ‚Rechenschaft vom Glauben‘. Und wer sagt, in Elstal werde keine Sühnetheologie gelehrt, der lügt.“ Ein Delegierter hob hervor, dass die BEFG-Gemeinden sich hinter ihre Hochschule stellen und diese stärken müssten. Auf die Rolle der Gemeinden ging auch Samantha Mail ein: „Gemeinden sind dafür verantwortlich, dass Räume geschaffen werden, in denen Menschen eine Berufung in den Dienst erleben.“ Am Ende fand das Konzept die Zustimmung von 93,8 Prozent der Delegierten.
Wie es weitergeht
Christoph Stiba, Christoph Bartels und Dr. Stefan Lingott zeigten am Ende der gut fünfstündigen Beratungen an drei Konferenztagen auf, wie es nun weitergeht. Nach dem Bundesrat werden neue Arbeitsgruppen einberufen und sich mit der „Leitung des BEFG“ und der „Bundesgeschäftsstelle und den Dienstbereichen“ befassen. Erst, nachdem alle Strukturfelder behandelt worden sind, kann ein Gesamtkonzept „Unser Bund 2025“ erstellt und vom Bundesrat 2025 entschieden werden. Die Trend-Abstimmungen des Bundesrats 2024 sind eine Bestätigung, dass in die vorgeschlagene Richtung weitergearbeitet werden soll. Doch das, was bei dieser Konferenz vorgelegt wurde, muss noch konkretisiert und weiterentwickelt werden. Und: Durch die nun kommenden Felder können sich Änderungen ergeben. „Wir sind ein gutes Stück gegangen, doch wir haben noch viel Arbeit vor uns“, wie Christoph Stiba am Ende des Bundesrats sagte. „Allen, die bisher und künftig mitarbeiten, ein herzliches Dankeschön. Als Bundesgemeinschaft wollen wir hier gemeinsam weitergehen und unseren Gott um seine Unterstützung bitten. Denn hinter all unseren strukturellen Plänen steht das eine Ziel: Sein Reich in dieser Welt mitgestalten.“
Ein Artikel von Dr. Michael Gruber