Glaube in Wort und Tat
Vor 100 Jahren wurde Rolf Dammann geboren
Am 16. August vor 100 Jahren wurde Rolf Dammann in Görlitz geboren. Von 1958 bis 1989 diente er als Leiter der Geschäftsstelle Ost und Generalsekretär des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR.
Eine herausfordernde Aufgabe, unter den Bedingungen der SED-Diktatur einen klaren Kurs zu steuern, ohne einerseits klein beizugeben und andererseits die Gemeinden zu gefährden. Dass ihm das auf überzeugende Art gelang, davon erzählt Ulrich Materne, sein Nachfolger als Generalsekretär des DDR-Bundes. Er war bei Rolf Dammann quasi in die Lehre gegangen, um die Aufgaben von der Pike auf zu lernen, und ging in der Gubener Str. 10 in Berlin ein und aus. Hier war nicht nur die Familie Dammann zu Hause, sondern auch die Bethel-Gemeinde, bevor die Kapelle im Krieg zerstört wurde. Materne erinnert sich an eine Begebenheit aus dieser Übergangszeit im Sommer 1989. Der Präsident des Baptistischen Weltbunds, der Australier Noel Vose, war zu Gast in Ost-Berlin. Bei einem Besuch in der Gemeinde Matternstraße ging Rolf Dammann im Treppenhaus vor, Vose und Materne folgten. Da deutete Vose nach vorne und meinte zu Materne gewandt: „Big shoes“ – Große Schuhe! Das war durchaus sinnbildlich gemeint, nicht um Materne angesichts eines unerreichbaren Vorbilds zu entmutigen, sondern um seine Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen.
Was machte seine Schuhe so groß?
Zum einen seine Weltoffenheit in einem alles andere als weltoffenen Staat. Dammann engagierte sich in ökumenischen und internationalen Gremien. In diesem Zusammenhang kam es zu einer Begegnung mit Martin Luther King, der sich anlässlich eines Aufenthalts in West-Berlin im September 1964 zu einem spontanen Besuch im Ostteil der Stadt entschloss – mit einer Kreditkarte als Ausweisdokument – und in der Marienkirche predigte. Auch Billy Graham lernte er 1982 kennen. Darüber hinaus war es ihm möglich, 1970 in Tokio und 1980 in Toronto an den Kongressen des Baptistischen Weltbundes teilzunehmen. Von 1980 bis 1985 zählte er zu den zwölf Vizepräsidenten des Baptistischen Weltbundes.
Die „Rechenschaft vom Glauben“, das gemeinsame Glaubensbekenntnis der Baptisten in der Bundesrepublik, der DDR, Österreich und der Schweiz entstand zu großen Teilen im bereits erwähnten Haus in der Gubener Straße, weil die DDR-Baptisten nur sehr eingeschränkt die Möglichkeiten zu reisen hatten. Die Verbindung zwischen den beiden deutschen Bünden war ihm sehr wichtig, wie sich sein Sohn Uwe Dammann, das vierte von fünf Kindern erinnert. Er weist auch auf die drei Bibelworte hin, von denen sich sein Vater im Umgang mit dem SED-Regime leiten ließ: „Suchet der Stadt Bestes“ (Jeremia 29,7), „Seid untertan der Obrigkeit“ (Römer 13,1) und „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apostelgeschichte 5,29).
In diesem Spannungsfeld agierte er weitsichtig, aber nicht ängstlich, und gerade an dem Jeremia-Wort wird deutlich, dass Glaube und Tat für ihn zusammengehörten. Und kluges Handeln auch: Für die Neuruppiner Missionsgesellschaft gab es nach menschlichem Ermessen keine Aussicht, dass sie jemals wieder ihren Betrieb aufnehmen würde. Häuser und Grundstück waren für die Rote Armee konfisziert. Trotzdem hielt Rolf Dammann die von der Satzung vorgeschriebenen Gesellschafterversammlungen ab und sorgte so dafür, dass die Gesellschaft nicht erlosch. Das Anwesen konnte daher nach der Wende dem Bund übertragen werden.
Nachdem er 1989 aus allen Ämtern ausschied, war es für ihn selbstverständlich, sich um seine pflegebedürftige Frau Elfriede zu kümmern: „Ich gebe ihr jetzt zurück, was sie Jahrzehnte für mich getan hat.“
Am 3. Dezember 2014 starb Rolf Dammann in Berlin.
Ein Artikel von Wolfgang Günter