Leichen auf dem Spielplatz

Eine Gemeinde mitten im Hochwassergebiet

IDEA, Wetzlar. Die letzten Tage seines Sommerurlaubs in Spanien kann David Kröker aus Euskirchen mit seiner Familie nicht mehr genießen. Der Pastoralreferent ist Gemeindegründer im Auftrag des ChristusForums Deutschland. Seine neue aus Kleingruppen (Zellgruppen) bestehende Gemeinde in Euskirchen befindet sich direkt im Katastrophengebiet im Südwesten von Nordrhein-Westfalen. Er macht sich Sorgen um die 60 Personen, die sich aus der gesamten Region zu der Gemeinde halten, sich wöchentlich treffen und am Sonntag in einer freikirchlichen Aussiedlergemeinde in Heimerzheim gemeinsam Gottesdienste feiern. Zum Gemeindegründungskonzept gehört es, Freundschaften zu Nachbarn, Bekannten und deren Bekannten zu schließen und im persönlichen Kontakt zum Glauben an Jesus Christus einzuladen. Wie geht es den Freunden, um die sich Kröker ebenfalls sorgt? Er weiß es nicht. „Ich habe über 600 Nachrichten erhalten“, sagt er IDEA. Aus der Ferne in Spanien kann Kröker, der auch ehrenamtlicher Vorsitzender der Deutschen Evangelistenkonferenz ist, nichts tun – außer beten. Das tun er und seine Ehefrau Monika immer wieder. Am 18. Juli sind sie zurück in Deutschland und tauchen ein in eine unwirkliche Welt des Chaos und der Zerstörungen. 

Jungen Mann aus den Fluten gerettet

Die gute Nachricht: Niemand aus der Gemeinde ist ums  Leben gekommen. Er erzählt davon, dass einer Frau aus der Gemeinde das Auto weggeschwemmt worden ist. Totalschaden. Und ein Mann konnte gerade noch rechtzeitig aus den Fluten gerettet werden. Das hätte auch ganz anders ausgehen können. Kröker hat von der Aktion ein kurzes Video bekommen. Der junge Mann wohnt bei seinen Eltern in Bad Münstereifel-Iversheim und geht noch einmal kurz vor die Tür auf die andere Straßenseite. Doch in diesen wenigen Augenblicken steigt das Wasser so rasend schnell an, dass er nicht mehr zurückkommen kann. Er ruft um Hilfe. Man wirft ihm ein Seil zu, das er sich um den Körper und die Arme wickelt. Das kurze Video zeigt, wie es drei Männer kaum schaffen, ihn auf ihre Seite rüberzuziehen. Er wird von der Flut mitgerissen. IDEA versucht, den Mann telefonisch zu erreichen, aber das Handynetz ist zusammengebrochen.

Gebetserhörungen

Eine ältere Frau aus der Gemeinde hat eine Gebetserhörung erlebt. Davon zu schreiben, fällt schwer – weil doch so viele Menschen in den Fluten ums Leben gekommen sind. Sie trifft sich in einem größeren Wohnhaus mit Freundinnen zum Beten im fünften Stock. Sie flehen in dem Kreis, so sagt es Kröker, zu Gott, dass er die Fluten stoppen möge. Die Frau muss zwischendurch noch etwas in ihrer Wohnung im Erdgeschoss erledigen. Dabei fällt ihr ein, dass es vielleicht gut wäre, einen Teppich von außen vor die Wohnungstür zu legen, um möglicherweise eindringendes Wasser zurückzudrängen. Tatsächlich wird das Haus überflutet. Aber ihre Wohnung im Erdgeschoss ist die einzige, die nicht durch das Hochwasser beschädigt wird. Am nächsten Tag staunt die Frau nicht schlecht, dass schon in aller Frühe Freiwillige aus ihrer Gemeinde vor Ort sind, um die überfluteten Keller auszuräumen und sauber zu machen.

Eine Nachbarin von David Kröker ist Polizistin. Gleich nachdem die Familie aus dem Urlaub wieder zu Hause ist, sucht sie den Pastoralreferenten auf. Sie ermahnt ihn dringend, dafür zu sorgen, dass seine vier Kinder im Alter von acht Monaten bis zu acht Jahren nicht auf einem Spielplatz in der Nähe spielen. Nicht nur, weil es durch die Nähe zum Fluss Erft vielleicht gefährlich werden könnte, sondern auch, weil dort immer wieder Leichen angeschwemmt werden.

Große Hilfswelle rollt an

Was die Flutkatastrophe mit seiner Gemeinde macht, weiß Kröker noch nicht. Am 18. Juli hat sie vor dem Gemeindehaus einen Dankgottesdienst gefeiert – ohne ihren Referenten, der andernorts als Pastor bezeichnet würde. Am Tag danach sucht er die Zellgruppenleiter auf, um mit ihnen zu besprechen, was zu tun ist. Einfach zur Tagesordnung übergehen – das geht nicht, weiß er. Ihm fällt auf, dass die Menschen von sich aus das Thema Tod und Sterben immer wieder ansprechen. „Ihnen erzähle ich von der Hoffnung, die wir Christen in Jesus Christus haben“, so Kröker. Er betreut sie seelsorgerlich, und zudem hakt er nach, was die Menschen in dieser Lage an materieller Hilfe benötigen. Auch darum will er sich kümmern. Er weiß, dass schon einen Tag später aus einer Partnergemeinde in Thüringen ein Transport mit Hilfsgütern eintrifft. Kröker: „Wir können helfen und wir wollen helfen.“

Erschienen in IDEA 29/2021 vom 21. Juli 2021, S. 16-17.

Hier in dieser Audiodatei berichtet David Kröker über die Folgen der Flutkatastrophe in der Region um Euskirchen.

Ein Artikel von Klaus Rösler (IDEA)