Kißkalt und Desamours mit Vertretern des Leitungsteams der Convention Baptiste d’Haiti

Mit wenig Mitteln viel Gutes bewirken

Reise zum Abschluss der deutsch-haitianischen Kooperation

Nach dem verheerenden Erdbeben vom 12. Januar 2010, das in Haiti schwere Verwüstungen anrichtete, vereinbarte der BEFG eine Entwicklungszusammenarbeit mit der Convention Baptiste d’Haiti, einem der Baptistenbünde des Inselstaats. Das gemeinsame Ziel war es, von 2011 bis 2017 mit sozial-diakonischen Projekten nachhaltig den Wiederaufbau zu unterstützen. Ebenfalls beschlossen wurde damals eine Kooperation zwischen den Ausbildungsstätten beider Bünde, der Christlichen Universität von Nordhaiti (UCNH) und der Theologischen Hochschule Elstal. Bei ihrer Reise im September konnten Dr. Michael Kißkalt und Stefanie Desamours sich davon überzeugen, was in den sechs Jahren gewachsen ist.

Schwül-heiße Luft schlägt uns beim Verlassen des Flugzeugs entgegen. Vor uns eröffnet sich der Blick auf die Berge um Cap-Haitien, beißender Rauch von kleinen brennenden Müllhaufen steigt in die Nase. Zurück in Haiti! Im Schneckentempo holpern wir durch die Schlaglöcher oder umfahren sie im Slalom, rechts und links überholt von voll besetzten und schwer beladenen Moped-Taxis. Die Straßenbauarbeiten auf der einzigen Nord-Süd-Verbindung ziehen sich in die Länge. Die Arbeiten wurden aufgrund der instabilen politischen Lage und Unruhen in den letzten Jahren häufig unterbrochen. An vielen Stellen ist keine Straße mehr vorhanden und die Fahrten dauern so um ein Vielfaches länger. Uns erscheint es unvorstellbar, dass viele Menschen diese Strecke täglich zurücklegen, um zur Arbeit zu fahren oder ihre Kinder zur Schule zu bringen. Doch sie tun es. Und auch viele Studierende der UCNH sind täglich unterwegs, weil es nicht genügend Wohnheimplätze auf dem Campus gibt. Seit dem Erdbeben ist die Universität kontinuierlich gewachsen. Die Zahl der Studierenden ist seit 2010 von 400 auf inzwischen 1.600 angestiegen. Sie gehört zu den fünf besten Universitäten im Land.

Wohin wir auch kommen, werden wir herzlich empfangen. Hier zeigt sich: Die finanzielle Unterstützung ist das eine, doch die Kooperation ist so viel mehr als das! Die Haitianer haben das Miteinander als ein großes Zeichen der Solidarität erlebt. Durch die gegenseitigen Besuche sind über die Jahre enge Beziehungen und tiefes Vertrauen gewachsen. Und natürlich war auch die Kontinuität der finanziellen Unterstützung eine große Hilfe für die Partner, denn so konnten sie sicher planen.

UCNH Campus, Daniel Louis und Michael Kißkalt

Leitungsteam der Schule in Gonaives, die mit Stipendien für bedürftige SchülerInnen gefördert wurden

Blick in die Berge in der Gegend um Limbé

Die Schönheit der Natur steht im krassen Kontrast zur großen Armut. So erkennen wir einige Veränderungen nicht auf den ersten Blick. Doch beim genauen Hinsehen merken wir, wie viel sich getan hat. Wir sind beeindruckt vom unermüdlichen Einsatz unserer Partner und der großen Willenskraft , trotz der schwierigen Lage ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Die Baptistengemeinden sind in der Evangelisation und in der Entwicklungsarbeit sehr engagiert. Sie helfen den Menschen in ihrem Umfeld – auch bei der Bewältigung der Folgen des Erdbebens. Wir besuchen zwei Gemeindegründungen, die in den letzten sieben bzw. zehn Jahren jeweils auf 600 Mitglieder gewachsen sind. Diakonisches Engagement  ist dabei eine Selbstverständlichkeit. In vielen Gemeinden organisieren sich Frauen in Selbsthilfegruppen und geben sich mit selbst erspartem Geld gegenseitig Kredite. Damit können Frauen ein kleines Geschäft eröffnen, verdienen mehr Geld für ihre Familien und um das Schulgeld für die Kinder zu bezahlen. Umgerechnet nur wenige Euro machen hier schon einen Unterschied für eine Familie und langfristig für einen ganzen Stadtteil. Die Frauen in der Gemeinde Bas-Limbé sind mittlerweile so erfolgreich, dass auch die Männer angefangen haben, sich in Selbsthilfegruppen zu organisieren.

Zwei Frauen, die dank der Selbsthilfegruppe das Schulgeld für ihre Kinder regelmäßig bezahlen können

Frauengruppe der Gemeinde Bas-Limbé: Zwei Frauen erläutern in einem Sketch die Vorteile der Teilnahme an einer ökonomischen Selbsthilfegruppe

Michael Kißkalt und Emmanuel Pierre, scheidender Generalsekretär der Convention Baptiste d’Haiti

An der landwirtschaftlichen Fakultät der UCNH werden für die Kleinbauern der Region Kurse in Gemüseanbau und in der Pflege des Ackerbodens angeboten. In der Gegend um Haut-Limbé war vor wenigen Jahren noch kaum Gemüseanbau zu finden. Nun lernen die Bauern, welche Pflanzen sie zusammen anbauen müssen, um den Boden fruchtbar zu erhalten und kontinuierlich verschiedene Produkte ernten zu können. Anstatt Gemüse und Obst auf dem Markt zu kaufen, können sie nun für den Eigenbedarf ernten oder ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf besser bestreiten. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Ernährungssicherung. Über das Ende der Kooperation hinaus geht dieses Programm weiter, indem Studierende der landwirtschaftlichen Fakultät für ein Praktikum zu den Kleinbauern gehen und ihnen dieses Wissen vermitteln. Daniel Louis, der in Elstal im Rahmen der Kooperation seinen Master in Freikirchlicher Diakonie erworben hat, unterrichtet das Fach mittlerweile an der Christlichen Universität und berät Gemeinden, wie sie sich in ihrem diakonischen Engagement besser aufstellen können.

Bei unseren Besuchten sehen wir viele Beispiele für solche Projekte, die auch nach dem offiziellen Ende der Kooperation weitergehen und positiven Einfluss auf das Leben der Menschen haben werden. Und in allen Begegnungen wird deutlich, dass die Verbundenheit beider Partner bestehen bleiben wird. Darüber hinaus haben die Theologische Hochschule Elstal und die UCNH einen neuen Kooperationsvertrag  über den weiteren wissenschaftlichen Austausch unterzeichnet.

Ein Artikel von Stefanie Desamours und Dr. Michael Kißkalt