Passgenau, vergleichbar, schneller: neues Vermittlungsverfahren

Wie Gemeinden und Hauptamtliche besser zueinander finden

Eine Gemeinde sucht eine neue Pastorin. Ein Pastor sucht eine neue Gemeinde. Sie alle wenden sich an den Berufungsrat, damit dieser bei der Vermittlung hilft. Dafür wurde jetzt ein neues Verfahren entwickelt. Udo Hermann (UH), Leiter des Dienstbereichs Mitarbeiter und Gemeinde, Personalreferent Thomas Seibert (TS) und Dr. Matthias Walter (MW), Vorsitzender des Vertrauensrats der Pastorenschaft, stellen es in einem Interview mit Julia Grundmann (JG) vor.

JG: Zur Stellenvermittlung von Ordinierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen (OM) innerhalb unseres Bundes gibt es jetzt ein neues Verfahren. Warum?

UH: Das bisherige Verfahren hatte drei wesentliche Schwachstellen: Die erste war, dass die Profile von Gemeinden und Ordinierten Mitarbeitenden einfach nicht vergleichbar waren. Die zweite war die Aussagekraft beziehungsweise Widersprüchlichkeit der Profile. Gerade bei Gemeinden mussten wir oft in zahlreichen Gesprächen ermitteln, was sie eigentlich wirklich wollen. Die dritte Schwachstelle war der Zeitfaktor. Der Berufungsrat als Vermittlungsstelle traf sich alle sechs bis acht Wochen. In der Zwischenzeit ruhte das Verfahren. Das wollten wir besser machen.

JG: Ein zentrales Element bei dem Verfahren ist ein „Rollenset“, bestehend aus 28 Spielkarten. Auf jeder dieser Karte steht eine Rolle, wie zum Beispiel „Talentscout“, „Prediger/in“ oder „Grenzgänger/in“. Unter der Rollenbezeichnung gibt es jeweils drei Sätze, die Verhalten beschreiben, welches mit dieser Rolle einhergeht. Bei „Prediger/in“ steht unter anderem „Hat eine außergewöhnliche Redebegabung (inhaltlich und rhetorisch)“, bei „Grenzgänger/in“ steht „Ermahnt und erinnert die Gemeinde regelmäßig an ihre soziale Verantwortung“. Was hat es mit diesem Kartenset auf sich?

TS: Die Rollen sind Bilder, die beschreiben, mit welchen Stärken und Schwerpunkten man Ordinierte Mitarbeiterin oder Ordinierter Mitarbeiter sein kann. Um diese Bilder zu nutzen haben wir sie auf Spielkarten drucken lassen. Die suchenden Gemeinden und Hauptamtliche auf der Suche nach einer neuen Stelle haben die Aufgabe, diese 28 Karten in eine Reihenfolge zu bringen. Die ersten Karten beschreiben besondere Stärken, die letzten Karten, was weniger wichtig ist. Ganz neu an diesem Verfahren ist es, dass alle Beteiligten mit denselben Begriffen und Definitionen arbeiten. Das bietet für die folgenden Berufungsgespräche sehr konkrete Themenstellungen über die gesprochen werden muss.

MW: Da, wo Kolleginnen und Kollegen das Rollenset schon kennengelernt haben, hören wir von vielen: Das hat richtig Spaß gemacht. Es ist eine tolle Methode, sich gründlich zu reflektieren. Diese konkret beobachtbaren Beschreibungen sind für viele eine große Hilfe, um sich selber richtig einzuschätzen. Unser Wunsch als Vertrauensrat wäre, dass die Gemeinden sich in gleicher Weise auf diesen Prozess einlassen. Das stelle ich mir natürlich ungleich schwieriger vor, weil statt einer Person ganze Gemeindegruppen solch ein Profil-Ranking, ein gemeinsames Verständnis von Aufgaben und Erwartungen, erstellen müssen. Doch so können falsche Erwartungen vermieden werden!

TS: Die ersten Erfahrungen zeigen, dass dieses Modell auch bei Gemeinden sehr positiv wahrgenommen wird. Gerade die Geschichte mit den Karten gibt dem Ganzen etwas Spielerisches, ohne dass es zu einer Spielerei wird. Wir erleben, dass Gemeinden dadurch motiviert werden, mit einem hohen Maß an Ernsthaftigkeit ganz konkret darüber zu sprechen: Wen brauchen wir eigentlich?

JG: Wenn Ihr durch die festgelegten Begriffe die Vergleichbarkeit erhöht, leistet Ihr quasi eine Art Übersetzungsarbeit?

UH: Das stimmt, durch diese formulierten Verhaltensanker gibt es eine gemeinsame Sprache – die auch uns als Berufungsrat hilft, für die Gemeinden geeignete Hauptamtliche zu finden.

JG: Hilft diese gemeinsame Sprache denn auch dabei, Widersprüchlichkeiten in den Profilen aufzudecken?

UH: Ja, neu bei dem Verfahren ist auch die Prozessbegleitung – sowohl für Gemeinden als auch für Ordinierte Mitarbeitende. Sobald beide Parteien mithilfe des Rollensets die Grobsortierung abgeschlossen haben, gibt es Gespräche mit geschulten Begleiterinnen und Begleitern, die schauen, ob das, was da entwickelt wurde, stimmig ist. Die verschiedenen Rollen unterscheiden sich zum Beispiel in ihren Werten oder in der Persönlichkeit. Nicht jede gewünschte Kombination ist möglich. Am Ende der Begleitung sollte bei den Pastorinnen und Diakonen klar sein, was ihre Stärken und Schwächen sind und bei den Gemeinden, dass es stimmig ist, was sie anfordern. Dieser begleitete Prozess erhöht die Aussagekraft deutlich.

JG: Die Beteiligten müssen erst das Rollenranking vornehmen, sich dann mit ihrer Prozessbegleitung verständigen und schließlich ihre Unterlagen an den Berufungsrat senden. Zeit scheint mir dadurch nicht gewonnen zu sein, oder?

UH: Das ist für die gründliche Vorarbeit richtig. Das Ganze ist Element eines geistlichen Prozesses, bei dem alle Beteiligten versuchen, zu hören, ob eine Platzanweisung Gottes zu erkennen ist. Im konkreten Verfahren gewinnen wir Zeit. Die Unterlagen sind viel kürzer als beim alten Verfahren. Ein erster Abgleich kann sogar durch eine Datenbank vorgenommen werden. Zudem wird sich der Berufungsrat in Zukunft alle zwei, drei Wochen online treffen, die eingegangenen Ergebnisse miteinander vergleichen und so viel schneller Gemeinden und Stellensuchende einander zuordnen.

JG: Das neue Vermittlungsverfahren gilt ab sofort und ist sogar schon angelaufen. Was wünscht Ihr Euch in diesem Zusammenhang für die nahe Zukunft?

UH: Ich hoffe auf eine hohe Beteiligung! 60 bis 70 Prozent aller Berufungen laufen bisher über den Berufungsrat. Wir hoffen, dass es mehr werden. Die Gemeinden haben natürlich weiterhin die Möglichkeit, auch auf anderen Wegen nach neuen Mitarbeitenden zu suchen. Aber dieses neue Verfahren hilft Gemeinden bei der Klärung, in welche Richtung es gehen soll. Es ist passgenau, geht schnell und spart am Ende viel Frust, der sonst auf beiden Seiten entstehend kann, wenn Gemeinde und Diakonin oder Pastor nicht zusammenpassen.

MW: Im Bund haben wir hier wirklich etwas Gutes entwickelt – sowohl für die Hauptamtlichen als auch für die Gemeinden!

Ein Artikel von Julia Grundmann