Reich Gottes erproben, Fremdsein entdecken
Zwei Perspektiven auf die AmPuls-Konferenz 2022
Sebastian Rußkamp, Student an der Theologischen Hochschule Elstal, hat die AmPuls-Konferenz live vor Ort in Karlsruhe erlebt und Diakonin i.R. Gabriele Löding war online mit dabei. Beide berichten von ihren Eindrücken und der Sehnsucht, als „Geschickte“ zu leben.
Sebastian Rußkamp:
Die diesjährige AmPuls-Konferenz fand online statt. Im aufgebauten Übertragungsstudio der EFG Karlsruhe nahm live eine kleine Gruppe an dem breiten Angebot der Konferenz teil, während die restlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer die verschiedenen Impulse und Workshops über Zoom oder YouTube verfolgen und mitgestalten konnten. Um vor allem auch online einen guten Austausch gewährleisten zu können, wurden verschiedene Interaktionsmöglichkeiten wie Umfragen oder unterschiedliche Chats den Teilnehmenden während der gesamten Konferenz zur Verfügung gestellt. Gabriele Löding fügt hinzu: Freundlich, kurzweilig und persönlich moderiert wurde die Tagung von Fiona Waddell, Studentin an der Theologischen Hochschule Elstal, und von Simon Werner, Referent der Akademie Elstal/GJW Akademie.
„Dich schickt der Himmel“ – diese großartige Zusage stand auch 2022 wieder als Motto über der AmPuls-Konferenz. Ein jeder von uns ist geschickt – geschickt für den Anderen. Wer aber ist dieser „Andere“ eigentlich? Wir alle sind Himmelsgeschenke für jemand Anderen. Was würde passieren, wenn diese Überzeugung unseren Alltag prägen würde? Die unterschiedlichsten Menschen stellten uns ihren Weg vor, wie sie dieser Zusage Leben und Ausdruck verleihen und gaben uns Inspirationen für unser eigenes Leben. Durch diverse Workshops, X-Talks und weitere Formate, wurde ihre Leidenschaft und Liebe für den "Anderen" deutlich.
Zum Auftakt wurde die große Vision des „Himmelsfels‘“ gemalt, der sich in Spangenberg bei Kassel befindet. Der Theologe und Künstler Johannes Weth und Pastor und Gospelsänger Steve Ogedegbe stellten den Himmelsfels als Ort internationaler Gastfreundschaft vor. Ihr Anliegen ist es „Gräben zwischen verschiedenen Konfessionen, Nationalitäten und Kulturen zu überwinden.“ Dabei bietet der gemeinnützige und ökumenische Kultur-Park, der auf einem Berg aus Bauschutt entstanden ist, einen Ort, an dem junge Menschen auf Freizeiten und Veranstaltungen ihr Potenzial entdecken können und zu Brückenbauern zwischen Kulturen und Konfessionen werden.
Gabriele Löding:
Die Lieder, die die Band von Himmelsfels spielte, nahmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit hinein in die Atmosphäre vom Himmelsfels. Besonders ein Lied wurde im Laufe der Konferenz immer wieder als sehr eindrücklich beschrieben: „Could it be?“. Darin wird die Frage aufgeworfen: Kann es sein, dass ich der Fremde, Gegner oder Feind bin, dem die Liebe Gottes gilt?
Weth und Ogedegbe gaben Impulse, wie Gemeinde interkulturell gelebt werden könne, zum Beispiel: „Klingle bei deinen Nachbarn, sie sind dir geschickt.“ Oder: „Sei stark, zeige Schwäche, denn in unseren Schwächen brauchen wir den Anderen und so entsteht Gemeinschaft neu.“ Zum Schluss sprachen beide die Einladung aus, den Himmelsfels zu besuchen, um das Leben dort kennenzulernen oder an Freizeitangeboten oder Feriencamps teilzunehmen.
Sebastian Rußkamp:
An diesem Abend voller Musik, Freude, Inspiration und Gottes-Momenten wurden wir ermutigt uns selbst kritisch zu fragen: „Könnte es sein, dass Jesus uns nicht nur beruft den anderen zu lieben, den Feind zu lieben und andere zu bekehren? Könnte es auch sein, dass ich dieser "Andere" bin, der Feind, der geliebt werden muss, derjenige, der gerettet wird?“ Diese starken und herausfordernden Gedanken schloss Weth mit einem Plädoyer für die zukünftige Kirche: „Wir müssen nicht die fertige Gemeinde sein. Gott schickt uns andere, damit sich bei uns etwas ändert. Die anderen sind vielleicht überhaupt nicht diejenigen, die gerade aufgenommen werden müssen – sondern wir sind es.“
Gabriele Löding:
Am Samstag griff Lea Herbert, Pastorin der EFG Großhansdorf, das Thema „Dich schickt der Himmel“ in einer Bibelarbeit zu Jeremia 29 und Matthäus 5, 13-16 auf. Jeremias Botschaft für die Verbannten Juden in Babylon sei keine Durchhalteparole und kein Schlachtruf gewesen, sondern die Aufforderung zur Integration. Sie fragte, was das für uns heute, die wir nicht in der Fremde sind, bedeutet: „Wem bin ich fremd? Was befremdet mich? Kann es sein, dass ich die oder der Fremde bin?“ Herbert führte weiter aus, dass Schwarz-Weiß-Denken überwunden werden müsse, um Fremdheit zu überwinden. Wir müssten lernen, dass vieles anders ist und Mehrdeutiges und Widersprüchliches ausgehalten werden muss. Zur Bergpredigt führte Herbert aus, dass Jesu Zuspruch „Ihr seid Salz und Licht“ keine Aussage ist, die wir uns selbst zusprechen können. Salz müsse sich beimengen, untermischen, dann erst bewirke es etwas. So könnten auch wir dazu beitragen, dass Menschen Geschmack am Leben finden. Licht vertreibe die Dunkelheit, erleuchte und beleuchte. Wir seien Salz und Licht, denn Gott ist mit uns.
Sebastian Rußkamp:
Nach diesem anregenden Vormittag konnten wir einen großen Vorteil der hybriden Veranstaltung nutzen und einen digitalen Marktplatz kennenlernen. Dabei gab es die Möglichkeit, viele verschiedene „Markstände“ in Form von unterschiedlichen Breakout-Sessions zu besuchen und zum Beispiel vertiefend die Konferenzthemen zu diskutieren oder unterschiedliche Bereiche des BEFG kennenzulernen. Die Vielfalt des Angebotes und der spannende Austausch wurden äußerst positiv wahrgenommen, so empfand ein Onlinebesucher: „Ich habe noch nie auf einer Konferenz in so kurzer Zeit so viele Stände besucht und auch noch mitreden können. Und das ganz ohne störende Geräuschkulisse, Drängeln an den Ständen und Stress. Super!“
Das bereits vielfältige Angebot wurde am Nachmittag mit einem weiteren Highlight ergänzt: „X-Talks“. Vier Personen, vier Themen, vier Kurzvorträge.
Den Anfang machte die BEFG-Referentin für Diakonie und Gesellschaft, Diakonin Agathe Dziuk, mit dem Thema „Vielfalt der Einheit – wenn aus etwas alles wird“. Ihr Herz brenne für eine Kirche, in der alle einen Platz finden, Unterschiede wahrgenommen und gefeiert werden und Vielfalt herrsche. „Echte Vielfalt bedeutet: nicht erst passend werden müssen, um reinzupassen.“ Sie plädierte für eine Gemeinde, in der „alle ganz selbst sein können“ und forderte uns dazu auf, aktiv und leidenschaftlich dieser Vision als Geschickte nachzugehen.
Göran Schmidt, Diakon der Evangelischen Kirche in Baden, Erlebnispädagoge und Mitbegründer des „Baumhauscamps“, stellte sein Projekt vor: eine „Kirche auf dem Weg nach draußen in die Natur und zu den Menschen“. Das Team des „Baumhauscamps“ verbindet die Verkündigung der Liebe Gottes mit erlebnispädagogischen Methoden und ist als „wilde Kirche bei jedem Wetter“ Teil der bunten und vielfältigen Kirchenlandschaft.
Rike Schlüter, Jugendreferentin im GJW Baden-Württemberg, nahm uns mit in die Welt der Konfliktbewältigung. Bei ihrem Thema „Versöhnung“ zeigte sie, anhand des „Vier-Ohren-Modells“ von Friedemann Schulz von Thun, eindrucksvoll und lebensnah, was der Kern echter Versöhnung sei: „Es geht nicht darum, wer Recht hat, sondern dass Beziehungen wieder heil werden.“ Als Gemeinden seien wir herausgefordert, eine Kirche zu werden, in der echte Versöhnung möglich sei und es genügend Raum für gute Konflikte und gesunde Beziehungen gebe.
Jens Stangenberg, Pastor der Zellgemeinde in Bremen, Kircheninnovator und Podcaster, stellte in seinem Kurzinput das Missionsverständnis der Kirche auf den Kopf, indem er fragte: Wie würde sich unser Verhalten verändern, wenn wir „nicht Gott in die Welt bringen, sondern die Welt in Gott sehen?“ Dahinter stehe ein Sendungsverständnis, das Gott als den schon in der Welt verankerten Sender sehe. Gott müsse nicht in die Welt „gebetet“ werden – er sei schon längst da. Stangenberg befürwortet eine dienende Kirche, die Fenster zum Himmel öffnet, Würde gibt, aufrichtend wirkt und dies alles mit Hoffnung geschehen lässt.
Gegen Ende der Konferenz wurden in hybriden Workshops Themen wie Inklusion und Nachhaltigkeit diskutiert, Kontakte geknüpft und Gespräche über das bereits Erlebte geführt. Eine Teilnehmerin erzählte: „In mir ist eine Sehnsucht geweckt, das Leben echt zu teilen.“
Gabriele Löding:
Am Sonntag wurde ein Gottesdienst aus der EFG Karlsruhe übertragen, die mit ihrer Band den Lobpreis gestaltete. In seiner Predigt betonte Regionalreferent Ost Benno Braatz, dass Jesus seinen Gruß „Friede sei mit Euch“ zweimal gegeben hat, um den verängstigten Jüngern klar zu machen: „Ihr braucht euch nicht zu fürchten, denn ihr seid nicht allein. Ich und mein Vater sind immer bei Euch, darum könnt ihr losgehen.“ André Peter, Regionalreferent Nord, führte die Predigt anhand des Gleichnisses vom verlorenen Schaf aus Lukas 15 fort. Jesus liege viel an den Verlorengegangenen. Er nimmt aus Liebe zum Verlorenen die Last des Nach-Hause-Bringens auf sich.
Die AmPuls-Konferenz hat mir gezeigt, dass auch online viele neue Impulse gegeben werden können, Austausch und Inspiration möglich sind und eine einladende Atmosphäre geschaffen werden kann. Ich freue mich schon auf AmPuls 2023.
Sebastian Rußkamp:
Für mich ist „Sehnsucht“ das Stichwort der AmPuls-Konferenz 2022. Die Impulse und Beiträge, aber auch der gemeinsame Austausch, ob digital oder analog vor Ort, weckten in mir die Sehnsucht nach einer Kirche, die vieles besser macht, als sie es bisher tut; einer Kirche, die Scham, Hass und Anfeindung durch echte Liebe, Offenheit und Annahme ersetzt. Ich bin mich sicher, nicht nur in mir wurde die große Sehnsucht geweckt, als „Geschickte“ aufzutreten, in Beziehung mit den verschiedensten Menschen zu treten und unser Sendungsbewusstsein neu zu stärken. Die AmPuls-Konferenz hat in mir die Sehnsucht entfacht, mit anderen „Geschickten“ eine Kirche zu werden, die Gottes gesamte Schöpfung liebt, wahrnimmt und auch annimmt, die nach heilen Beziehungen strebt, die Interkulturalität und Vielfalt feiert und die der Welt dient. Denn wir sind eine Kirche, die aus von Gott „Geschickten“ besteht und Teil seiner Vision ist.
Ein Artikel von Gabriele Löding und Sebastian Rußkamp