„Wie kommt der Geist in die Beratung?“
Jährliches Treffen des Netzwerks „Beratung von Gemeinden“
„Wie kommt der Geist in die Beratung?“ lautete das Thema des jährlichen Beratertreffens am 12. November in Kassel. 43 Männer und Frauen waren gekommen, um sich gemeinsam darüber auszutauschen, wie das Jahresthema des Bundes „INSPIRIERT LEBEN … dass Christus Gestalt gewinnt“ in der Gemeindeberatung verankert werden kann.
Pfarrerin Isabel Hartmann vom Gemeindekolleg der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Deutschlands (VELKD) leitete die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch einen steten Wechsel von Input, Übung und Reflexion an, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Dabei wünsche sie sich, so äußerte sie zu Beginn des Tages, dass „Sie sich nicht nur kongnitiv mit dem Denken Neues überlegen, sondern dass wir miteinander ins Hören kommen auf Gott, der unter uns ist.“
Das Netzwerk „Beratung von Gemeinden“, sagte BEFG-Referentin Heike Beiderbeck-Haus, habe von Anfang an einen hohen Anspruch an die Professionalität der Beraterinnen und Berater gehabt. Wer Teil des Netzwerks werden wolle, müsse gewisse Kriterien erfüllen und Standards einhalten. Mit dazu gehöre, dass sich der Berater beziehungsweise die Beraterin mit der eigenen Meinung zurückhalte. Dennoch, so Beiderbeck-Haus, spiele die spirituelle Situation gerade im Bereich der Gemeindeberatung eine große Rolle und müsse berücksichtigt werden. „Und zwar sowohl die spirituelle Situation der zu beratenden Gemeinde als auch der Beratenden selbst“. Denn: „Das Thema berührt tief unsere eigene Frömmigkeit, die je nach Prägung sehr unterschiedlich ist – und unser professionelles Verständnis von Beratung.“ Deshalb sei man auf dem Beratertreffen der Frage nachgegangen wie beide Bereiche zusammengehören und wo sie sich unterscheiden.
Am Vormittag beschäftigten sich die Teilnehmenden mit den verschiedenen Arten von Problemlagen, die sich manchmal sehr einfach, mitunter aber auch sehr komplex darstellten. „Meistens“, so stellte ein Teilnehmer fest, „wird von den Ratsuchenden eine ‚einfache‘ Antwort erwartet, die den Impuls der Beratung mit einem ‚Punkt‘ abschließt. Dagegen öffnet ein ‚Doppelpunkt‘. Er verbindet die Argumente mit der Weiterführung des Prozesses und erfordert Mut, nicht abzuschließen und die Argumentation offen zu halten.“ Bei einer komplexen Problemlage, so wurde deutlich, müsse immer wieder auf das Intuitive geachtet werden und auf die Emotionen und die Sehnsucht des Einzelnen, man müsse „erspüren und erproben, was der nächste Schritt ist“. Das übten die Anwesenden ganz praktisch, indem es immer wieder Phasen der Stille gab, wo jeder ganz „bei sich“ sein konnte. Zur Frage nach dem „Geist in der Beratung“ konnte man sich dann über die eigene Sehnsucht austauschen und einander rückmelden, was man beim anderen diesbezüglich jeweils wahrgenommen hat. Erfreulich sei dabei gewesen, so Heike Beiderbeck-Haus, dass „nicht suggeriert wurde, dass ich in diesen Minuten große Erkenntnisse gewinne, sondern ich hatte auch die Freiheit, die Erfahrung zu machen, dass ich gar nichts spüre. Es war kein Druck, kein Muss, kein Machen gefragt, sondern nur die Aufmerksamkeit für das, was in dem Moment geschieht.“
Am Nachmittag lag der Schwerpunkt auf der Beschäftigung der im Mission Statement formulierten ersten Säule des Jahresthemas: „Wir wollen die lebendige Stimme Gottes hören und daraus leben.“ Dabei wurde deutlich, dass die Stimme Gottes von jedem einzelnen sehr unterschiedlich wahrgenommen wird: Durch Worte, zwischenmenschliche Beziehungen oder einfach durch ein „Bauchgefühl“. „Der Geist Gottes spricht vielstimmig“, so Isabel Hartmann, „und nicht immer herrscht danach dann Eindeutigkeit und Einmütigkeit.“ Wichtig sei es, sich gemeinsam auf die Suche zu machen, in die Tiefe zu gehen und sich dabei Zeit zu lassen.
Bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern kam das Treffen überwiegend positiv an. „Ich finde es immer gut, einmal neue Methoden und Zugänge auszuprobieren, das heißt, nicht nur theoretisch vorgestellt zu bekommen, sondern gleich praktisch umzusetzen“, war das Fazit eines Teilnehmers. „So kann man eigene Erfahrungen machen und lernt Neues, was ein Gewinn ist. Man lernt aber auch, zu welchen Dingen man eventuell nicht so den Zugang hat. Auf jeden Fall ist dies eine Bereicherung.“
Im Netzwerk „Beratung von Gemeinden“ sind zurzeit 66 aktive Beraterinnen und Berater tätig. Das Netzwerk soll in Zukunft weiterentwickelt werden, insbesondere in Bezug auf einzelne Regionen, in denen es zurzeit keine Beraterinnen und Berater gibt. Außerdem wird gemeinsam mit dem BEFG-Referenten für Integration, Thomas Klammt, die interkulturelle Beratung auf den Weg gebracht.
Ein Artikel von Julia Grundmann