die Sommerferien sind der Höhepunkt der Urlaubsreisesaison. Manche, die keine schulpflichtigen Kinder haben, fahren früher oder später. Aber die meisten sind wohl während der Sommerferien unterwegs und verreisen mit Auto, Bahn, Bus, Flieger oder Schiff. Jedenfalls verlassen sie die Stadt und Wohnorte und machen sich auf – woanders hin.
In Berlin, wo ich lebe, aber sicher auch an vielen anderen Orten, merkt man es unweigerlich daran, dass der Straßenverkehr etwas ruhiger verläuft, es sogar Parkplätze gibt und Busse und U-Bahnen frühmorgens leerer sind als sonst. Obwohl ganzjährig Touristenströme durch die markanten Bezirke Berlins ziehen, ist der Sommer noch einmal anders. Die Cafés und Restaurants haben den Betrieb auf die Straße verlegt. Fast hat man den Eindruck, dass nicht nur die Menschen nach Erholung suchen, sondern sich in den Ferienwochen auch die Stadt erholt. Es entsteht ein mediterranes Flair. Alles ist irgendwie anders.
„Anders“ scheint in diesem Zusammenhang wirklich ein wichtiges Stichwort zu sein. Die meisten machen Urlaub, um mal etwas Anderes zu sehen, sich anders verhalten zu können, einen anderen Lebensrhythmus zu haben, anderes zu essen, zu trinken, woanders zu wohnen und zu schlafen, andere Menschen zu sehen, andere Länder kennenzulernen, andere Sitten und Gebräuche zu erfahren. Nicht, dass das Zuhause nicht schön wäre, Geborgenheit vermittelt und Sicherheit gewährt. Doch immer das Gleiche sehen, immer das Gleiche tun, immer im gleichen Rhythmus, lässt Menschen auf Dauer unzufrieden werden.
Es mag wohl auch daran liegen, dass wir Menschen Beziehungswesen sind. Wir stehen in Beziehung zu Menschen, Orten und Dingen, zu Aufgaben und Herausforderungen. Beziehungen leben aber eben auch von einem Wechsel zwischen Nähe und Distanz. Immer nur dicht dran sein und bleiben verengt den Blick, verkleinert den Lebensradius und kann dazu führen, den Überblick zu verlieren.
Perspektivwechsel ist angesagt. Ich gebe meine gewohnte und angestammte Position einmal auf, gehe in Distanz zum Alltag und versuche einen neuen Blick auf das normale Alltagsleben zu gewinnen. Dabei ist es ziemlich egal, wie man den Urlaub verlebt. Denn wie auch immer: Urlaub ist anders. Es ist ein Perspektivwechsel für die Seele, damit sie sich erholen kann und neue Kraft gewinnt, dass sie im Alltag wieder das Besondere entdecken kann und die Dankbarkeit für alles, was ist und was das Leben ausmacht. Aus dieser Dankbarkeit für die Menschen, die Orte und Dinge, für das Zuhause, die zu bewältigenden Aufgaben und das ganz normale Leben atmet die Seele durch und man kann gestärkt und ermutigt – nach ein paar Tagen oder Wochen – wieder einsteigen.
Denn wenn die Seele durchatmet, dann erholt sich auch der Körper. Dann gewinnt der Mensch wieder Raum zum Gestalten. Kreativität wird wach, um neue Wege zu gehen und die alten Wege neu sehen zu können. Dann gewinnt der Mensch Mut, endlich aufzubrechen und das längst Ersehnte auch zu wagen.
„Du sollst Urlaub machen!“, heißt das dritte Gebot. Zugegeben, es lautet im Original etwas anders, aber gemeint ist das Gleiche, wie oben beschrieben. Das gilt für den Sonntag wie auch dann, wenn wir – wie auch immer – Urlaub machen. Gott hat es in seiner Weisheit so vorgesehen.
Michael Noss
Präsident