Vorwort Bund aktuell Nr. 2 | 3. Februar 2022

Liebe Leserin, lieber Leser,

am 15. September vergangenen Jahres hatte die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der EU angekündigt, das Jahr 2022 zum „Europäischen Jahr der Jugend“ zu erklären. Ihre Begründung: Junge Menschen in Europa haben während der Covid-19-Pandemie, aus Rücksicht, für andere auf vieles verzichtet. Junge Menschen sollen daher in den Fokus gerückt werden und eine gute Perspektive für ihr Leben bekommen.

Nach meiner Beobachtung hat sich dieser Gedanke, den ich für sehr bedeutsam halte, leider noch nicht durchgesetzt. Nicht nur, dass junge Menschen, aus Rücksicht, für andere auf vieles verzichtet haben, möglicherweise werden auch die langfristigen Folgen der Einschränkungen in den letzten zwei Jahren noch nicht richtig eingeschätzt. Ich frage mich zunehmend, was es bei Kindern, die mit Maske, Hygiene- und Abstandsregeln aufwachsen, in ihrer Entwicklung mit dem Grundvertrauen zu anderen Menschen macht? Wie lerne ich als Kind und Jugendlicher eine positive, offene und vertrauensgeprägte Grundhaltung anderen gegenüber, wenn ich im Grunde genommen immer wieder vor dem anderen gewarnt werde und mir ständig vor Augen geführt wird, dass mir der andere gefährlich werden kann? Selbstverständlich darf es keinen sorglosen Umgang mit der Corona-Pandemie geben und viele der Corona-Maßnahmen halte ich nach wie vor für notwendig und sinnvoll. Doch wir müssen auch sehen, dass die jungen Menschen in unserer Gesellschaft, die noch ihr ganzes Leben vor sich haben, besonders belastet sind. Und das betrifft nicht nur die Folgen der Unterbrechung des Lernprozesses in den Schulen und Universitäten, sondern auch die Beeinträchtigung psychischer Gesundheit durch Depressionen, Einsamkeit und Ängste.

Unsere Gemeinden sind für alle Menschen da. Sie stehen für ein Miteinander der Generationen. Bei Gott sind alle im Blick. In der aktuellen Pandemie halte ich es nun für wichtig, dass unsere Gemeinden ihr Potenzial nutzen, ein Ort der Stabilität für junge Menschen zu sein, an dem sie auch Antworten auf Ängste und Belastungen finden. An vielen Orten stellen wir fest, dass die Kinder und Jugendlichen, die Familien insgesamt, es besonders schwer haben, in die Gemeindeveranstaltungen wieder hineinzufinden. Für sie sind Gottesdienste und Gruppenveranstaltungen oftmals nicht möglich. Untereinander den Kontakt nur über die sozialen Medien zu halten, ist nicht ausreichend und wird auch nicht als ausreichend erlebt. Und online ist eben nicht das Gleiche wie ein persönliches Treffen von Mensch zu Mensch. Doch gerade das ist in diesen Zeiten für junge Menschen schwierig bis unmöglich. Und die Gefahr ist groß, dass man sich aus den Augen verliert.

Vieles kostet in unseren Gemeinden gerade große Kraftanstrengungen: Alleine, das gottesdienstliche Leben zu erhalten und zu gestalten; und die notwendigen Veranstaltungen, wie Gemeindeversammlungen oder Jahresgemeindeversammlungen. Ich kann das alles gut verstehen und erlebe es ähnlich. Doch es gilt, unsere besondere Aufmerksamkeit erneut auf die Kinder und Jugendlichen zu richten, wie es viele Gemeinden auf gute und ermutigende Weise auch schon tun. Lasst uns aktiv auf junge Menschen zugehen, sie unterstützen und einbinden, indem wir ihnen Mut machen, sich so gut es geht weiter in der Gemeinde zu betätigen. Lasst uns mit ihnen gemeinsam Wege suchen, wie das gehen kann. Lasst uns hierfür auf die Kinder und Jugendlichen sowie auf die Eltern und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erneut zugehen. Dabei gilt es, die Meinungen und Ideen junger Menschen stärker in unsere Entscheidungsfindung mit einzubeziehen. Mehr noch, gemeinsame Entscheidungsfindungsprozesse und Entscheidungen, wie das Gemeindeleben auch in dieser schwierigen Zeit aussehen soll, sind wichtig. Auf Bundesebene versuchen wir, junge Menschen durch die U35-Mandate beim Bundesrat in die Gestaltung unserer Freikirche einzubeziehen. Bitte nutzt auch diese Möglichkeit!

Vielleicht ist es in den Gemeinden notwendig, das bewusst zu priorisieren und ehrenamtlichen wie hauptamtlichen Mitarbeitenden hierfür Freiräume zu schaffen, sie von anderen Aufgaben zu entlasten, damit sie wieder aktiv auf Kinder, Jugendliche und ihre Eltern zugehen können. Ich weiß, dass das für eine Gemeinde durchaus sehr herausfordernd sein kann. In manchen Gemeinden wird das vielleicht auch nicht mehr funktionieren. Aber ich will auch nicht glauben, dass es nicht geht. Wir sollten hier nicht resignieren. Das Bundes-GJW und die Landes-GJWs haben hilfreiche Materialien und Ideen auf ihren Homepages gesammelt. Nutzt sie. Damit unsere Gemeinden lebendig bleiben. Denn wir haben eine lebendige Hoffnung. Wir haben in Jesus Christus eine gute Perspektive für jedes Leben.

Wir alle hoffen, dass diese weltweit schwierige Situation der Pandemie irgendwann ein Ende haben wird und unsere Gemeinden bis dahin nicht überfordert. Die Konflikte nehmen ja auch unter uns zu. Umso mehr sollten wir das Bibelwort aus dem Epheserbrief (4,26), das als Losungswort über diesem Monat Februar steht, beherzigen: „Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.“

Und noch ein weiteres Gebetsanliegen möchte ich Euch nennen. Die sich zuspitzenden Entwicklungen zwischen Russland und der Ukraine beschäftigen uns derzeit täglich in den Nachrichten. Und auch die Baptistenbünde in beiden Ländern bitten um unser Gebet. Mehr dazu findet Ihr in diesem Newsletter.

Beten wir. Denn wer da bittet, der empfängt. Und dann handeln wir entsprechend dem, was der Geist Gottes in uns anregt und was dem Frieden dient.

Christoph Stiba
Generalsekretär