Vorwort Bund aktuell Nr. 4 | 7. April 2022
Liebe Leserin, lieber Leser,
heute wende ich mich an Euch. Ich bin in unserem Bund verantwortlich für alle Fragen, die die ordinierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreffen. Mitte März fand unser Konvent, früher hieß das Theologische Woche, in Willingen statt. Alle drei Jahre treffen sich dort die Hauptamtlichen. „Deuter der Zeit“ war das Oberthema.
Wie deuten wir die Zeit, in der wir leben? Welchen Reim machen wir uns auf die Entwicklungen? Klimawandel, Corona, Ukrainekrieg, ungerechte Lebensverhältnisse – was haben wir als Christen dazu zu sagen? Und wie reagieren wir in unserem praktischen Tun?
Warten wir geduldig auf das Ende der Welt? In der Heiligen Schrift ist ohnehin davon die Rede, dass Himmel und Erde vergehen werden. Gott wird einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen.
Oder versuchen wir, durch unser Leben und unseren Glauben etwas von dem angebrochenen Reich Gottes in dieser Welt sichtbar und erlebbar zu machen? Gerade in diesen Krisen! Wir waren da für letzteres. Denn das, was wir in diesen Krisen erleben, ist nicht die von Gott in Gang gesetzte Apokalyptik. Das haben Menschen zu verantworten. Deshalb setzen wir uns mit aller Kraft als Menschen, als Gotteskinder, für andere Menschen, für diese Welt, für das Klima, für die Gerechtigkeit, für den Frieden ein. Mit dem Ziel, dass Menschen in einer gerechten Welt leben können!
Auch wenn einen Hoffnungslosigkeit angesichts der Größe der Aufgabe und der eigenen Wirksamkeit überfallen kann. Als Menschen, die von Gott her mit Hoffnung erfüllt sind, geben wir nicht auf, sondern bringen uns immer wieder ein. Und wieviel Dunkelheit ist in der Geschichte der Welt dadurch schon mit Licht erfüllt worden?! Weil Christen sich eingebracht haben. Im Großen und in den unzähligen Begegnungen von Mensch zu Mensch. Ich erinnere Euch an den Ostermorgen: Hier feiern wir, den Sieg über den Tod und alle Vorformen des Todes. Das ist immer wieder eine Quelle für unsere Hoffnung.
Mit 400 Leuten waren wir in Willingen zusammen. Nach zwei Jahren Corona war das eine wunderbare Erfahrung. Mir hat das persönlich gut getan. Und vielen anderen auch. Das besondere war dabei für mich das Empfinden, dass wir eins waren. Nach zwei Jahren, in denen auch immer wieder tiefe Kontroversen, Unterschiede bis hin zur gesellschaftlichen Spaltung Thema waren, gab es dort ein ganz anderes Gefühl. Wir sind eins! Dieses Gefühl entstand bei mir, gleich zu Beginn, als wir in kleinen Tischgruppen die Bibel miteinander aufschlugen. Wir lasen sie nach dem Konzept der Ankerzellen. Wir gaben uns Anteil, welche tiefen persönlichen Resonanzen der Text in uns erzeugt. Was schwingt da selber bei mir mit? In diesem Austausch begannen geistliche Wahrheiten plötzlich zu leuchten und wir beteten miteinander.
Am Montag schrieb mir ein Kollege, dass sie am Sonntag einen Gottesdienst hatten, mit so vielen Menschen wie seit seiner Einführung 2019 nicht mehr. Ein rappelvolles Gemeindehaus, Kirchencafé, ein toller Gottesdienst mit einer coolen Band. Der gelungene Start eines Neuanfangs mit ganz vielen kleinen Hoffnungszeichen.
Auch wenn wir alle wissen, dass Corona nicht vorbei ist, beginnt jetzt doch wieder an vielen Orten so etwas wie ein Neustart. Ich wünsche Euch, dass Ihr dabei auch die Erfahrung macht: Wir sind eins. Aber es wird nicht der lange vermisste Kaffee und der Sound einer coolen Band sein, die das dauerhaft bewirken können. Es wird der Austausch in der Tiefe sein. Indem wir das miteinander mitteilen, was uns selbst zutiefst bewegt, was Gott durch sein Sein und sein Wort in uns zum Schwingen bringt – dadurch werden wir eins. Baut dafür Zeiten und Räume ein, dass das gelingt.
Gott segne Euch in Eurem Einsatz für eine gerechtere Welt und er segne Euch in Euren Begegnungen als Berührte und Angerührte. Lasst da andere in Euer Herz schauen. Gottes Kraft ist noch heute in uns wirksam.
Udo Hermann
Leiter des Dienstbereichs Mitarbeiter und Gemeinde