Vorwort Bund aktuell Nr. 2 | 4. Februar 2021

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Tage werden wieder länger. Vielleicht fällt es nicht immer ganz so deutlich auf. Aber seit dem 21. Dezember scheint die Sonne für uns an jedem Tag ungefähr 3 Minuten länger. Oder besser gesagt: haben wir jeden Tag wieder 3 Minuten mehr vom Tageslicht - bis um den 21. März herum eine Tag-Nacht-Gleiche erreicht wird und uns im Juni dann der längste Tag des Jahres erwartet.

Es gibt also wieder mehr Licht und endlich das gute Gefühl: Es tut sich was. Hoffnung. Perspektive. Geradezu weihnachtlich: Es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind (Jesaja, 8,23). Auf jeden Fall biblisch.

Gilt das auch für die allgegenwärtige Pandemie? Ich denke, in gewisser Weise, ja. Trotz des ganzen Impfchaos und der Unsicherheit mit den neuen Virus-Varianten: Die Pandemiekurve zeigt wieder stabil nach unten. Lag die Sieben-Tage-Inzidenz vor einem Monat noch bei knapp 200 Fällen pro 100.000 Menschen, ist sie inzwischen auf unter die Hälfte gesunken. Die Anstrengungen scheinen sich zu lohnen. Keine Entwarnung, aber doch ein Lichtschimmer am Pandemie-Horizont.

Der Weg dahin war und ist hart. Der Lockdown der letzten Wochen hat uns als Gesellschaft hart getroffen. Homeoffice, Homeschooling, Kontaktreduzierungen, Kurzarbeit, die Schließung von Geschäften, Gastronomie und Kultur – und natürlich der Friseure! – das alles war und ist zweifellos eine Zumutung. Auch für uns als Gemeinden. Ich bekomme E-Mails, Anrufe, Nachrichten aus Gemeinden unseres Bundes und auch aus anderen Freikirchen, wie sehr die Einschränkungen der Gottesdienste und sonstigen Gemeindeveranstaltungen schmerzen. Wie sehr die Gemeinschaft im Gottesdienst und das gemeinsame Singen fehlen. Wie stark die Verunsicherung ist, ob ein Gemeindeleben nach der Pandemie wieder in der gewohnten Form möglich sein wird. Und nun sollen wir auch noch Veranstaltungen mit mehr als zehn Teilnehmern beim Gesundheitsamt anmelden. Das hat für viel Aufregung gesorgt. Ich sehe darin keine unrechtmäßige Einschränkung der grundgesetzlich verankerten Religionsfreiheit, doch es wird zunehmend klar: Wesentliches bricht uns zum Teil ganz weg oder müssen wir in Zukunft anders gestalten. Und dabei merken wir, dass digital auch deutliche Grenzen hat. Zwischenmenschliches geht oft nur analog. Wir müssen anfangen, darüber nachzudenken und zu reden, wie unser Gemeindeleben sich nach der Pandemie entwickeln soll und wird.

Das alles ist noch mit viel Unsicherheit behaftet. Deshalb mussten wir zum Beispiel auch die Bundesratstagung im Juni verschieben, und planen nun vom 5. bis 7. November rein online zu tagen.

Aber die Anstrengungen scheinen sich zu lohnen. Und wenn wir zum jetzigen Zeitpunkt schon etwas lernen können, dann doch auf jeden Fall dies: Wir kommen weiter, wenn wir am selben Strang und in eine Richtung ziehen. Das kann sogar glücklich machen, weil man feststellt, dass das eigene Handeln einen Unterschied macht, etwas bewirken und verändern kann. Es ist eben nicht egal, was man tut.

Nach wie vor gibt es viele dunkle Seiten der Pandemie. Der Tod so vieler Menschen gehört dazu. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ruft die Bevölkerung in Deutschland dazu auf, im Gedenken an die Corona-Toten ein Licht ins Fenster zu stellen. Nach Ostern soll es in Berlin dann eine zentrale Gedenkfeier geben. Wir sind noch nicht durch. Doch es gibt eben auch die helle Seite: Gemeinsinn, Verantwortungsgefühl und Bereitschaft, sich für andere und das gemeinsame Ziel einzuschränken.

Ich wünsche mir, dass wir als Gemeinden hier ganz vorne mit dabei sind. Nicht als die Schwarzseher, die nörgeln und schlechtmachen. Sondern als die Realisten, die darum wissen, dass es nicht dunkel bleiben wird über denen, die in Angst sind. Als Ermutiger und Menschen, von denen Hoffnung und Zuversicht ausgeht.

Also: Die Tage werden wieder länger. Es wird nicht dunkel bleiben. Ganz im Gegenteil: Es tut sich was.

Christoph Stiba
Generalsekretär