Vorwort Bund aktuell Nr. 6 | 6. Juni 2024

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Dein Reich komme! gerecht anders leben“ – das war das Thema der Bundesratstagung. Über 1.000 Menschen sind vor gut einem Monat für drei Tage nach Kassel gekommen, um darüber Bibelarbeiten zu hören, inspirierenden Vorträgen nachzudenken und in Foren mitzureden. Und natürlich um über Themen, die für unsere Bundesgemeinschaft wichtig sind, zu diskutieren und zu entscheiden. So hat der Bundesrat mit einer überwältigenden Mehrheit die Bildung einer Kommission zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt beschlossen. Bereits seit 15 Jahren ist das Gemeindejugendwerk mit dem Präventionskonzept „Auf dem Weg zur sicheren Gemeinde“ unterwegs. Und seit 2017 gibt es im BEFG eine unabhängige Anlaufstelle für Betroffene sexualisierter Gewalt – für Kinder, Jugendliche und seit diesem Jahr explizit auch für Erwachsene. (www.befg.de/anlaufstelle) Und nun wollen wir auch aufarbeiten, was Menschen unter uns erleiden mussten. Denn wir sind bestürzt darüber, dass Menschen in unseren Gemeinden oder im Kontext unseres Gemeindebundes sexualisierte Gewalt erlebt haben. Dafür gibt es keine Rechtfertigung und es erfüllt uns mit Scham. Räume des Vertrauens, als solche betrachten wir unsere Gemeinden ja, konnten von Tätern genutzt werden, die als Vertrauenspersonen ihre Macht missbraucht und Menschen an Körper, Seele und Geist Schaden zugefügt haben. Nichts widerspricht dem Evangelium von der Liebe Gottes, die jedem Menschen gilt, mehr. Nichts widerspricht dem Reich Gottes mehr. Darum macht die Augen auf in Euren Gemeinden und in Eurem Umfeld!

Für ein anderes schmerzhaftes Thema hat die französische Theologin Dr. Valérie Duval-Poujol uns an einem Konferenzabend die Augen geöffnet: häusliche Gewalt. Nicht nur seelische und körperliche Gewalt in Ehen und Familien sind gemeint, auch Tötungsdelikte an Frauen, sogenannte Femizide. Alles das geschieht auch im Raum christlicher Gemeinden und wird mitunter mit aus dem Zusammenhang gerissenen Bibelversen begründet oder abgetan wie „Die Frau sei dem Mann untertan“. Dr. Valérie Duval-Poujol will das Tabu brechen und Frauen Mut machen, etwa durch eine Charta gegen häusliche Gewalt, die man zum Beispiel in Gemeinden ans Schwarze Brett hängen kann. Ein Satz daraus lautet: „Unsere Gemeinde bekräftigt, dass häusliche Gewalt in all ihren Formen unzulässig, nicht zu rechtfertigen und nicht mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren ist.“ Dieser Satz kann Frauen Mut machen und hat ihnen auch schon nachweislich Mut gemacht, ihre Geschichte jemandem anzuvertrauen, das Tabu zu brechen. Darüber hinaus hat der Baptistische Weltbund (BWA) eine Internet-Seite (www.standagainstdv.net) eingerichtet, die viele englischsprachige Ressourcen bietet.

Gerecht anders leben. Nur zwei auf unserer Bundesratstagung thematisierte Beispiele, die mir persönlich sehr nahegegangen sind, weil sie so krass dem Evangelium von der Liebe Gottes widersprechen. „Was mich erschreckt, ist nicht die Unterdrückung durch die Bösen; es ist die Gleichgültigkeit der Guten“, hat der baptistische Bürgerrechtler Dr. Martin Luther King in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gesagt. Er hat recht. Eigentlich darf es uns nicht wundern, dass das Böse in der Welt ist und dass die Sünde herrscht. Umso mehr und umso entschiedener ist es doch unsere Aufgabe als Gemeinden und als Einzelne, die Menschen in unserem Umfeld einzuladen: Lasst Euch durch Jesus Christus versöhnen mit Gott! „Denn“, so lesen wir es im Brief von Paulus an die Gemeinde in Rom in Kapitel 6, „sein Sterben war ein Sterben für die Sünde, ein Opfer, das einmal geschehen ist und für immer gilt; sein Leben aber ist ein Leben für Gott. Dasselbe gilt darum auch für euch: Geht von der Tatsache aus, dass ihr für die Sünde tot seid, aber in Jesus Christus für Gott lebt… Stellt euch nicht mehr der Sünde zur Verfügung, und lasst euch in keinem Bereich eures Lebens mehr zu Werkzeugen des Unrechts machen. Denkt vielmehr daran, dass ihr ohne Christus tot wart und dass Gott euch lebendig gemacht hat, und stellt euch ihm als Werkzeuge der Gerechtigkeit zur Verfügung, ohne ihm irgendeinen Bereich eures Lebens vorzuenthalten.“

Gleichgültigkeit ist für Christen keine Option. Weder hinsichtlich des Umgangs mit sexualisierter noch mit häuslicher Gewalt. Und auch nicht, wenn es um ein friedliches Miteinander angesichts der wachsenden Polarisierung und Gewaltbereitschaft in verschiedenen Teilen unserer Gesellschaft geht. Auf diesem Hintergrund hat der Bundesrat auch die Resolution „Demokratie und Menschenwürde“ verabschiedet. Im Kern fordert der Bundesrat alle Gemeinden in unserem Bund und alle Mitglieder und Mitarbeitenden dazu auf, sich in allen Arbeitsfeldern weiterhin und engagiert für die Stärkung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und für die Achtung der Würde aller Menschen einzusetzen. Eine Selbstverständlichkeit könnte man meinen. Aber auch hier geht es mit Blick auf die anstehenden Wahlen zum Europaparlament am kommenden Sonntag und zu den Landtagen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im September am Ende darum, dass wir als Christen nicht gleichgültig leben, sondern mit unserer Wahlstimme etwas gegen die Polarisierung und den Hass in unserer Gesellschaft tun. Wir haben eine Stimme, die wir in Gesprächen in unserem Umfeld, in unserem öffentlichen Engagement vor Ort und auch in unseren Social-Media-Aktivitäten erheben können und durch die wir zu einem Klima des Friedens und einem respektvollen Umgang beitragen können. Und wir haben auch eine Stimme bei den anstehenden Wahlen, die wir denen geben können, die ihre politische Kraft in diese Richtung einsetzen. Protestwahlen sind an dieser Stelle nicht klug. Genauso wie in einer gleichgültigen Haltung nicht zu wählen. Denn das fördert die Polarisierung und den Hass.

Für weitere Informationen zu den anderen Themen, die wir auf dem Bundesrat behandelt haben und die uns im Bund noch über einige Zeit bewegen werden, informiert Euch gerne auf der Homepage des Bundes unter www.befg.de/bundesrat2024. Es waren spannende Tage. Und die Bitte bleibt umso dringlicher: Unser Vater im Himmel, Dein Reich komme!

Christoph Stiba
Generalsekretär