Vorwort Bund aktuell Nr. 3 | 3. März 2022

Liebe Leserin, lieber Leser,

Ein Lied geht mir durch den Sinn: „Ich steh in meines Herren Hand und will drin stehen bleiben; nicht Erdennot, nicht Erdentand soll mich daraus vertreiben. Und wenn zerfällt die ganze Welt, wer sich an ihn und wen er hält, wird wohlbehalten bleiben.“ So hat es Philipp Spitta Mitte des 19. Jahrhunderts gedichtet.

„Du musst etwas zur Ukraine sagen“, bekam ich für dieses Vorwort zu Bund Aktuell im März 2022 mit auf den Weg. Natürlich muss ich, aber was soll ich sagen? Ich bin genauso betroffen, irritiert, erschüttert, rat- und hilflos wie die allermeisten Menschen. Ich sehe auch nur die Nachrichten, höre in Talkshows mit und lese Artikel von Menschen mit unterschiedlichen Kenntnisstand und Einschätzungen. Wie konnte das passieren? Warum ist das so? Was geht da in einem Wladimir Putin vor? Wie lange hat er dieses Szenario gewollt und vorbereitet? Lange Tische stehen als Zeichen für eine Situation, die genau das ausdrücken: Keine Gemeinschaftsrunde mit fröhlich feiernden Menschen, sondern maximale Distanz. Der Tisch, ein Symbol der Abgrenzung und Trennung.

Es herrscht Krieg, ganz in unserer Nähe und es ist tiefgreifender und einschneidender, als die Balkankriege in den 1990er Jahren waren. Dort sind auch Menschen gestorben und vertrieben worden, in Europa. Aber nun ist es globaler und bedrohlicher als je zuvor. Wie weit wird Putin gehen, wäre er imstande den „Knopf“ zu drücken. In Zeiten des kalten Krieges gab es, im Blick auf einen drohenden Atomkrieg, immer wieder den Satz: Wer als erster den Knopf drückt, stirbt als zweiter. Totale Vernichtung, auch zum Preis des eigenen Untergangs. Sind wir soweit?

Es gibt aber noch etwas anderes zu beobachten und das macht mitten in der Krise Hoffnung. Da entsteht auf einmal eine weltumspannende Solidarität, mit den Menschen der Ukraine, aber auch untereinander. Europa wagt den Schulterschluss. Innere Streitigkeiten und gewohnte EU-Uneinigkeit sind nahezu verschwunden. Wir treten gemeinsam auf, wir sagen ein klares und eindeutiges Nein zum Handeln Russlands. Wir solidarisieren uns mit Menschen in Not, können plötzlich Grenzen aufmachen und flüchtende Menschen ohne viel Hin oder Her aufnehmen und sind auch bereit, wirtschaftliche Nachteile und Belastungen im eigenen Land in Kauf zu nehmen. Und fast alle sind sich einig, Europa, die USA und Japan, Südkorea, Australien, die UNO und damit die meisten Länder der Erde.

Zeichen der Solidarität können stark und richtungsweisend sein. Menschen gehen auf die Straße und demonstrieren gegen diesen Krieg, übrigens auch, unter hohem persönlichen Risiko, Menschen in Russland. Viele spenden Geld, unterstützen, wo sie können, schaffen Hilfsgüter in die Ukraine und die direkt angrenzenden EU-Staaten. Wohnungen und Häuser werden für geflohene Menschen angeboten. Es sind alles Zeichen großer Mitmenschlichkeit und sie folgen dem Auftrag des Evangeliums und der darin enthaltenen Nächstenliebe. Auch unser Bund tut einiges. Zusammen mit der Europäischen Baptistischen Föderation werden Möglichkeiten ausgelotet, wie Hilfe zu den betroffenen Menschen kommen kann und entsprechend umgesetzt.

Viele von uns kennen Menschen aus der Ukraine. Sie sind auch in unseren Gemeinden zuhause. Wir sind da, trösten und stärken so gut wir können.

Am letzten Sonntag hatten wir eine Online-Gebetskonferenz. Über 400 Menschen waren beteiligt und haben für Frieden und Gerechtigkeit gebetet. Das war beeindruckend. Weiterbeten ist unser Auftrag, in den Gottesdiensten, in kleinen oder größeren Runden oder eben auch ganz alleine. Wir dürfen vor Gott eintreten und bitten und hoffen, dass er Menschenherzen bewegt.

Mögen auch die diplomatischen Bestrebungen, die sicherlich im Hintergrund laufen, zu einem guten Ergebnis führen. Gott kann es schenken. Ihm vertrauen wir uns an und handeln nach dem Maß unserer Möglichkeiten.

„Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung. Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten, und ich will euch erhören. Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR.“, heißt es in Jeremia 29,11ff. Dieser Zuspruch Gottes an sein Volk soll auch uns erreichen und uns stärken und Mut machen und uns befähigen, in seinem Namen und Auftrag zu handeln.

Michael Noss
Präsident