Vorwort Bund aktuell Nr. 5 | 5. Mai 2022

Liebe Leserin, lieber Leser,

eine Rückkehr zur Normalität wird es wohl nicht geben, nicht mit oder nach Corona und sicher auch nicht mit oder nach dem Krieg Russlands gegen die Ukraine. Die Welt hat sich verändert, wie immer eigentlich, aber viel plötzlicher, unerwarteter und schneller. Und wir ahnen, dass es mit unserem Leben anders weitergehen wird, als wir es über lange Zeit gewohnt waren. Es wächst uns immer stärker die Aufgabe zu, nach neuen und tragfähigen Wegen zu suchen. Dabei geht es, neben der jeweils eigenen Lebensgestaltung, natürlich auch um unseren missionarischen Auftrag. Welche Bedeutung hat das Evangelium in dieser Zeit? Wie können wir es glaubhaft und authentisch weitergeben, was Jesus Christus uns bedeutet? Wie können wir sagen und vorleben, dass er das Heil der Welt ist, auch dieser Welt?

Immer wieder kommt mir in diesen Tagen das Wort aus dem 1. Timotheusbrief, Kapitel 2, die Verse 1-4 in den Sinn: „So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, welcher will, dass alle Menschen gerettet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ Das ist sicher nicht das ganze „Programm“, aber es ist eine wichtige Grundhaltung: die Welt in unsere Gebete einschließen, Gott zutrauen, dass er Menschenherzen bewegen kann, unsere Möglichkeiten zu nutzen, Gutes zu tun und das Heil für alle Menschen im Blick zu haben.

„Dich schickt der Himmel“ lautet unserer diesjähriges Jahresthema. Das Bewusstsein, dass wir Menschen sind, die Gott sendet, die einen Auftrag haben und darin auch befähigt werden ihn zu tun, ist ein entscheidendes Wissen. So haben wir dann vielleicht doch etwas Normalität mit der diesjährigen Bundeskonferenz, die vom 25. bis 28. Mai in Kassel stattfinden wird. Herzlich willkommen, kann ich nur sagen und freue mich schon jetzt sehr auf die Begegnungen. Mit der Erfahrung der Online-Bundeskonferenz im letzten November wird die diesjährige ein hybrides Format haben. Wieder eine neue Erfahrung, die uns hoffentlich bereichert und unsere Gemeinschaft stärkt.

Gemeinschaft ist uns wichtig. Das betonen wir immer wieder. In den hohen Coronazeiten war die Sehnsucht nach Begegnung, nach gelebter Gemeinschaft und nach Anteil geben und Anteil nehmen groß und ist es wohl noch. Allerdings fällt auch auf, dass nicht erst mit Corona auch eine starke Polarisierung stattfindet. Gemeinschaft ja, aber bitte im Wesentlichen mit denen, die die gleiche Meinung und Gesinnung haben. Ich habe in jungen Jahren in der Gemeinde gelernt, dass es durchaus unterschiedliche Meinungen und Ansichten, auch zu theologischen Fragestellungen, geben darf, dass dies aber auch immer die Einladung zum Dialog und zum Suchen nach einer gemeinsamen und tragfähigen Basis ist. Das Schlimmste, was es geben konnte, war eine Spaltung der Gemeinde oder ein unversöhnliches Auseinandergehen. Wer so etwas schon einmal erlebt hat, weiß, dass die Wunden, die dadurch entstanden sind, oft erst nach vielen Jahren heilen. Manchmal braucht es dazu mehr als eine Generation. Inzwischen erlebe ich aber immer wieder, dass unterschiedliche Positionen dazu führen, die vielgelobte Gemeinschaft aufzukündigen. Es findet kein richtiges Suchen nach dem Gemeinsamen statt. Eher werden starke und letztlich verletzende Worte genutzt, um Andersdenkende zu stigmatisieren.

Gerade aber in einer Welt, wo das Christliche immer mehr in den Hintergrund rückt, ist es unerlässlich wichtig, ein glaubhaftes Zeugnis von Christus zu sagen, und dies dadurch zu zeigen, dass wir beieinanderbleiben, trotz aller Unterschiede. Die Aufteilung nach bibeltreu und historisch-kritisch, nach konservativ und liberal führt nicht zu einem glaubhafteren Christsein, sondern zu einem immer größeren Unverständnis. Die Sehnsucht nach Spiritualität ist groß bei den meisten Menschen, aber sie geht für sehr viele an den Kirchen vorbei und man unterscheidet dabei nicht zwischen katholisch und evangelisch oder freikirchlich. Freikirchen sind für viele sowieso verdächtig, weil man den Eindruck hat, sie haben sich von der Welt verabschiedet und leben ihren Sonderweg.

Wenn Jesus Christus unsere Mitte ist, können wir die Unterschiede als Bereicherung erleben. In ihm sind wir eins und können deshalb aushalten, dass es verschiedene Ansichten, Überzeugungen und Glaubensweisen und Unterschiede im Verständnis der Bibel gibt. Die Frage ist nicht, was glaubst Du, sondern an wen glaubst Du? Vor ein paar Wochen haben wir Karfreitag und Ostern gefeiert. Wir haben uns gegenseitig zugerufen „Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!“. Was für eine frohmachende Botschaft und Zusage. Nun gehen wir auf Himmelfahrt und Pfingsten zu. Jesus hat seinen Jüngerinnen und Jüngern versprochen, sie nicht allein zu lassen in dieser sich oft so verrückt gebärdenden Welt. Er sandte seinen Heiligen Geist, der uns immer wieder vor Augen führt, dass Gott mit seiner Welt weitermacht.

Wenn das so ist, dann wünsche ich mir, dass wir uns den Menschen zuwenden, die im Moment so sehr unter den Herausforderungen leiden, so, wie wir auch. Dass wir einfach da sind, zu einer frohen und zweckfreien Gemeinschaft einladen, dass wir sie und einander annehmen, wie Christus uns angenommen hat und dadurch Gott die Ehre geben. Dann wird unsere Gemeinschaft für viele heilend sein, dann rücken Unterschiede in den Hintergrund, dann wird es deutlich werden, dass wir als christusgläubige Menschen und damit auch unsere Gemeinden wahrgenommen werden, als vom Himmel geschickt.

Michael Noss
Präsident