Vorwort Bund aktuell Nr. 11 | 11. November 2021
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Bundeskonferenz liegt hinter uns. Es war die erste digitale, die wir je durchgeführt haben. Und es war ein Segen, dass es so ging. Dass es so nötig war, lag daran, dass Corona uns dazu gezwungen hat. Wir konnten uns nicht analog – wie gewohnt – in Kassel im Mai treffen. Und nun mussten wir uns aufmachen, aufmachen in eine neue Situation. Und es ist gelungen. Man kann fast sagen: die Zukunft hat uns freundlich willkommen geheißen. Aber die Frage „Wie geht es weiter?“ haben wir ja auch in vielen Gemeinden und in vielen Situationen. Wie wird es wohl werden? Irgendjemand hat mal gesagt: „Das Dumme an der Zukunft ist, dass wir sie nicht kennen.“ Und trotzdem gibt es Menschen, die sich Gedanken machen. Wir selbst, aber andere auch.
Eine tolle Möglichkeit, sich mit Zukunftsfragen zu beschäftigen, ist das neue Exemplar der Ausgabe HERRLICH vom Gemeindejugendwerk. Da heißt der Titel „Gemeinde erneuern“. Neue Situation, neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten. In diesem Heft wird viel geschrieben von Menschen, die ihre Situation beschreiben. Jens Stangenberg zum Thema, wie Kirche und Corona funktioniert und vor allen Dingen wie es nach Corona funktioniert. Simon Werner beschreibt die Kirche als eine gerechte Kirche, wenn sie in der Zukunft Kirche sein will. Und so gibt es viele andere Beiträge von Christopher Rinke, von Frederick Langner, von Yvonne Ortmann und anderen mehr. Ich empfehle dieses Heft sehr, weil darin eine Menge zum Ausdruck gebracht wird, wie wir uns die Dinge denken und wie wir sie uns denken sollten.
Es ist eine Aufbruchssituation, aber – und das finde ich das Tröstende – es ist eine Aufbruchssituation, die nicht ohne Gott ist. Unser Herr Jesus Christus ist da. Er lächelt uns freundlich zu. So stelle ich mir das zumindest vor. Und er sagt: „Nun habt doch keine Angst, habt keine Angst vor digitaler Technik oder vor sonst irgendwelchen Herausforderungen! Habt auch keine Angst davor, wenn es vielleicht mal keinen Gottesdienst an diesem Sonntag gibt, dann nutzt doch YouTube und guckt woanders rein. Habt keine Angst, wenn vielleicht manche Dinge nicht mehr so funktionieren, wie wir gedacht haben und wie wir es gewohnt sind, sondern lasst euch doch beschenken und bereichern durch manche gute Idee.“
Jens Stangenberg schreibt hier in dem Heft einen interessanten Gedanken. Die Zeiten, in denen das Christentum in Europa als Dominanzreligion auftreten konnte, sind vorbei. Mir hat die Corona-Pandemie deutlich gemacht, wie ungenügend wir als Kirche sowohl strukturell als auch von unserem Selbstverständnis her für die Zukunft aufgestellt sind. Gleichzeitig ist mir die Botschaft des Evangeliums ganz neu lebendig geworden. Gemeinsam leben wir auf das kommende, spirituell integrale Friedensreich zu. Jesus ist der alles überragende Prinz des Schalom. Und er ruft uns in seine Nachfolge, damit wir selbst als Schalom-Akteurinnen und -Akteure wirken – Frieden weitergeben. Ich persönlich bin viel unterwegs im säkularen Bereichen, in Unternehmen und spreche nicht selten mit wichtigen Führungskräften in Unternehmen. Und immer wieder kommt die Frage nach der Spiritualität, nach dem, was mehr zählt als Zahlen, Daten, Fakten, als Gewinn und Verlustrechnung und all das andere. Dummerweise geht die Suche nach Spiritualität oft an den Kirchen und Gemeinden vorbei, und da sind wir jetzt dran mit einer digitalen Bundeskonferenz, mit gestreamten Gottesdiensten, aber gleichzeitig und das wird in der Zukunft viel, viel wichtiger werden mit Angeboten gelebter und vor allen Dingen auch zweckfreier Gemeinschaft. Dass wir uns sehen, dass wir uns sprechen, dass wir in Tuchfühlung gehen, aber auch die Individualität des Einzelnen begreifen.
Ein wichtiges Wort, das mir in diesen Tagen immer wieder in den Sinn kommt, ist ein Wort, das etwas in Verruf geraten ist. Es ist das Wort „Kompromiss“. Wir glauben ja, dass durch Eindeutigkeit und steile Flanken wir eindeutiger und deutlicher wahrgenommen werden. Kompromiss ist das Gewähren von Freiheit und das Angeboten-sein von Freiheit. Wir suchen gemeinsam nach einer tragfähigen, uns mit Euch verbindenden Lösung. Eindeutig ist der auferstandene Herr Jesus Christus, der wie gesagt uns liebevoll ansieht, uns in die Arme schließt und mit uns in die immer noch unbekannte – aber durch ihn gewisse – Zukunft geht. Seid alle gesegnet und Schalom, Friede sei mit Euch!
Michael Noss
Präsident