Vorwort Bund aktuell Nr. 9 | 2. September 2021

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Zeit, in der wir leben, fordert uns heraus. Das Leben verläuft alles andere als bequem. Dabei geht es uns vielleicht gar nicht so schlecht, aber was da alles geschieht in dieser Welt, beschäftigt uns, nimmt uns in Anspruch, kann uns nicht egal sein.

Nach wie vor bestimmt Corona weite Teile unseres Lebens. Viele haben sich impfen lassen, aber die steigenden Zahlen, vor allem bei jüngeren Leuten, machen deutlich, dass es noch lange nicht vorbei sein wird.

Über die Folgen der Flutkatastrophen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wird im Moment in den Medien weniger geredet, aber viele Menschen stehen immer noch vor den Trümmern ihrer Existenz. Viele, die zur Hilfe gekommen sind, sind ein hoffnungsvolles Zeichen für gelebte Solidarität. Trotzdem wird es noch lange dauern, bis alles äußerlich wieder hergestellt sein wird und verletzte Menschenseelen heil werden.

Die Situation in Afghanistan, die zurückgelassenen Menschen mit ihren zerstörten Hoffnungen, muss uns zu Herzen gehen und macht unsere Ohnmacht vor Machtmissbrauch und Gewalt deutlich. Die Kriegssituation in Äthiopien und die vielen leidenden Menschen können und dürfen uns nicht egal sein und auch nicht die vom wiederholten Erdbeben Betroffenen auf Haiti.

Und dann kommen noch die Wahlen in diesem Monat, die Bundestagswahl, die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern und hier bei uns in Berlin. Ein ganz normales demokratisches Geschehen, das durch Demonstrationen von Menschen begleitet wird, die um ihre Freiheitsrechte fürchten und das bekämpfen, was ihnen die Freiheit ermöglicht.

Ja, es ist und bleibt herausfordernd, wie sich unsere Welt zeigt. Wir suchen nach Orientierung und Halt und finden es oft nicht. So klingt es auch aus dem Monatsspruch für September aus dem Propheten Haggai: „Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch, und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt’s in einen löchrigen Beutel.“ (Haggai 1,6).

Im Textzusammenhang für dieses alttestamentliche Bibelwort geht es um die Tatsache, dass das Volk Israel nach der Rückkehr aus der Deportation nach Babylon zwar alles wieder aufgebaut hat, die Menschen in schönen Wohnungen leben, das soziale Leben einigermaßen funktioniert, aber der Tempel im Zentrum der Stadt nicht wieder aufgebaut wurde. Dabei geht es ja nicht nur um ein, wenn auch wichtiges Gebäude. Es geht darum, dass Gott selbst nicht in ihrer Mitte ist. Es fehlt an Halt und Ausrichtung. Es zerrinnt ihnen alles zwischen den Fingern und ist in eine schlimme Schieflage geraten. Das klagt der Prophet an und ermuntert sein Volk, den Tempel und das Zentrum ihres Glaubens wieder zu errichten, damit es ihnen gut gehen möge.

Genau an dieser Stelle sehe ich auch den Ansatzpunkt für uns. Die vielen Herausforderungen beschäftigen uns und aufgezeigte Probleme lassen sich nicht einfach lösen, aber Halt, Orientierung, Ausrichtung und Zuspruch finden auch wir in der Mitte. Für uns Christen ist es Jesus Christus, der sich anbietet, der unsere Angst und Sorge in der Welt kennt, der aber die Welt mit ihren Unwägbarkeiten erlöst hat und uns dadurch eine lebendige Hoffnung gibt. Es ist eine Hoffnung, die über jeden Horizont hinwegreicht und uns nicht nur beruhigen will, sondern uns auch sendet, genau in diese verrückte Welt. Manches von den genannten Problemfeldern entzieht sich unseren direkten Möglichkeiten, aber beten können wir immer und so Menschen in die Gegenwart Gottes bringen.

In Jesus Christus sind und bleiben wir verbunden. Das gilt auch besonders für die Menschen in den Gemeinden, in denen ein Gemeindeleben zurzeit so gut wie gar nicht möglich ist. Diese Verbundenheit gilt für die, die sich große Sorgen machen, ob es überhaupt wieder werden wird und kann. Dass es diese Situationen gibt, ist uns sehr bewusst. Lasst uns aufeinander achten, uns beistehen, Mut machen und Zuversicht verbreiten. Im November werden wir unsere Online-Bundesratstagung und am Sonntag, dem 7. November, wieder einen Bundesgottesdienst haben. Dazu lade ich an dieser Stelle sehr herzlich ein, denn es ist auch eine Möglichkeit, die Verbundenheit untereinander auszudrücken.

Jesus Christus soll die Mitte sein, an der wir uns aus- und aufrichten. Durch ihn sind wir Gesegnete, die anderen Menschen zum Segen werden können.

Michael Noss
Präsident