GUT BERATEN

Wie finden wir neue Mitarbeiter

Wer schon länger in einer unserer Gemeinden lebt, kennt das: Appelle an das Gewissen der Geschwister.

Hier hat jemand seine Mitarbeit beendet. Da sich noch niemand gefunden. Und zu allem Überfluss wollten wir doch die Kinderarbeit revolutionieren. Die wenigen Aktiven sind schon über den Hals mit Arbeit eingedeckt. Die Gemeindeleiterin hat bereits angeboten, 14tägig auch noch nebenbei bei den Kindern auszuhelfen. Sie will mit gutem Beispiel vorangehen. Aber man wird doch den Eindruck nicht los: Hier liegt die Lösung wohl auch nicht.

Ich habe mir mittlerweile – wo es nur geht – das Appellieren abgewöhnt. Mitarbeit aus schlechtem Gewissen will ich in der Gemeinde nicht. Aus eigener, schmerzhafter Erfahrung weiß ich, dass das auch nur wenig bringt. Außerdem habe ich mir klarzumachen versucht: Es muss in einer Gemeinde nicht immer weitergehen wie bisher. Aufgaben können neu in Angriff genommen werden. Anderes darf aufhören. Ist es denn wirklich unverzichtbar, den Büchertisch mit dem bisherigen Aufwand weiterzuführen? Man ersetze „Büchertisch“ durch andere Beispiele. Natürlich weiß ich: Bestimmte Funktionen sind für eine Gemeinde unverzichtbar. Aber ich meine, es sind weniger, als wir denken.

Soll aber denn jetzt das Lustprinzip in der Gemeinde Maßstab sein? Interessanterweise findet dieses Prinzip in der Bibel eine sehr positive Würdigung: Habe deine Lust am Herrn! (Psalm 37,4) Unser Gottesverhältnis soll reizvoll, spannend und schön sein. Es wäre traurig und tragisch, würde einem das durch die ganzen gemeindlichen Verpflichtungen erschwert.

Nun habe ich in der Gemeinde – Gott sei Dank! – nicht nur erlebt, wie von mir ungeliebte oder mich überfordernde Aufgaben erwartet wurden. Ich konnte vielmehr in der Gemeinde meine Gaben erkennen und entwickeln. Ich habe Förderung erlebt. Ich konnte mich ausprobieren. Eine Berufung zum vollzeitlichen Dienst ist auf diese Weise gewachsen. Unsere Gemeinden sind ein großartiges Lernfeld. Das Gelernte lässt sich nicht nur in Glaubensdingen anwenden, sondern ist auch für den Alltag gut. Großartige Chancen liegen in diesem Schatz, der sich Gemeindearbeit nennt.

Deshalb lohnt es sich, die Hürden für eine Mitarbeit möglichst niedrig zu halten. Viele sollen sich beteiligen dürfen. Fragen wir nicht zu schnell nach Qualifikation und Verbindlichkeit, nach Glaube und einwandfreien Wandel. Nicht wenige Menschen sind bei uns in der Gemeinde über die Mitarbeit zum Glauben gekommen. Sie fühlten sich ernst genommen, wertgeschätzt, gebraucht.

Ich bin davon überzeugt: Jede Gemeinde hat ihre ganz eigenen Möglichkeiten, aus Menschen am Rande Geschwister der Mitte zu machen. Wo diese Möglichkeiten liegen, ist eines der typischen Themen der Gemeindeberatung. Da gibt es keine einfachen Konzepte. Aber es lohnt sich, die richtigen Fragen gemeinsam zu stellen. Es könnten Fragen wie diese sein: Welche Gaben und Inter- essen kommen in der Gemeinde bisher noch zu wenig zum Zuge? Wie können wir die Menschen im Umfeld der Gemeinde einladen, mit uns sinnvolle Sachen zu tun? Was fällt uns ein, um den Mitarbeitenden möglichst viel Wertschätzung entgegen zu bringen?

Martin Seydlitz, Pator und gemeindeberater, Oldenburg

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