Gemeinsames Fest in der EFG Kamp-Lintfort

Die Freundlichkeit Gottes erlebbar machen

Engagement der Gemeinden im BEFG für Flüchtlinge

„In ihrer Suche nach Sicherheit und Versorgung mit dem Nötigsten haben viele Flüchtlinge Angst vor Ausgrenzung und Abschiebung. Wir wollen ihnen darin zur Seite stehen.“ Mit diesen Worten haben die Delegierten des Bundesrates im Mai 2015 dazu aufgerufen, sich für Flüchtlinge einzusetzen. Die Resolution „Christus im Fremden willkommen heißen“ hält auch fest, dass sich zahlreiche Gemeinden hier bereits engagieren. Das stimmt, wie die vielen Antworten auf eine Umfrage des Bundes zeigen. Ein Überblick. 

Ein Dienstagnachmittag im Oktober, Café der EFG Bad Homburg. Eigentlich geht es ja erst in einer halben Stunde offiziell los, doch schon um kurz nach vier trudeln die ersten Gäste zum „Offenen Haus für Flüchtlinge“ ein. Wenig später haben sich die Räume gefüllt. Etwa 60 Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Äthiopien, dem Irak, Serbien, dem Kosovo und Somalia sind der Einladung der Gemeinde gefolgt. Sie wohnen in Flüchtlingsunterkünften im Ort. Die meisten sind Männer um die 30, doch auch einige Frauen und etwa 15 Kinder sind dabei. Es duftet nach frischem Kaffee, es gibt Kuchen, Obst und auch kalte Getränke. Die meisten Erwachsenen sitzen in kleinen Gruppen gemeinsam mit Gemeindemitgliedern an Tischen – eifrig ins Gespräch vertieft. Die Kinder backen in der Küche mit ein paar Mitarbeitern einen Kuchen, später wird gebastelt – für den sonst so beliebten Spielplatz ist es heute zu frisch draußen. Eine Etage höher spielen ein paar Jugendliche Billard und Kicker.

Durch die Gespräche wollen die Flüchtlinge die Sprache lernen. Die Gemeindemitglieder bringen dafür Übungsmaterial mit. „Doch besonders wichtig ist auch der Beziehungsaspekt“, betont die pensionierte Sozialarbeiterin Ilse Kairies, die mit zahlreichen ehrenamtlichen Helfern die Flüchtlingsarbeit der Gemeinde betreut. So lernen die Flüchtlinge Deutsche kennen, erfahren etwas über das ihnen oft noch so fremde Land, in dem sie jetzt wohnen, und lassen die Gemeindemitglieder an ihrem Leben teilhaben. Teils öffnen sie sich dabei, berichten über Nöte und traumatische Erlebnisse. „Wir wollten ein offenes Haus und offene Herzen anbieten, damit die Menschen Zutrauen finden. Das hat funktioniert“, sagt Kairies. So sind mittlerweile viele Beziehungen entstanden. Über das wöchentliche „Offene Haus“ hinaus kümmern sich Gemeindemitglieder um Flüchtlinge, gehen zusammen mit ihnen zu Ämtern und Ärzten, helfen ihnen ganz praktisch.

„Die Arbeit, die im Februar begonnen hat, ist nun stadtbekannt“, berichtet Gemeindepastor Harald Kufner. Mehrfach schon hat die Stadt die Kirchengemeinde eingeladen, bei Infoveranstaltungen über das erfolgreiche Engagement zu berichten. Man ist interessiert, will hören, wie das Miteinander mit Flüchtlingen gestaltet werden kann. Inzwischen engagieren sich im „Offenen Haus“ auch gemeindefremde Mitarbeiter, so Kufner.

Wie die EFG Bad Homburg laden zahlreiche Gemeinden im Bund Flüchtlinge zu Begegnungen ein. „Unser Anliegen ist es, geflüchteten Menschen Würde, Anerkennung und Gemeinschaft anzubieten“, sagt Marcus Bastek, Pastor der EFG Kamp-Lintfort. Er hat beobachtet, dass ein einfaches aber ernst gemeintes Beziehungsangebot Flüchtlinge nachhaltig ermutigt und aufbaut. Wie in Bad Homburg sind in seiner Gemeinde aus zwanglosen Treffen gute Beziehungen entstanden.

Bei der Beziehungspflege geht es bunt und kreativ zu. Zum wöchentlichen Café Oase in Buchholz bringen die Flüchtlinge orientalische Speisen mit, die EFG Gera hat ein <media 10690 _blank pdf>Büchlein mit Briefen von Flüchtlingskindern</media> veröffentlicht und die Musik-CD „7 Länder, 7 Lieder“ produziert, deren Liedtexte aus Gesprächen mit Flüchtlingen entstanden sind. In Hemsbach wird ein Mal- und Künstlertreffen für Flüchtlinge angeboten, in Nordhorn Bowlingabende und ein Nähkurs, in Magdeburg eine Tanzgruppe. In Wiedenest gab es ein internationales Sommerfest und in Ravensburg einen Filmabend auf Englisch. Die Gemeinden laden nicht nur in ihre eigenen Räume ein, sondern ihre Mitglieder machen sich oft auch auf den Weg in die Unterkünfte der Flüchtlinge.

Bei der ganz praktischen Hilfe sind die Gemeinden nicht weniger kreativ. Vielerorts bieten sie Sprachkurse an, um die Flüchtlinge bei der Integration zu unterstützen. Sie sammeln Geld und Kleidungsstücke, begleiten Flüchtlinge bei Behördengängen. Einige stellen Wohnraum zur Verfügung. Die EFG Balingen sammelt Fahrräder, damit die Flüchtlinge mobil sind. Die EFG Siegburg hat einen eigenen Minijob für Integration eingerichtet, um Migranten zu beraten. Das von einer Frau aus der EFG Moormerland gegründete und von zahlreichen Mitgliedern der Gemeinde ehrenamtlich unterstützte Projekt „Heart of Mercy“ sammelt Ranzen, um Flüchtlingskinder bei ihrem Schulstart zu unterstützen. Die Pastorin der EFG Flensburg, Bettina Peter, die auch Fachberaterin für Psychotraumatologie ist, hat einen „Erste-Hilfe-Kurs Flüchtlinge und Trauma“ initiiert. Der Kurs wird zusammen mit der Evangelisch-Freikirchlichen Akademie Elstal angeboten. Er soll Mitarbeitern aufzeigen, wie sie Flüchtlingen mit traumatischen Erlebnissen beistehen können. Nicht zuletzt haben einige Gemeinden im BEFG Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt, um sie vor einer Abschiebung zu bewahren.

Ihr Engagement stemmen viele Gemeinden nicht alleine, sondern tun sich mit Kommunen, anderen Kirchen und Initiativen zusammen. Vielerorts ist das Miteinander von Gemeinden und anderen Akteuren in der Stadt durch die Flüchtlingsarbeit deutlich gestärkt worden.

Und so sind es an vielen Orten im Kern Beziehungsangebote und tatkräftige Unterstützung, mit denen die Gemeinden Flüchtlinge die Freundlichkeit Gottes erleben lassen. Dabei entstehen oft Gespräche über die Motivation der Christen, ihren Glauben. Das Reden über geistliche Themen ermöglichen viele Gemeinden auch dadurch, dass sie Flüchtlinge zu Bibelgruppen, Glaubenskursen und Hauskreisen einladen. Und sie bringen Asylsuchenden das Evangelium in Gottesdiensten nahe.

Wenn Flüchtlinge durch Begegnungen, praktische Hilfe und geistliche Impulse Ermutigung erfahren, soll für sie ein Stück von dem Jesuswort wahr werden, das als Bibelvers über der Resolution des Bundesrats aus dem Mai steht: „Ich bin ein Fremder gewesen und Ihr habt mich aufgenommen“ (Matthäus 25,35). Wenn Ilse Kairies aus Bad Homburg merkt, dass Flüchtlinge das erleben, ist das für sie der höchste Lohn für ihr ehrenamtliches Engagement: „So viele Flüchtlinge, um die wir uns kümmern, sagen uns, dass sie in Deutschland nicht mehr so fremd sind, weil sie uns haben. Das ermutigt mich, und darin sehe ich unsere Aufgabe als Gemeinde Jesu.“


Fotos: Gabi Jung, Ulrich Hildebrand, Ingo Krausz

Ein Artikel von Dr. Michael Gruber