GUT BERATEN

Gewaltfreie Kommunikation - miteinander reden lernen

„Wo viele Worte sind, da geht’s ohne Sünde nicht ab; wer aber seine Lippen im Zaum hält, ist klug.“ (Sprüche 10,19) Unsere Mitgliederversammlungen sind oft Orte vieler Worte. Ein älterer Bruder erzählte, dass man in seinem Heimatdorf immer wieder von den „Saalschlachten“ der Baptisten sprach.

Ich habe es in meinem 30jährigen Dienst als Pastor nie erlebt, dass man sich angebrüllt hat, aber auch ich habe schon Tränen gesehen und auch selbst geweint, weil der Umgang verletzend und abwertend war. Wie kann man seine Zunge im Zaum halten?

Wie kann man Gemeinschaft fördernde statt zerstörende Kommunikation stärken? Darum haben wir uns als Gemeinde mit unserer Sprachfähigkeit im Umgang miteinander beschäftigt. Vorlage war das Buch von Marshall B. Rosenberg „Gewaltfreie Kommunikation – eine Sprache des Lebens“ (Junfermann Verlag 10. Auflage 2012)

„Gewaltfreie Kommunikation“ beschreibt eine Art des Umgangs miteinander, der den Austausch von Informationen und das friedliche Lösen von Konflikten erleichtert.

Im Hören und im Reden fokussiert man (1) seine Wahrnehmung und benennt sie wertfrei, (2) beschreibt seine Gefühle dabei, und (3) die Bedürfnisse, die hinter diesen Gefühlen stehen und formuliert daraus (4) eine Bitte, die das gemeinsame Leben erleichtern würde. Die Herausforderung besteht darin, diese vier Informationsteile klar auszudrücken bzw sie vom Andern wahrzunehmen und anzunehmen.

Das ist gar nicht so leicht, kann aber geübt werden. Das gelingt am Besten in Dreiergruppen, wo je zwei miteinander sprechen und einer beobachtet und Feedback gibt. Wir haben erst einmal mit Hilfe einer Liste von 40 Bedürfnissen von „Abwechslung“ und „Anerkennung“ bis „Zielstrebigkeit“ und „Zugehörigkeit“ eingeübt, das zu benennen, was uns je wichtig ist: Jeder sollte für sich acht identifizieren und danach vier hervorheben, die ihm besonders nahe liegen. Das löste „Aha-Erlebnisse“ aus. Ein Beispiel:

„Aha“ – ich beobachte neue Formen, die neue Leute einbringen (englische Texte, Wiederholungen, dynamische Rhythmen = Wahrnehmung). Das verunsichert mich (Gefühl). Dahinter steht mein Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Die „Fremden“ stellen das in Frage.

„Aha“ – ein anderer beobachtet meine Ablehnung neuer Formen. Das ärgert ihn. Dahinter steht sein Bedürfnis nach versöhnter Vielfalt. Meine Zurückhaltung stellt sein Bedürfnis in Frage.

Jetzt könnten wir darüber ins Gespräch kommen. Dabei verzichten wir darauf zu kritisieren, zu beschuldigen, zu analysieren oder zu diagnostizieren, so dass die Zuhörer zu Einfühlsamkeit inspiriert werden. Anschließend könnte jeder in einem vierten Schritt eine Bitte formulieren, die unser gemeinsames Miteinander bereichern würde. Mein Wunsch: Könnte man nicht grundsätzlich Übersetzungen projizieren und das Schlagzeug drosseln? Sein Wunsch: Könnte man nicht zusätzliche Begegnungsmöglichkeiten schaffen, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken.

Wenn ich meinen Nächsten lieben will wie mich selbst, lohnt es sich, einen einfühlsamen Kontakt zu mir selbst aufzubauen, und dem Anderen Anteil zu geben an dem, was mir wirklich wichtig ist. Genauso werde ich dann aufmerksam zuhören, wenn er mir Einblick gewährt in seine innersten Gedanken. So wächst ein Wir-Gefühl im Gespräch. Die Übungen sind leicht, allerdings ist es schwer, als Übender zu leben.

Stephan Hofmann, Pastor und Gemeindeberater, Hamburg

Gewaltfreie Kommunikation - miteinander reden lernen

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