Gemeindemodelle

Wer heute in Deutschland Gemeinde gründen will, der tut dies nicht im gemeindelosen Raum. In jedem Dorf steht eine Kirche, in jeder Stadt stehen viele verschiedene Kirchen.
Die Modellpalette der christlichen Kirchen ist bunter als viele denken. Jedes Modell war zu einer bestimmten Zeit sehr erfolgreich. Im Folgenden ein kleiner, unvollständiger Überblick über unterschiedliche Modelle von Kirche in Deutschland.

(A) Grundmodelle von Gemeinden

Attraktionale  Gemeindemodelle
Vertreter:
Katholische und Evangelische Landeskirchen. Die Majorität der Freikirchen.
Kennzeichen:
Der Gottesdienst und die Gemeinde ist die Attraktion. Die progammorientierten  Gottesdienste werden professionell/unprofessionell und mit hohem/niedrigen Aufwand durchgeführt. Die missionarische Struktur ist eine Komm-Struktur. Nichtchristen werden eingeladen, in ein Gemeindegebäude zu kommen, um Gott und Menschen zu begegnen. Ihre Sendung ist auftragsbestimmt. Die Liebe der Christen gilt zuerst der Gemeinde und dann der Welt.
 
Missionale Gemeindemodelle
Vertreter:
Freikirchen/Organische Kirchen/Hauskirchen
Kennzeichen:
Die Christen selbst sind die Attraktion. Gottesdienste werden einfach und ohne großen Aufwand von Laien durchführt. Die missionarische Struktur ist eine Geh-Struktur. Christen gehen dorthin, wo Nichtchristen wohnen, teilen das Leben und das Evangelium mit ihnen. Sie suchen Häuser des Friedens (Wo sind Menschen, an denen Gott offensichtlich handelt?). Ihre Sendung ist beziehungsorientiert. Die Liebe der Christen gilt zuerst der Welt und dann der Gemeinde.

(B) Nationale und Internationale Kirchen

Nationale/Einheimische Kirchen
Vertreter:
Katholische und Evangelische Landeskirchen. Protestantische Freikirchen
Kennzeichen:
Einheimische Kirchen sind in der Regel monokulturelle und attraktionale Kirchen, deren Mitglieder meist aus dem konservativen und bürgerlichen Milieu stammen. Sie erreichen in der Regel nur Menschen aus dem eigenen Milieu mit einem vergleichbaren sozialen Status. Die Sprache, die Kultur und die Liturgie sind deutsch geprägt. Andere Milieus und Kulturen sind in der Regel nicht im Blickfeld der einheimischen Kirchen.
 
Migrationskirchen
Die Existenz von Migrationskirchen* ist weder im kirchlichen noch im gesellschaftlichen Bewusstsein präsent. Gleichzeitig gilt für Ballungsräume die Formel: Für jede einheimische Kirche stehen zwei Migrationskirchen.
Migrationskirchen der ersten Einwanderergeneration bleiben in der Regel unter sich und etablieren die Gottesdienstkultur und Sprache des Heimatlandes.
Migrationskirchen der zweiten Einwanderergeneration öffnen sich für andere Nationen. Eine transkulturelle Gottesdienstkultur und ein zweisprachiger Gottesdienst wird eingeführt.
* Der nicht unproblematische Begriff „Migrationskirche“ ist eine von außen aufgelegte Kategorie, welche sich als Sammelbegriff für alle nicht einheimischen Gemeinden in der Fachdiskussion durchgesetzt hat.
 
Multikulturelle Gemeindemodelle
In Ballungsräumen wird die Bevölkerung zunehmend Multikulturell. 20% der Einwohner Deutschlands haben migrantischen Hintergrund (Stand 2010). Tendenz in den Innenstädten bis zu 50% (age of migration). Darauf haben Kirchen mit folgenden Modellen reagiert.

  •     Die fremdenfreundliche Gemeinde, die es Menschen aus anderen Kulturen leicht macht, in der Gemeinde anzukommen.
  •     Die multikongregationalistische Gemeinde, in der sich mehrere Gemeinden unterschiedlicher Konfessionen und Prägungen in einem Kirchengebäude treffen.
  •     Die multiethnische Gemeinde, in der verschiedene Sprachgruppen ihren eigenen Gottesdienst als ethnische Teilgemeinde feiern, aber zu einer Gesamtgemeinde gehören.
  •     Die interkulturelle Gemeinde, in der sich verschiedene Nationen und Ethnien in einem Gottesdienst, unter einem Dach, versammeln.

(C) Kirchen ohne Kirchengebäude

Organische Kirchen (OK)/Hauskirchen
Das Motto der Organischen Kirche lautet: Anstatt Menschen in die Kirche zu bringen, damit wir sie dann zu Jesus bringen, sollten wir doch besser Jesus zu den Menschen bringen, dorthin, wo sie sich aufhalten und leben. Diese Kirche ist klein und flexibel. „Wo sich zwei oder drei sich in meinem Namen versammeln, da bin ich mitten unter ihnen." (Mt 18, 20) Sie treffen sich in Häusern, Restaurants oder Büros zu verschiedenen Zeiten und an unterschiedlichen Tagen. Sie brauchen wenig Geld und wenig Organisation und sind in der Lage, sich schnell zu multiplizieren. Sie legen viel Wert auf Jüngerschaft.
Organische Kirchen sind in Netzwerken verbunden. Mehrere regionale oder ähnliche OK´s bilden einen Cluster von 50 – 100 Leuten. Sie feiern in der Regel einmal im Monat zusammen Gottesdienste. Mehrere Cluster treffen sich ca. alle drei Monate zu einem großen Eventgottesdienst. Meistens gibt es keine festangestellten Pastoren. Die Vernetzung geschieht durch apostolische Leiterpersönlichkeiten.
 
Experimentelle Gemeinden
Sie versuchen bisher unbekannte Formen von Kirche zu leben. Diese reichen von der Facebookgemeinde bis zum Flashmobgottesdienst.