Beim Hingehen erlebt

Unterwegs in Georgien

Vaneo ist neu Jahre alt, keine zwei Jahre jünger als mein Sohn.
Der zarte, sehr dünne Junge sitzt in einem kleinen Plastikstuhl an einem Tischchen und schaut einen Kinderfilm. Er freut sich offenkundig, Gvanca zu sehen, die Diakonieschwerster des St. Nino Orden, in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Vaneos Mutter freut sich ebenfalls sehr, die zugewandte, herzliche Gvanca zu sehen. Sie berichtet, dass nur Gvanca sie entlasten und mit ihrem Sohn alleine bleiben könne, wenn sie tagsüber mal etwas zu erledigen hat. Vaneo leidet unter epileptischen Anfällen, kann nicht gut artikulieren wenig sprechen.

Er hat eine Fehlstellung der Füße, sodass er nicht stehen kann. Seine ganze Muskulatur ist schwach ausgebildet. Vaneo muss gestützt und getragen werden. Eine Operation soll die Fußfehlstellung korrigieren und ihm so ermöglichen, irgendwann zu stehen, selbst-ständig zu laufen. Dafür wird sicher sehr viel und intensives Training erforderlich sein. Ich denke an die wunderbaren Rehaeinrichtungen und Kliniken, die wir in Deutschland haben, an ambulante Physiotherapie, Ergotherapeuten und Logopäden. Gegebenheiten, die Vaneo sicher schnell viel weiter bringen könnten. All die Hilfen, die mein eigener früh geborener Sohn hatte, so dass dieser sich inzwischen zu einem selbstbewussten, fitten Sechstklässler entwickelt hat.

Vaneo ist auch ganz aufmerksam und interessiert. Einmal in der Woche wird er zur Schule gebracht. So weit ich verstehe zur ganz normalen Grundschule. Dahinter steckt wohl weniger der Inklusionsgedanke, sonder eher der Mangel an speziell ausgestatteten Einrichtungen. Gvanca sagt, der Junge würde gerne einmal Arzt werden und liebt es, dies zu spielen. In Gunnar Bremer, mit dem ich im Auftrag von German Baptist Aid zum Projektbesuch in Georgien bin, findet sich ein williger Patient. Vaneo verarztet ihn, hat Spaß und lacht.

Die vielversprechende Operation der Füße soll 3000 GEL, Georgische Lari kosten, knapp 1100 Euro. Die Familie hat, mit Hilfe von Gvanca die Spenden eingeworben hat schon 2000 GEL zusammen.

Während wir noch da sind, kommt der Vater nach Hause. Die Eltern wollen wissen, wie es behinderten Kindern in Deutschland ergeht und wie Behandlungen finanziert werden.
Das ich dafür mit meinem Kind nur einen Arzt aufsuchen und die Krakenkassenkarte vorlegen muss, ist mir peinlich. Ich fühle die krasse, unverdiente Ungerechtigkeit jenseits aller rational verstehbaren und komplexen politischen Erklärungen. Der Vater sagt, dass er sich die verbleibenden 1000 Lari borgen wird.

Mir geht der Besuch bei Vaneo und seinen Eltern sehr nahe. Er ist einer von vielen Patienten, die in Georgien von den zurzeit 31 Diakonie Schwestern des St. Nino Orden des georgischen Bethelie Diakoniewerkes betreut werden. Jede St.-Nino-Schwester begleitet und pflegt etwa zwölf Patienten mit einer Wochenarbeitszeit von 24 Stunden. Dafür beträgt das Gehalt 300 Lari. Der Mindestlohn in Georgien beträgt 180 Lari. Jede einzelne Schwester hat einen Pool von Volontären. Häufig Gemeindeleute, die in der Nachbarschaft der Patienten leben. Diese Helfer, die keine Fachkräfte sind, bekommen eine kleine finanzielle Anerkennung.

Die Schwestern bekommen ein Extrabudget von 50 Lari pro Monat für Medikamente oder andere dringliche Ausgaben für Patienten.

Die Versorgung der Menschen geht weit über die eigentliche Krankenpflege hinaus. Da werden Behördengänge erledigt, der Haushalt grundsätzlich organisiert und soziale Be-ziehungen gepflegt.

Die sozialdiakonische Arbeit, die der St. Nino Orden in Georgien leistet, ist nicht nur für Gemeindemitglieder, sondern für alle Menschen offen. Die Schwestern sind nahe an den Menschen, und ich finde sie geben ein sehr beeindruckendes Zeugnis von Gottes Liebe,  Barmherzigkeit und Güte.

German Baptist Aid hat den Auftrag der Schweitzer Corvus Stiftung die Projektbesuche zu übernehmen und ich bin sehr gerne bereit, mich im Rahmen meiner Möglichkeiten für Menschen wie Gvanca, ihre Kolleginnen und deren Schützlinge ein zu setzten.

Corinna van Santen
German Baptist Aid