Baptistenkirchen als Hoffnung im Chaos
Initiative des BEFG in Haiti
Ekkehard Becker (Weltersbach) und Michael Kißkalt (Elstal) waren im Februar 2011 für den Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) in Haiti. Ihr Auftrag: Strukturen, Projekte und Partner für die Zusammenarbeit finden, um den Menschen im Land langfristig und nachhaltig zu helfen. Zwei Wochen lang teilten die beiden das Leben mit einheimischen Baptisten und fuhren mit ihnen durchs Land. Durch sie lernten sie Gegenden und Situationen kennen, die man als Fremder sonst nicht wahrnimmt. Ein Reisebericht von Michael Kißkalt.
In Port-au-Prince, der Hauptstadt Haitis, kommt man nur im Schneckentempo voran. Schätzungsweise zehn Prozent aller Fahrzeuge hier haben mit den UN oder mit irgendeiner der 10.000 Hilfsorganisationen zu tun, die seit dem Erdbeben vom Januar 2010 in der Gegend aktiv sind und Gutes tun wollen. Die ewigen Staus und die extrem schlechten Straßen im Landesinneren sind typisch für das Land. Viele wollen Gutes tun, aber es geht nicht, weil man nicht vorwärts kommt. Die politische und administrative Situation im Land stellt sich ähnlich dar wie das Straßennetz. Viele Löcher und Brüche prägen das Bild. Und doch findet man in dem Chaos engagierte Haitianer, die Hoffnung verbreiten, z. B. in den Baptistenkirchen des Landes. Ihre Netzwerke funktionieren, und selbstlos stellen sie ihre Strukturen (Gelände, Gebäude, Mitarbeiter) kirchlichen und säkularen Hilfsorganisationen zur Verfügung. Kirchen wie die Convention Baptiste d’Haïti sind die Hoffnung des Landes. Sie ist mit gut 80.000 Mitgliedern (und zusätzlich ca. 20.000 „Freunden“) der größte von fünf Baptistenbünden in Haiti, die eng zusammen arbeiten und einander respektieren.
Wie die Baptistenbünde und ihre stetig wachsenden Gemeinden unermüdlich in sozialen und gesellschaftsrelevanten Projekten ins Land hineinwirken, ist angesichts ihrer eigenen Armut erstaunlich. Die meisten Gemeinden haben Grundschulen gegründet und soziale Projekte ins Leben gerufen und sind von daher in den Dörfern und Städten große Anziehungspunkte. Daneben betreiben Baptisten zentrale Krankenhäuser, Gymnasien und sogar eine der renommiertesten Universitäten im Land: die Université Chrétienne du Nord d’Haïti (UCNH). An der Universität mit ihren Fakultäten Theologie, Agronomie, Verwaltungswissenschaften und Künste studieren derzeit 700 junge Leute aus ganz Haiti. Nach dem Erdbeben wurden Studierende der bei der Katastrophe zerstörten Universität von Port-au-Prince an die UCNH geschickt.
Ekkehard Becker und ich bekamen eine Sondergenehmigung, das zentrale Cholerazentrum für Nordhaiti neben dem Baptistischen Krankenhaus in Cap Haïtien zu besuchen. Wie an anderen Cholerastationen im Land ist auch hier die Zahl der Erkrankungen stark rückläufig. Tatsächlich begegnet einem die Kampagne zur Bekämpfung der Cholera im Alltagsleben auf Schritt und Tritt. Dass man sich häufig die Hände wäscht und desinfiziert, war nicht nur für uns Deutsche selbstverständlich.
Ein zentrales Problem bleibt die Versorgung mit sauberem Wasser. Wasser gibt es im Land zwar genug, aber viele Wasserkanäle, Bäche und Flüsse gleichen eher Müllhalden und Kloaken, vor allem in den Städten. Wenn der BEFG die Spenden für Haiti nun in konkrete Projekte in Haiti investiert, wird nicht nur der Bildungssektor eine wichtige Rolle spielen, sondern auch der Umweltschutz.
Wir sind Gott dankbar für unsere Erlebnisse in Haiti, dass es Hoffnungsträger und Initiativen gibt, die das Land im Namen Gottes zukunftsfähig machen wollen und können. Diese gilt es zu unterstützen.
Der Autor dieses Beitrags war zum Zeitpunkt der Reise Dozent am Theologischen Seminar in Elstal und Referent für Evangelisation und internationale Gemeinden im BEFG. Er arbeitete einige Jahre als Missionar der Europäischen Baptistischen Mission in Kamerun. Inzwischen ist er Rektor der Theologischen Hochschule Elstal.
Ekkehard Becker war vor seiner Pensionierung Geschäftsführer im Pilgerheim Weltersbach und davor viele Jahre als Entwicklungshelfer in mehreren afrikanischen Ländern tätig. In der ersten Phase der Kooperation war er für die Projektbegleitung zuständig und bis 2014 Mitglied des Haiti-Komitees.