Vorwort Bund aktuell Februar 2025
Liebe Leserin, lieber Leser,
der Monatsspruch für Februar steht in Psalm 16,11. Es ist ein kraftvoller Vers, der das menschliche Streben nach Sinn und Sicherheit tief berührt. „Du wirst mir den Weg zum Leben zeigen; vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.“ Inmitten der Herausforderungen unserer Welt, inmitten der politischen und gesellschaftlichen Situation, will dieses Wort uns eine klare Perspektive aufzeigen: Gott, der Weg zum Leben, zeigt uns die Richtung – auch und gerade dann, wenn die Welt um uns herum von Unsicherheit und Spaltung geprägt ist.
Die Bundestagswahl steht an. In einer Zeit, in der der politische Diskurs zunehmend von harten, oft verletzenden Worten geprägt ist, ist es wichtig, sich der Konsequenzen bewusst zu werden. Die Polarisierung in unserer Gesellschaft wächst. Parteien und Menschen scheinen immer weniger miteinander zu reden, sondern sich zunehmend in entgegengesetzte Lager zu spalten. Und gerade im Wahlkampf, wo es oft um Macht und Einfluss geht, werden die Unterschiede nicht nur betont, sondern auch geschürt – manchmal, als würde man mit dem Feuer spielen.
Dieses „Spielen mit dem Feuer“ zeigt sich in einem gefährlichen Umgang mit Extrempositionen und einer Rhetorik, die inzwischen ein Maß erreicht, das manche Regeln von Würde und Anstand hinter sich lässt. Wer diese Flamme des Hasses oder der Hetze füttert, mag kurzfristig einen Vorteil gewinnen, doch letztlich brennt diese Flamme alles nieder, was sie berührt, auch denjenigen, der sie entzündet hat. Die politische Landschaft ist nicht nur ein Schlachtfeld von Argumenten, sondern auch ein Ort, an dem der Charakter einer Nation und ihrer Menschen auf die Probe gestellt wird. Das gilt übrigens auch im gemeindlichen Kontext, wo immer wieder ausgrenzende Argumente gegen jede Form von Gemeinschaft gestellt wird. Wo man sich so sehr im Recht fühlt, dass die Schwester und der Bruder zum Feind werden.
Es ist ein Machtmissbrauch, der hier sein hässliches Gesicht zeigt. In der Politik, in vielen Bereichen der Gesellschaft, immer wieder auch in Gemeinden, gibt es die Gefahr, dass Macht und Einfluss nicht im Dienst des Gemeinwohls und der Gemeinschaft eingesetzt werden, sondern das Streben danach der Durchsetzung persönlicher Interessen dient. Dieser Missbrauch zerstört Vertrauen und führt zu Verunsicherung, was die Menschen zunehmend in die Arme derer treibt, die einfache Lösungen anbieten und Sündenböcke suchen und finden. Wir dürfen uns nicht blenden lassen von schnellen und vereinfachenden Antworten, sondern müssen uns immer wieder hinterfragen, welche Verantwortung wir selbst übernehmen.
Gerade wir Christinnen und Christen sind in dieser Situation nicht nur aufgefordert, eine weise Wahlentscheidung zu treffen. Wir können auch den politischen Diskurs mitgestalten, wie es beispielsweise unser Bundesrat im letzten Jahr mit seiner Resolution „Demokratie und Menschenwürde“ getan hat. Und wir haben in besonderer Weise die Aufgabe, Zeugnis für die Wahrheit und Gerechtigkeit Gottes abzulegen. Das ist nicht einfach, aber birgt in sich Zeichen der Hoffnung. Und so entsteht Zuversicht durch die Zuwendung zu anderen Menschen, durch diakonisches Handeln. Und durch die Verkündigung des Evangeliums entsteht eine echte Perspektive. Wir treten ein für Frieden und Versöhnung und lassen uns nicht auseinanderdividieren.
Es gibt diese wunderbare Hoffnung. Psalm 16,11 weist uns auf den Weg des Lebens hin. Es ist der Weg der Versöhnung. Die Versöhnung, die wir in Christus finden, ist nicht nur ein persönlicher, sondern auch ein gesellschaftlicher Auftrag. Versöhnung ist kein „Nice-to-have“, sondern ein „Must-have“. Versöhnung bedeutet nicht, Differenzen zu ignorieren, sondern in der Wahrheit miteinander umzugehen und auch den anderen in seiner Menschlichkeit zu respektieren, auch wenn wir uns politisch oder ideologisch unterscheiden.
Zuversicht und Hoffnung – das ist es, was wir brauchen. Der Psalm spricht von einer „Freude, die die Fülle ist“. In Zeiten der Spaltung, der Angst und der Ungewissheit dürfen wir als Christinnen und Christen auf diese Fülle setzen: auf den Frieden, den Gott schenkt, auf die Verheißung, dass er uns in unseren Ängsten und Zweifeln nicht alleine lässt. Dieser Glaube gibt uns die Kraft, mit Zuversicht in die Zukunft zu schauen, auch wenn die Gegenwart uns herausfordert.
Die nächste Wahl ist nicht nur ein politisches Ereignis – sie ist ein Moment des Aufbruchs. Wir stehen an einem Wendepunkt. Wollen wir weiter in einem Klima der Zersplitterung und des Misstrauens leben, oder sind wir bereit, neue Wege zu gehen? Die Botschaft von Psalm 16,11 ruft uns zu einem Aufbruch auf: ein Aufbruch aus der Dunkelheit der Spaltung hin zu einer Gemeinschaft, die von Hoffnung, von Glaube und von Liebe geprägt ist. Ein Aufbruch hin zu einer Gesellschaft, die nicht auf Macht und Einfluss setzt, sondern auf Wahrheit und Versöhnung.
Christinnen und Christen müssen in dieser Zeit nicht nur mit klaren Worten gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt eintreten, sondern auch mit der gleichen Entschlossenheit die Verheißung der Hoffnung weitergeben. Wir dürfen uns nicht von der Dunkelheit der Gegenwart lähmen lassen, sondern sollen ein Licht in der Welt sein – gerade in einer Zeit, in der viele den Glauben an eine bessere Zukunft verloren haben.
Die politische Landschaft mag polarisiert und von Konflikten geprägt sein, es mag manche populistischen Verrücktheiten geben, die einen kopfschüttelnd machen, aber wir sind nicht ohne Hoffnung. Psalm 16,11 erinnert uns daran, dass der Weg zum Leben bei Gott zu finden ist und dass dieser Weg uns in eine große Freude führt. Inmitten des politischen Wettkampfes, der Machtspiele und der Versuche, die Gesellschaft zu spalten, stehen wir als Gottes Leute, als Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu, zu einer tiefen und lebendigen Hoffnung und zu einem klaren Auftrag zur Versöhnung. Unser wahres Ziel ist nicht in der Macht, sondern im Leben, in der Versöhnung und in der Liebe zu finden.
Wir beten für die Menschen in Not, in der Ukraine, im Sudan, in Syrien, in Örobo, Schweden, für Verzweifelte und Verletzte nach den Attentaten der letzten Zeit, wir beten für Politikerinnen und Politiker, dass sie das Wohl der ihnen Anvertrauten mehr sehen, als die eigene Macht oder auch Ohnmacht, wir beten für alle, die sich aufopfernd für Menschen einsetzen, im Staat, in der Gesellschaft in der Diakonie, in der Nachbarschaft und in den Familien. Über allem steht das große Erbarmen Gottes, seine Freundlichkeit und seine Gnade, denn vor ihm ist Freude die Fülle und Wonne zu seiner Rechten ewiglich.
Michael Noss
Präsident