Vorwort Bund aktuell Januar 2025

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Prüft alles und behaltet das Gute!“ Wieder ein neues Jahr mit einer neuen Jahreslosung, ein Bibelwort, das uns eine gute Richtung geben kann. „Prüft alles und behaltet das Gute!“ – „Was denn sonst?“ möchte man Paulus zurückfragen, der diesen Satz an eine der ersten Gemeinden in Thessaloniki geschrieben hat. Wer würde denn ernsthaft etwas Anderes für sinnvoll halten? Alles unhinterfragt glauben? Nichts ernsthaft prüfen? Auf keinen Fall! Das macht doch niemand. Gerade auch nicht in diesen Zeiten, wo mit gezielten Falschaussagen oder Fake News Stimmung gemacht wird und Menschen in ihren Entscheidungen aufs Glatteis geführt werden. Nein, besser alles prüfen, testen, hinterfragen, sich eine eigene Meinung bilden und dann eine Entscheidung treffen. Die Jahreslosung passt gut in unsere Zeit!

Allerdings gibt es da auch noch einen anderen Aspekt, der sich an dem kleinen Wörtlein „alles“ festmacht. Alles und jedes soll geprüft und hinterfragt werden? Allem und jedem soll ich mit Skepsis begegnen und jede Information und jede Person erst mal (über)prüfen? Das kann doch nun auch kein guter Ratschlag für unser Leben sein. Was ist mit dem Vertrauen? Beziehungen leben doch vom Vertrauen, nicht vom Prüfen. Ohne Vertrauen geht es nicht. Jegliches menschliche Zusammenwirken braucht Vertrauen, eben auch deshalb, weil man nicht alles kontrollieren oder überprüfen kann. Mehr noch hat Kontroll-Zwang das Zeug, Beziehungen zu zerstören. Deshalb ergibt der Satz „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ genau andersherum Sinn, nämlich „Kontrolle ist gut, aber Vertrauen ist besser.“

Paulus schreibt den Thessalonicherbrief, in dem dieses Wort vom Prüfen steht und dem Guten, das behalten werden soll, für die noch junge christliche Gemeinde in der griechischen Hafenstadt Thessaloniki. In dieser neuen geistlichen Bewegung, aus der einmal das Christentum entstehen wird, gibt es weder das Neue Testament noch die kirchlichen Bekenntnisse oder eine gereifte christliche Lehre. Das und vieles mehr, was uns heute so selbstverständlich als Teil unseres Glaubens gilt, sind noch zukünftige Entwicklungen. Stattdessen gibt es geisterfüllte Predigten, Berichte und Erzählungen über Jesus und sein Evangelium, es gibt prophetische Reden und geistliche Gesänge und Psalmen in den Gottesdiensten. Es gibt ein Vertrauen auf ein Wirken des Heiligen Geistes, der Neues hervorbringt. Manchmal geht es auch „drunter und drüber“. Es wird nach dem richtigen Weg gesucht für die junge Gemeinde. Da melden sich viele zu Wort mit dem Anspruch, Worte und Eingebungen vom Geist Gottes erhalten zu haben. Mit diesem Anspruch wollen sie bestimmen, wo es langgeht. Es ist eine aufregende Umbruchzeit, in der viel Neues entsteht und vieles noch nicht feststeht. In diese Situation hinein ist es Paulus wohl wichtig, ein paar Fragen zu klären und Orientierungspunkte zu setzen. Immer wieder betont Paulus zum Beispiel, wie wichtig es ist, sich die Freude zu bewahren, dankbar zu sein, zu beten und liebevoll im Umgang miteinander zu sein. Und dann, fast am Schluss seines Briefes, schreibt er: „Prüft alles und behaltet das Gute.“ Schaut genau hin, lasst Euch kein X für ein U vormachen. Prüft alles. Ihr habt das Zeug dazu. Ein so verstandenes Prüfen ist ein kluges Vertrauen im Gegensatz zu einem leichtfertigen Vertrauen, das alles einfach so hinnimmt. Wir Menschen haben einen von Gott gegebenen Verstand, und den dürfen wir auch einsetzen. Gerade und besonders in den Momenten, in denen unbewiesene und unbelegte Behauptungen im Raum stehen. Das gilt für alle Lebensbereiche.

Das Prüfen, von dem Paulus hier redet, hängt für ihn ganz eng mit dem Wirken des Heiligen Geistes zusammen. Gottes Geist wirkt in jeder und jedem – nicht nur damals, sondern auch in uns, die wir heute leben. Diejenigen in der Gemeinde, die besondere Eingebungen und prophetische Reden weitergeben und eine Richtung vorgeben wollen, sind angewiesen darauf, dass ihnen eine Gemeinde voller geistbegabter Menschen liebevoll und prüfend begegnet. Weder ständige Gutgläubigkeit, die alles gutheißt, noch übertriebene Skepsis, die alles ausbremst, helfen weiter. Doch wenn sie im Geiste Gottes verbunden ist und in einem gemeinsamen Prozess dem Geist und prophetischem Reden Raum gibt, kann die Gemeinde ihren Weg überprüfen und in eine gute Richtung lenken.

Das gilt für die ersten Christinnen und Christen und die frühen Gemeinden, und es stimmt auch noch heute und gilt für uns und unsere Gemeinden. Und sicher gilt es auch für anstehende Veränderungen wie den Strukturerneuerungsprozess „Unser Bund 2025 – Zukunft gestalten“, kurz UB25. Neues wird entstehen und zu entdecken sein. „Prüft alles und behaltet das Gute.“ Das Ziel allen Prüfens ist übrigens nicht wie beim TÜV, den kleinsten Fehler zu finden, das Haar in der Suppe, oder Veränderungen möglichst zu verhindern. Das Ziel ist, das Gute zu behalten! Das, was aufbaut und trägt. Das, was Menschen aufrichtet und Gemeinden missionarische Kraft gibt. Auch Altbewährtes darf mit Blick darauf neubewertet werden, ob es den Weg in die Zukunft ermöglicht oder verhindert. Und wir können erneut darauf vertrauen, dass Gott mit der Kraft seines Heiligen Geistes bei uns ist. Diese Kraft Gottes macht uns lebendig, erfüllt uns mit Freude und Liebe. Sie hilft uns, zu unterscheiden und gute Entscheidungen zu treffen. Sie tröstet uns zugleich, wenn wir Liebgewonnenes loslassen und dabei Trennungsschmerzen spüren. Vielleicht verursacht es auch Schmerzen, wenn ein Kurs unterwegs korrigiert werden muss, bei dem man dachte, „damit liegen wir richtig“. Auch dann tröstet uns Gottes Geist, und ein Weiterkommen ist möglich, mit tiefem und bewährtem Vertrauen.

„Prüft alles und behaltet das Gute“ ist also weder eine Binsenweisheit noch ein unmögliches Lebensmotto. Die Jahreslosung ermutigt uns dazu, ein Leben in gemeinsamer Verbundenheit mit dem Heiligen Geist Gottes zu führen. So wachsen wir hinein in das Gute, das durch Gottes unnachgiebige Schöpferkraft entstehen wird und vielleicht schon längst angelegt ist. Wir gestalten die Umbrüche, Veränderungen und Neuschöpfungen mit durch unsere Fähigkeit, uns begeistern zu lassen und dabei zugleich wohlwollend zu prüfen.

Die Jahreslosung passt in unsere Zeit. Machen wir uns auf, in diesem Jahr das Gute zu entdecken und zu behalten. Gott segne Euch persönlich, Eure Gemeinden und unsere Bundesgemeinschaft.

Christoph Stiba
Generalsekretär