Vorwort november 2024

Vorwort Bund aktuell Nr. 11 | 7. November 2024

Liebe Leserin, lieber Leser,

Donald Trump ist nun also zum 47. Präsidenten der USA gewählt worden. Von vielen befürchtet, von anderen erhofft. Auf jeden Fall mit einer recht deutlichen Stimmenmehrheit. Und mit Recht darf man angesichts mancher seiner Ankündigungen im Wahlkampf fragen, wie es denn nun werden wird. Gerade auf dem Hintergrund, dass die Stimmung zwischen den Menschen und den Lagern in den USA im Wahlkampf ja völlig aufgeheizt war und es auch jetzt immer noch ist. Auch viele Christen machen da mit. Unversöhnlich stehen sich viele in der US-Gesellschaft gegenüber. Gespräche mit Andersdenkenden sind an vielen Stellen unmöglich geworden. Bei dem, was man hier mitbekommen hat, dominierten Unwahrheiten, Verunglimpfungen und Verleumdungen den Wahlkampf. Kaum inhaltsreiche politische Aussagen und Lösungen für die Probleme in der Wirtschaft oder im Gesundheitswesen oder in der Außenpolitik, um nur einmal drei der am meisten genannten Topthemen der US-Wähler zu nennen. Immerhin ist es nach der Wahl nicht zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen.

Aber warum interessiert uns der Ausgang dieser Wahl eigentlich so sehr? Sicherlich, weil sich weltpolitische Weichenstellungen ergeben, die deutliche Auswirkungen haben werden. Immerhin handelt es sich um eines der mächtigsten Ämter der Welt, wenn nicht um das mächtigste. Da ist es nicht egal, wer dieses Amt innehat. Welche politischen und ethischen Maßstäbe diesen Menschen leiten. Und zum anderen erleben wir das, was wir in der US-amerikanischen Gesellschaft beobachten, weltweit und auch bei uns hier in Deutschland. Wir stehen in der Gefahr, uns in Lager aufzuspalten, voneinander zu entfremden und den generellen Konsens des Miteinanders zu vergiften. Vielleicht noch nicht so extrem wie in den USA, aber ist die Entwicklung nicht vergleichbar? Die Auflösung der Ampelkoalition gestern Abend ist da nur ein weiteres ernüchterndes Beispiel. Es ist trotz gemeinsamer staatspolitischer Verantwortung nicht gelungen, miteinander tragfähige Kompromisse zu finden. Und nun ist der Scherbenhaufen da. Inmitten einer unsicheren Weltlage und verunsicherter Menschen überall. Einigkeit, ein gemeinsamer Weg und Zusammenhalt wären nötig. In Deutschland, in Europa, in den USA. Aber der Kit, der zusammenhält, ist an vielen Stellen aufgebraucht. Nicht nur in der Politik ist das so. Auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen und auch unter uns Christen habe ich diesen Eindruck - allen Einheitsbemühungen zum Trotz.

Was hilft in einer Welt, die aus den Fugen zu geraten scheint? Und dabei habe ich noch gar nichts zu den kriegerischen Konflikten gesagt, die sich überall auf der Welt zutragen, oder zu der sich weiter öffnenden Schere zwischen arm und reich oder zum Klimawandel. Was gibt Orientierung und Halt in dieser Zeitenwende?

Mir geht seit letztem Sonntag der Wochenspruch aus den Herrnhuter Losungen nicht aus dem Kopf. Im 1. Timotheusbrief schreibt Paulus am Ende (6,15b + 16a.c): „Dem König aller Könige und Herrn aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, dem sei Ehre und ewige Macht. - Dem König aller Könige und Herrn aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, dem sei Ehre und ewige Macht.“

Die Geschichte ist lange her und legendär: In der Nacht vor seinem Tod sagte der Schweizer Theologe Karl Barth zu seinem Freund Eduard Thurneysen am Telefon: „Ja, die Welt ist dunkel. .... Nur ja die Ohren nicht hängen lassen! Nie! Denn es wird regiert, nicht nur in Moskau oder in Washington oder in Peking, sondern … hier auf Erden, aber ganz von oben, vom Himmel her!“ 1968 war das. Lange her, aber aktuell wie nie.

Es wird regiert? Ja. Vom Himmel her. Von dem Herrn aller Herren, vor dem sich eines Tages alle Knie beugen werden. Auch die der heute Mächtigen und Ohnmächtigen.

Wirklich? Ja, sagt die Bibel. Immer und immer wieder erinnert das Wort Gottes daran, dass der Herr regiert. Manchmal gegen allen Augenschein. In den Psalmen 93 bis 99 beispielsweise, in denen Gott als König aller Könige gefeiert wird. Oder eben in diesem Wochenspruch aus dem 1. Timotheusbrief. Dem Herrn aller Herren sei Ehre und ewige Macht. Er regiert. Der alleinige Machthaber. Der Schöpfer des Himmels und der Erde. Der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der allein Unsterblichkeit hat.

Das ist schon ein merkwürdiger Bezug hier am Ende des 1. Timotheusbriefs auf die alleinige Unsterblichkeit Gottes. Aber so ist es. Alle Großen und Mächtigen dieser Welt werden einmal sterben. Niemand von ihnen konnte und kann sein Leben und seine Macht festhalten. Am Ende steht doch der große Gleichmacher, der Tod. Am Ende stehen sie alle, stehen wir alle vor dem Herrn aller Herren. Vielleicht passt dieser Wochenspruch auch deshalb so gut in den Monat November, in dem wir Gedenktage wie den Volkstrauertag und den Ewigkeitssonntag haben, weil er uns an unsere eigene Sterblichkeit erinnert. Aber diese Tage können uns auch daran erinnern, dass die Mächtigen dieser Welt nicht die Mächtigen bleiben werden. Ihr Tun und Sein ist vergänglich. Gott allein hat Unsterblichkeit. Gott allein ist ewig. Und ihm sei Ehre und ewige Macht.

Was bleibt uns in dieser aufgewühlten Zeit? Vertrauen, hoffen und beten. Beten für diejenigen, denen für eine begrenzte Zeit Macht verliehen ist, dass sie sie verantwortungsbewusst gebrauchen. Und dann in dieser Zeitenwende vielleicht ganz bewusst auch so, wie Jesus es im Vaterunser formuliert und wie wir es als Jahresthema in unserem Bund haben: „Dein Reich komme.“ Und weiter: „Dein Wille geschehe.“ Bitte sichtbar und wahrnehmbar. Denn nur Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Was bleibt uns in dieser aufgewühlten Zeit? So gewiss zu vertrauen, zu hoffen und zu beten. Das meint im Übrigen nicht, die Hände in den Schoß zu legen. Deshalb noch einmal mit den Worten von Lieselotte Corbach aus dem Jahr 1953 – auch damals nach dem zweiten Weltkrieg waren die Zeiten nicht rosig -, und wenn Euch die Melodie von Wilhard Becker aus dem Jahr 1961 dazu durch den Kopf geht, dann ist das gut so:

Herr, lass deine Wahrheit uns vor Augen stehn, lass in deiner Klarheit Lug und Trug vergehn.
Gib uns reine Herzen, mach uns kampfbereit und zu hellen Kerzen in der Dunkelheit.
Lass uns selbstlos werden, wende unsern Sinn auf der ganzen Erden zu dem Bruder hin.
Liebe uns erfülle, lenke Herz und Hand, weil dein Liebeswille alle Welt umspannt.
Lass uns in der Stille hören deinen Plan und tun, was dein Wille uns hat kundgetan.
In die Zeitenwende hast du uns gestellt. Hier sind Herz und Hände für die neue Welt.
Aus: F & L Nr. 170

So sei es. Gott segne Euch, Eure Gemeinden, unser Land und diese Welt.

Christoph Stiba
Generalsekretär