Vorwort Bund aktuell Nr. 10 | 6. Oktober 2022
Lieber Leserin, lieber Leser,
der Herbst hat begonnen. Es wird kälter. Eigentlich Zeit, die Heizung wieder aufzudrehen und es sich drinnen gemütlich zu machen, auch in unseren Gemeindehäusern. Wären da nicht die gestiegenen Energiekosten. Einige Menschen in unserer Gesellschaft, natürlich auch in unseren Gemeinden, sind davon existenziell betroffen und fragen sich, wie sie durch die nächsten Monate kommen. Und auch Gemeinden müssen sich fragen, ob und wie sie die steigenden Kosten fürs Heizen und den Strom tragen können. Es gibt erste Gemeinden, die sagen, dass sie sich das nicht leisten können. In der nicht beheizten Gemeinde frierend im Gottesdienst sitzen, ist kein wirklich schöner Gedanke. Jacke und Schal, ja, oder mal Decken im Gottesdienst, warum nicht? Aber irgendwie auch nicht schön... Viele Gemeinden aus unserer Bundesgemeinschaft haben in der Corona-Pandemie Kreativität bewiesen und neue Formen des Gemeindelebens ausprobiert. Das ist, glaube ich, auch jetzt wieder erforderlich. Vielleicht können wir auch im Umgang mit den steigenden Energiekosten wieder voneinander lernen. Auf der Homepage des Bundes „befg.de“ haben wir dazu ein Forum eingerichtet und am 10. Oktober um 19 Uhr wollen wir uns bei einem „Bund im Gespräch online“ über das „Energiesparen in Gemeinden“ austauschen. Und warum sollten wir uns nicht auch gegenseitig unter die Arme greifen, wo es finanziell möglich ist. Von privat zu privat, von Gemeinde zu Gemeinde. Das ist uns bei der Fluthilfe im letzten Jahr gelungen, und es gelingt auch bei der Hilfe für die Menschen in der Ukraine und die Flüchtenden.
Alles das ist doch ein Ausdruck der „Koinonia“, der Gemeinschaft, die wir durch Jesus Christus haben und von der besonders der Apostel Paulus in seinen Briefen an die damaligen Gemeinden immer wieder schreibt. Auch damals ging es immer wieder darum, wie geistliche Gemeinschaft nicht nur im Gottesdienst, sondern auch im Alltag ganz konkret wird. Anteil nehmen am Leben des anderen und Anteil geben an dem eigenen Ergehen. Denn gemeinsam können wir Wege finden, die für einen alleine nicht gangbar wären. Wir können einander unterstützen und Herausforderungen gemeinsam bewältigen. In geistlichen wie auch in ganz weltlichen Dingen, was ja oft auch gar nicht voneinander zu trennen ist. Das meint „Koinonia“, Gemeinschaft.
Erntedank ist immer wieder so ein Fest im Jahresverlauf, an dem wir daran erinnert werden. Und wer zu Erntedank und auch sonst bekennt: „Gott sorgt für uns!“, sagt auch: „Wir sorgen füreinander!“
Und diese Art von christlicher Gemeinschaft oder besser gesagt, diese Art der „Koinonia“ von Christen, endet nicht einfach an den Grenzen der Gemeinde. Sie verbindet uns mit unseren Geschwistern auch jenseits unserer eigenen Ortsgemeinde. Auch deshalb sind wir seit einigen Wochen mit unseren iranischen Geschwistern sehr besorgt über die Situation in ihrem Heimatland. Der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini ging um die Welt und löste eine Protestwelle aus. Mahsa oder Jina („Dschina“), wie ihr kurdischer Namen lautet, trug ihr Kopftuch nicht korrekt. Sie wurde von der Polizei in Teheran festgenommen und starb in Haft. Seitdem wird in vielen Orten und Regionen des Irans und weltweit gegen die staatliche Gewalt im Iran, besonders gegen die Gewalt der sogenannten „Sittenpolizei“, und für Menschenrechte demonstriert. Frauen verbrennen öffentlich ihre Kopftücher. Die Menschen im Iran scheinen sich nicht zu fürchten und riskieren ihr Leben, während die iranischen Sicherheitskräfte mit Gewalt gegen die Protestierenden vorgehen. Die Menschen wünschen sich Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden.
Das betrifft uns. Nicht nur, weil wir in den Nachrichten darüber informiert werden. Sondern viele unserer iranischen Geschwister in unseren Gemeinden wissen nicht, wie es ihren Familienmitgliedern und Freundinnen und Freunden im Iran geht. Das Internet im Land wurde abgeschaltet. Der Kontakt gestaltet sich schwierig. Sie sind besorgt und brauchen unsere Anteilnahme. Vor einigen Tagen erreichte uns die herzliche Bitte der Mitglieder der persisch sprechenden Taaj-Gemeinde in Essen mit ihnen im Gebet zu sein. Das wollen wir tun. Wir wollen gemeinsam beten und uns nach unseren iranischen Geschwistern erkundigen. Sprecht sie an und über die Situation im Iran, fragt nach ihren Kontakten. Wie oft schon hat ein Gespräch neuen Mut, Trost und Kraft geschenkt. Das Gleiche gilt natürlich auch immer noch für unsere ukrainischen Geschwister.
In diesen herausfordernden Zeiten wollen wir also einander im Blick behalten. Starke Schultern tragen mehr und manchmal auch den anderen. Und wie es so schön in dem Lied „Gut, dass wir einander haben“ heißt: „Keiner trägt nur immer andre; keiner ist nur immer Last. Jedem wurde schon geholfen; jeder hat schon angefasst. Gut, dass wir einander haben…“.
Und wir wollen auch immer wieder den Blick heben. Denn als Christen haben wir eine Hoffnung auf eine Wirklichkeit, die größer ist als all die Krisen, die wir durchleben. Wir hoffen auf einen Gott, der uns in seinem Wort sagt (Philipper 4,6+7): „Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus.“
Gott sorgt sich um seine Menschen. Auch um uns persönlich und um unsere Gemeinden. Unsre Gebete bleiben nicht unter der Decke hängen. Sie finden Gehör. Und Gott handelt. Auch in unserer Zeit. Oftmals eben durch Menschen, die sich von ihm senden und ihr Leben von seinem Geist beeinflussen lassen. Manchmal müssen wir einander nur daran erinnern, wenn uns diese Perspektive aus dem Blick gerät oder Freude und Zuversicht fehlen.
Bleiben wir treu im Gebet und in der Gemeinschaft. Und der Friede Gottes wird uns beseelen und bewahren.
Christoph Stiba
Generalsekretär