Vorwort Bund aktuell Nr. 10 | 10. Oktober 2024
Liebe Leserin, lieber Leser,
„Die Güte des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.“
So steht es im Monatsspruch der Losungen für den Monat Oktober 2024 aus Klagelieder 3,22.23 – Wie gut, dass es diese Aussage gibt und wie gut, dass ich mich darauf verlassen kann. Die Barmherzigkeit erneuert sich jeden Tag und wir dürfen sie immer wieder in Anspruch nehmen, für uns und für andere, für unsere kleine und für die große Welt und wir brauchen sie ganz dringend, denn die Fragen sind groß und die Ratlosigkeit noch größer.
Nun hat er sich zum ersten Mal gejährt, der bestialische Überfall der Hamas auf Israel. Großes Unrecht und Leid ist geschehen. Es ist unerträglich, dass es Menschen bei uns gibt, die dieses Massaker und die Täter bejubeln. Und Israel geht in die Reaktion im Gaza und im Libanon, viele Menschen sterben und wieder entsteht großes Leid, Verzweiflung und Ohnmacht. Es gibt keine gerechten Kriege.
Menschen gehen auf die Straße und solidarisieren sich mit der einen oder der anderen Seite. Der Antisemitismus nimmt zu, auch hier in Deutschland, mit unserer Geschichte der gezielten Judenvernichtung während der NS-Zeit. Politikerinnen und Politiker aus Europa und den USA bemühen sich um einen Waffenstillstand. Aber es macht den Eindruck, als würden sie nicht gehört und ihr Engagement laufe ins Leer. Die einen schüren immer wieder den Hass und wollen keinen Frieden, sondern die Vernichtung Israels und die anderen wollen die Vernichtung der Attentätergruppen und Angreifer. Wie soll Frieden werden, wenn ihn keiner will? Wie soll Gerechtigkeit Fuß fassen, wenn jedes kleine Aufkeimen sofort zertreten wird?
Im Hintergrund agieren die Strippenzieher, wie immer in dieser und der früheren Geschichte. Sie spielen ihr böses Spiel. Menschenleben interessiert sie nicht. Das Individuum spielt keine Rolle. Es geht um die eigene Machtbasis, die man halten oder ausbauen will. Und im weiteren Hintergrund breitet sich die Angst vor einem „Flächenbrand“ aus, der dann irgendwann nicht mehr zu kontrollieren ist.
„Die Güte des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende …“ Möge Gott uns dieses Erbarmen jeden Tag schenken, dass wir zu Israel als Gottes Volk stehen können, dass wir dem Antisemitismus durch Wort und Tat entgegentreten, dass wir durch unser Verhalten verbinden und Zeichen der Hoffnung setzen, in unseren Gemeinden und im jeweils eigenen Leben.
Schon im 13. Jahrhundert hat Franz von Assisi gebetet: „Herr, mach mich zu einem Werkzeug Deines Friedens, dass ich liebe, wo man hasst; dass ich verzeihe, wo man beleidigt; dass ich verbinde, wo Streit ist; dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist; dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht; dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält; dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert; dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt. Herr, lass mich trachten, nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste; nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe; nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe. Denn wer sich hingibt, der empfängt; wer sich selbst vergisst, der findet; wer verzeiht, dem wird verziehen; und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.“
Lasst uns in diesem Sinne Friedensstifterinnen und Friedensstifter dort sein, wo wir sind und wo wir Gottes Barmherzigkeit deutlich machen, indem wir Barmherzigkeit leben: Dass wir trösten und aufrichten, dass wir bereit sind zu verstehen. Das gilt für alle Menschen.
Die Ukraine und der dort tobende Krieg ist etwas in den medialen Hintergrund gerutscht. Trotzdem geht der Krieg dort unvermindert weiter. Täglich sterben Menschen. Das Unrecht ist himmelschreiend. Auch hier gilt, auf dem Weg zum Frieden und zum Frieden selbst, braucht es die Bereitschaft zum Frieden und zur Versöhnung. Solange diese Bereitschaft nicht da ist, geht es weiter und wir können nur betroffen zusehen.
Die Welt hat sich an vielen Stellen auseinanderdividiert. Die Polarisierung nimmt zu. Die Präsidentschaftswahlen in den USA zeugen davon und an vielen anderen Stellen der Welt ist es auch so, dass Fronten gebildet werden. Auch bei uns bewegt sich vieles auseinander. Dabei ist es jetzt gerade so wichtig zueinander zu stehen. Krisen werden miteinander und nicht gegeneinander überwunden.
„Die Güte des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.“ Weil es dieses verheißene Ende noch nicht gibt, weil Gottes Treue zu uns so groß ist, müssen und dürfen wir nicht verzagen, dürfen uns nicht gefangennehmen lassen von der Angst vor dem Schrecklichen und scheinbar Unausweichlichen. Wir schöpfen Mut und Zuversicht daraus, dass es um Gottes Willen weitergehen wird, aus seiner Güte heraus, üben wir die Barmherzigkeit den uns Anvertrauten gegenüber und stehen für diese lebendige Hoffnung.
In vielen Gottesdiensten wird für Israel und die Menschen in Gaza und Libanon gebetet. Das ist das Mindeste, das wir tun können. Aber wir beten auch für die Politikerinnen und Politiker, dass die gute Entscheidungen treffen, dass sie für Vermittlung sorgen und im Gespräch bleiben. Und wir nehmen auch die anderen schwierigen Situationen in den Blick. Wir beten für die Ukraine und dass Gott Menschenherzen in Russland bewegen möge. Wir beten für Menschen mit Verantwortung, dass sie kluge Entscheidungen treffen. Wir beten weiter und hören nicht auf, denn die Liste ist lang.
Im Namen Jesu treten wir ein für Frieden und Gerechtigkeit. Wir engagieren uns für Versöhnung und schaffen Räume der Begegnung, wir geben nicht auf, sondern bleiben dran am Geschehen in der großen und in unserer kleinen Welt. „Herr, mach uns zum Werkzeug deines Friedens.“
Michael Noss
Präsident