
Berliner Baptistengemeinde protestiert gegen Beschneidungsverbot
Evangelische Freikirchen wenden sich gegen die Kriminalisierung der Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen
Die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde (Baptisten) Berlin-Steglitz protestiert mit einer Unterschriftenaktion gegen den Beschluss des Kölner Landgerichts vom 26. Juni, der die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen als strafbare Handlung bezeichnet. Im Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel, das zusammen mit den Unterschriftenlisten verschickt werden soll, nennt Gemeindepastor Dr. Matthias Walter das Urteil „einen schwerwiegenden Eingriff in die grundgesetzlich verbürgte Freiheit der Religionsausübung“. In dem Schreiben heißt es weiter, zur Unterschriftenaktion motiviert worden sei die Gemeinde zum einen durch Kontakte zwischen Gemeindemitgliedern und Juden im Rahmen des christlich-jüdischen Schalom-Chors, der 1994 aus der Gemeinde heraus entstanden ist. Zum anderen sei einer der Gründerväter des deutschen Baptismus, Julius Köbner, bereits 1848 für die freie Ausübung der Religion eingetreten, „und zwar nicht nur für seine eigene (Minderheits-) Kirche, sondern für alle, ‚seien sie Christen, Juden, Mohammedaner oder was sonst.‘“ Die Bundeskanzlerin wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, „dass die freie Ausübung der Religion in unserem Land weiterhin gewährleistet bleibt, auch unter Einschluss der straffreien Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen.“
Ebenfalls öffentlich gegen das Urteil ausgesprochen hat sich die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), zu deren Mitgliedern der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden mit seinen über 800 Baptisten- und Brüdergemeinden gehört. In einer heute veröffentlichten Stellungnahme haben VEF-Präsident Ansgar Hörsting vom Bund Freier evangelischer Gemeinden und seine Stellvertreterin, Bischöfin Rosemarie Wenner von der Evangelisch-methodistischen Kirche, die durch das Urteil angestoßene Debatte über das Kindeswohl zwar grundsätzlich begrüßt, da der Schutz desselben „unaufgebbare individuelle und gesellschaftliche Pflicht“ sei. Gleichwohl sei man „schockiert“ über die Entscheidung, „die Beschneidung von Jungen als Gefährdung des Kindeswohls, also als eine erhebliche seelische oder körperliche Verletzung, aufzufassen und dagegen vorzugehen“. Aus medizinischer Sicht schädige der Eingriff das Kindeswohl nicht, sondern könne diesem sogar förderlich sein. Durch das Verbot seien jüdischer und muslimischer Glaube substanziell betroffen. So würden „das Judentum und der Islam, diskreditiert“ und Menschen, die dem Beschneidungsritus in Deutschland folgen, diskriminiert: „Ein geringfügiger körperlicher Eingriff wird hier mit maximaler Wirkung zur Ausgrenzung von Menschen besonderer Religionszugehörigkeit kriminalisiert.“ In einem abschließenden Appell fordert die Stellungnahme den Gesetzgeber auf, „hier für Rechtsklarheit und Schutz der Menschen in unserem Land zu sorgen, die eine Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen in ihrer elterlichen Sorge als eine dem Wohl des Kindes zuträgliche Entscheidung verantworten.“
Ein Artikel von Dr. Michael Gruber