Carsten Hokema, Prof. Dr. Andrea Strübind und Friedrich Schneider vor der Reformationsausstellung

Die Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum

500 Jahre Reformation: Zwischenbilanz und Ausblick

Mit einem Festakt am 31. Oktober in Wittenberg sind die Feierlichkeiten zu „500 Jahre Reformation“ offiziell beendet worden. Friedrich Schneider, Koordinator des BEFG und der VEF für das Reformationsjubiläum, zieht Bilanz. Er beschreibt, was gut gelaufen ist und wo Defizite lagen. Und er zeigt auf, dass Reformation auch über das Jubiläumsjahr hinaus weitergeht.

„Das Reformationsjubiläum als Christusfest ökumenisch zu feiern, war sicherlich ein Impuls, der an der Zeit war. Als evangelische Freikirchen, die ihre Wurzeln in der Reformation haben, war es uns ein Anliegen, das für uns und im Miteinander zu gestalten.“, so Christoph Stiba, der nicht nur Generalsekretär unseres Bundes, sondern auch Präsident der Vereinigung Evangelischer Freikirchen ist. Er meint weiter: „Als Präsident der VEF hätte ich mir gewünscht, dass das Zeichen der versöhnenden Kraft des Evangeliums durch eine breiter gedachte Ökumene noch stärker gewesen wäre. In vielen Fällen war Ökumene in der Öffentlichkeit dann doch nur bilateral.“

Wittenberger Altstadt

Foto: Martin Jehnichen

Buchturm und Stationenweg

Foto: Martin Jehnichen

Eröffnung der Weltausstellung

Foto: r2017

Die Weltausstellung zur Reformation in Wittenberg war ein Beispiel guter ökumenischer Zusammenarbeit – nicht nur im „Ökumene-Zelt“. „Von Martin Luther zu Martin Luther King“ lautete das Motto der Ausstellung in der Hoffnungskirche der Baptisten während des Reformationssommers. Die Roll-Ups „Reformation – #dagehtwas“ wurden durch weitere Tafeln zum Besuch von Martin Luther King 1964 in Berlin ergänzt, die der Baptist Daniel Schmöcker in seinem Projekt „King-Code“ gestaltet hat. Deutlich wurde: Das Eintreten für Menschenwürde und Bürgerrechte, freie Religionswahl und Freiheit von staatlicher Bevormundung in religiösen Fragen waren nun wahrlich nicht Errungenschaften der Reformation. Sie konnten erst später und vor allem durch freikirchlich geprägte Christen umgesetzt werden. Rund 2.000 Besucherinnen und Besucher kamen in die Hoffnungskirche – unter ihnen auch die Botschafterin des Reformationsjubiläums Pfarrerin Margot Käßmann mit einer Reisegruppe. Ehrenamtliche aus ganz Deutschland unterstützten das engagierte Team unserer Gemeinde, und neben der VEF förderte auch der Trägerverein der Reformationsausstellung das Projekt. Aber es gehört auch zur ehrlichen Bilanz, dass deutlich weniger Menschen Wittenberg – einschließlich unserer Ausstellung – besucht haben, als ursprünglich angenommen. 

Eröffnung der Weltausstellung

Foto: r2017

Von Martin Luther zu Martin Luther King

Reformationsausstellung

„Ökumenischen Rückenwind“, wie der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Bedford-Strohm in seiner Bilanz die Ergebnisse des Jubiläums nannte, gab es auch und vor allem in vielen regionalen und örtlichen Veranstaltungen. Die von Prof. Dr. Andrea Strübind, Carsten Hokema und mir erstellte Reformations-Ausstellung wurde über 20 Mal gedruckt und in vielen Gemeinden und öffentlichen Gebäuden eingesetzt. Dazu gab es zahlreiche Vorträge, Seminare und Gottesdienste. So wurde zum Beispiel in der EFG Weltersbach die Ausstellung bis Ende Oktober durchgehend präsentiert. Pastor Christoph Becker berichtet: „Ich habe dazu eine Reihe von Gottesdienstthemen formuliert, die jeweils den Gedanken einer Tafel aufnehmen. Dahinter steht die Frage, ob sich die Themen der Reformation nicht mit grundsätzlichen Phänomenen oder Prinzipien verbinden lassen, die zum Weg der Gemeinde seit den Anfangen gehören.“ Ähnlich nutzte Pastor Dr. Ulf Beiderbeck die Ausstellung in Bonn. Und er ergänzt: „Hier in Bonn binden wir die Ausstellung ökumenisch ein.“ In Westerstede wurde die Ausstellung im Rathaus gezeigt, worüber auch die Zeitung groß berichtete. In Oldenburg gab es unter anderem einen „Schwarzbrot-Tag“ mit theologisch „kernigen“ Vorträgen und Gesprächsgruppen zum Thema und evangelistische Gottesdienste zu den sogenannten „Solas“ der Reformation. Pastor Michael Lefherz bot in Potsdam eine Reihe unter dem Leitgedanken „Schätze der Reformation heben“ an. Pastor Lars Heinrich in Tübingen ergänzte die Ausstellung mit Predigtreihen zur täuferischen Tradition und zu Martin Luther King. Darüber hinaus wurden Mittelalter-Feste gefeiert und auch vielfältige Weise auch ökumenisch der Reformation gedacht. Weitere Beispiele sind in der November-Ausgabe von BUND AKTUELL nachzulesen. 

King-Code Ausstellung

Albrecht Gralle in der EFG Schöningen

Ausstellung in der Hoffnungskirche Wittenberg

„Martin Luthers reformatorische Einsichten wurden vielfach interpretiert und aktualisiert. Erstmals in der Geschichte war dies ein Jubiläum ohne nationalistische und antikatholische Stoßrichtung.“, so Bedford-Strohm weiter in einer epd-Meldung. Wir haben dabei gern mitgemacht, wenn es auch uns Freikirchen immer wieder darum ging, zu betonen, dass die Reformation keine „Ein-Mann-Show“ des Dr. Martin Luther war. Zur breiten Bewegung der Reformation gehörten nicht nur Vorläufer wie Jan Hus oder Zwingli und Calvin. In der Schweiz und in Süddeutschland waren die Anfänge der Reformation besonders durch die Täuferbewegungen geprägt. Es ist bedauerlich, dass nur in sehr wenigen Veröffentlichungen und Veranstaltungen die ganze Breite der Reformation deutlich wurde. 

Und Christoph Stiba bemängelt zu Recht, dass bei den großen und wichtigen Veranstaltungen der „ökumenische Rückenwind“ vor allem Kardinal Marx und Ratsbischof Bedford-Strohm beflügelt hat, die Freikirchen und orthodoxen Kirchen  aber häufig nicht einbezogen waren in die Gestaltung.

Auch der durchgehend zu vernehmende Jubelton wirkte auf manchen befremdend, verursachte die Reformation doch neben vielem Guten auch die blutige Verfolgung der Täufer, eine brutale Niederschlagung der Bauernaufstände, zahlreiche Pogrome gegen Juden und andere „Ketzer“ und schließlich den verheerenden Dreißigjährigen Krieg. Nur am Rande wurden selbstkritische Töne laut. Und ebenfalls weniger im Vordergrund war die Suche danach erkennbar, wie Reformation auf heute zu übertragen ist. Dabei muss eine Kirche, die sich selbst in einer kritischen Situation wiederfindet, doch neue Konzepte für eine sich reformierende Kirche der Zukunft entwickeln. Als Freikirchen haben wir uns beim Kongress „DYNAMISSIO“ engagiert, weil uns wichtig ist, uns auf den Auftrag als Christen zu besinnen und von diesem gemeinsamen Auftrag her Neues zu wagen.    

Reformationsbroschüren #dagehtwas

Dynamissio - Plenum

Foto: DYNAMISSIO

Dynamissio Abschlussgottesdienst mit Christoph Stiba (li.)

Foto: DYNAMISSIO

Und wir haben immer wieder angemerkt, dass Freikirchen Ansätze der Reformation wie das „Priestertum aller Glaubenden“ oder die Gewissensbindung und freie Glaubensentscheidung konsequent weiterentwickelt und mutig umgesetzt haben – mutiger als es den beiden großen Kirchen in unserem Land möglich war.

Und das soll auch weiterhin unser Beitrag sein, uns in die Suche nach einer Kirche für morgen ins ökumenische und gesellschaftliche Gespräch einzubringen. Und dabei bleiben wir auch offen dafür, Reformation als bleibenden Auftrag an uns selbst zu verstehen und danach zu fragen, wie Gemeinde im Sinne Jesu heute gestaltet werden kann und muss.

Ein Artikel von Friedrich Schneider