Fluchterfahrungen früher und heute
Studientag Flucht und Trauma in Hannover-Linden
Flüchtlinge und Fluchterfahrungen gibt es nicht erst seit ein paar Jahren. Beim Studientag in Hannover-Linden präsentierte Pastor i.R. Hartmut Wahl vom Historischen Beirat des BEFG Ergebnisse seiner historischen Forschungen unter der Überschrift: „Der BEFG – ein Bund von Vertriebenen?!“ Pastor Michael Borkowski referierte über Traumata. Und Pastor Thomas Klammt, BEFG-Referent für Integration und Fortbildung, stellte am Anfang und Ende des Tages Verbindungen zu biblischen Texten her, die eine Fülle von Erfahrungen von Flucht, Exil und Leben in der Fremde enthält. Lesen Sie hier seinen Bericht.
In den Jahren 1945 bis 1950 verlor der Bund über ein Drittel seiner Gemeinden, weil die Mitglieder von Flucht und Vertreibung aus den ehemals deutschen Ostgebieten betroffen waren. Sie mussten in den Besatzungszonen eine neue Heimat finden – so entstanden zahlreiche neue Baptistengemeinden und manche kleine Stationsgemeinde wie die in Celle wuchs innerhalb eines Jahres von elf auf über 200 Mitglieder.
Die Flüchtlinge mussten den Verlust ihrer Heimat verkraften und waren auf vielerlei Weise traumatisiert, verunsichert. In den Gemeinden fanden sie ein neues Zuhause und auch materielle Unterstützung. Aber es gab auch ablehnende Reaktionen. Die Teilnehmer des Studientags waren überrascht von dem Ausmaß der Veränderungen, die baptistische Gemeinden in dieser Zeit erlebten. Michael Borkowski zeigte im Blick auf die neueren Fluchterfahrungen auf, dass dabei die kulturellen Unterschiede eine besondere Dimension haben. Die kulturellen Unterschiede führen zu einer noch tieferen Verunsicherung auf beiden Seiten, bei Geflüchteten und bei der aufnehmenden Kultur. Die Teilnehmer konnten an diesem Tag auch ihre familiären Erfahrungen aus der Nachkriegszeit neu oder erstmals in den Blick nehmen.
Am Nachmittag gab Michael Borkowski eine kurze Einführung zum Verständnis von Trauma. Und zeigte dann sehr praktisch auf, wie man auch ohne therapeutische Ausbildung dazu beitragen kann, dass Traumatisierte einen sicheren Raum finden und in ihrem Leben stabilisiert werden.
Die Gemeinde Hannover-Linden mit ihrem gelungenen Anbau des Gemeindehauses samt Dachterrasse war ein hervorragender Gastgeber. Die Teilnehmenden beteiligten sich rege an Gespräch und Diskussionen über die Themen des Tages. Die meisten von ihnen brachten Erfahrungen mit Flucht aus ihrer Familie oder aus ihrem Engagement in Gemeinde und diakonischen Projekten mit.
Die Begegnungen des Tages waren inspirierend; es lohnt sich, über Fluchterfahrungen von früher und heute ins Gespräch zu kommen – dafür bieten unsere Gemeinden einen guten Rahmen.
Ein Artikel von Thomas Klammt