Inklusion - die Kunst des Zusammenlebens
Ein Abend mit Pfarrer und Kabarettist Rainer Schmidt
„Danke lieber Gott, dass ich nicht so langweilig aussehe wie die anderen.“ Das sagt Rainer Schmidt, rheinischer Pfarrer, Verwaltungswirt und erfolgreicher Tischtennisspieler. Was ihn unterscheidet: Er wurde ohne Arme und Hände und mit einem verkürzten Bein geboren. Und er nimmt’s nicht nur mit Fassung, sondern auch mit Humor. Davon konnten sich die Teilnehmer der Bundeskonferenz in Kassel überzeugen. Wohl selten wurde ein so ernstes Thema – es ging um Inklusion – mit so viel Humor präsentiert.
Die Worte „Behinderung“ oder „Behinderter“ nutzt er nicht gerne. Es gebe Vieles, was er gut kann, sagt er. Etwa Tischtennisspielen. Er meint, dass er gegen 95 Prozent aller deutschen „Langarmigen“ immer noch gewinnt. 2004 beendete er seine Karriere bei den Paralympics in Athen – mit der Silbermedaille im Einzeln und Gold im Team. Von 2005 bis 2015 arbeitete er als Dozent am Pädagogisch Theologischen Institut der rheinischen Kirche im Arbeitsbereich Integrative Gemeindearbeit in Bonn. Seitdem ist der 51-Jährige vom Pfarrdienst freigestellt - und ist freiberuflich tätig, als Moderator, Vortragsredner, aber auch als Kabarettist. Sein abendfüllendes Programm heißt „Däumchen drehen“. Darin erzählt er vor allem von sich selbst – und nimmt sich und andere auf die Schippe. Er will wissen, wie viele der Baptisten keinen Handstand können. Sehr viele melden sich. „Das wäre eine Schlagzeile: 80 Prozent der Baptisten in Deutschland können keinen Handstand und sind behindert.“ Er fragt das Publikum, was es meint, wie er wohl Schreiben gelernt habe. Jemand ruft „Mit den Augen“. Schmidt nimmt den Gedanken auf. „Wie soll das denn gehen: Ihr Baptisten könnt nicht mal aus Wasser Wein machen, aber mit den Augen schreiben! So blöd sind wir von der Landeskirche nicht, dass wir das glauben.“ Der Saal brüllt.
Zum Verständnis: In der Vorstellungsrunde stellt ihm der Moderator des Abends und Referent im Dienstbereich Mission, Carsten Hokema, ein Glas Wasser hin, das Schmidt mit seinen Armstummeln erfasst, zum Mund führt und daraus trinkt, aber mit der Bemerkung quittiert: „Und ich dachte, Du hättest das Wasser in Wein verwandelt.“
Was Schmidt mit seinen Anekdoten deutlich machen will: Es kommt immer auf die Perspektive an. Inklusion ist für ihn, so seine kurze Definition, „die Kunst des Zusammenlebens von sehr unterschiedlichen Menschen“. Inklusion heiße aber nicht, dass jeder alles Mitmachen können müsse. Er komme etwa beim Klavierspielen sehr schnell an Grenzen. „Dafür kann ich schön singen“, sagt er und verweist auf seine ältere Schwester, die das nicht kann. Die sei aber nicht „behindert“. Er erzählt, wie in seinem Geburtsort im Westerwald Inklusion einfach gelebt worden sei. Weil er etwa beim „Völkerball“ mit Freunden tief fliegende Bälle nicht habe fangen können, wegen seiner zu kurzen Arme, seien für ihn kurzerhand die Regeln geändert worden: Wenn er durch einen Ball unterhalb seines Bauches abgeworfen wurde, zählte das nicht: „So war ich dabei.“
Zum Abschluss seines Programms legt er die biblische Geschichte vom blinden Bartimäus aus. Sein Fazit: „Behinderung und Krankheit sind nichts Gottesfeindliches.“ Aufgabe der Gemeinde sei es, einander zu stärken: „Gemeinde ist der Ort, wo man aufrecht stehen kann.“
Ein Artikel von Klaus Rösler, DIE GEMEINDE