
Miteinander für Europa – Hoffnung für Europa
Treffen christlicher Bewegungen und Gemeinschaften in Brüssel
Im Auftrag des BEFG nahm Hans Guderian, der Präsident der Europäischen Baptistischen Föderation (EBF), am 12. Mai 2012 am 3. Treffen christlicher Bewegungen und Gemeinschaften in der europäischen Hauptstadt Brüssel teil. Dem Netzwerk „Miteinander für Europa“ dieser geistlichen Gemeinschaften gehören inzwischen mehr als 200 Bewegungen an, darunter auch der CVJM, die „Focolare“ oder die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF). Ziel des Aktionstages in Brüssel war und ist es, für Versöhnung, Frieden und Geschwisterlichkeit in Europa einzutreten und angesichts einer allgemeinen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krisensituation ein Zeichen der Hoffnung für den europäischen Kontinent zu setzen. Lesen Sie hier einen Bericht von Hans Guderian.
Das Rahmenprogramm umfasste ein fortlaufendes „Ständiges Gebet“, gestaltet von den einzelnen Bewegungen und Gemeinschaften, sowie verschiedene Foren u.a. zu den Themen „Wirtschaft in Gemeinschaft“, ein „Atelier für Jugendliche und Junge Erwachsene“, einen „Workshop für Ehepaare“, eine Aktion „Für die Armen der Stadt“ und ein Open-Air-Musical. Ich hatte während des Tages Gelegenheit mit verschiedenen Teilnehmern (Leitern der „Focolare-Bewegung“, Prämonstratenser-Mönchen u.a.) und auch mit Gerhard Proß vom CVJM in Esslingen, dem Organisator und Leiter des Aktionstages „Miteinander für Europa“, Gespräche zu führen.
Die erste größere gemeinsame Veranstaltung, an der ich nach meiner morgendlichen Anreise teilnehmen konnte, war der Ökumenische Gottesdienst in der im Zentrum Brüssels gelegenen Kirche „Notre-Dame du Sablon“ mit etwa 200 Besuchern. Die Liturgie des Gottesdienstes erinnerte stark an Taizé-Andachten. Für mich persönlich war dieser Gottesdienst eine sehr wohltuende gute geistliche Erfahrung. Kurze Gesänge wechselten sich ab mit biblischen Lesungen, einer sehr würdig gestalteten offenen gemeinsamen Gebetszeit, einer kurzen Predigt und einer geistlichen Zeichenhandlung: einem Segenszuspruch gegenüber dem jeweiligen Nachbarn unter dem Zeichen des über dem anderen geschlagenen Kreuzes Christi.
Der Höhepunkt des Tages war die große Plenumsveranstaltung in der „Gold Hall“, einem großen Kongresssaal im zentral gelegenen „Square Meeting Center“ in Brüssel mit etwa 1.000 geladenen Gästen aus Politik, Gesellschaft und Kirche. Das insgesamt dreistündige Programm (mit etwa einer halben Stunde Pause zur Begegnung) war sehr professionell und kompetent vorbereitet worden. Die Programmbeiträge auf der Bühne wurden in verschiedenen Sprachen dargeboten, u.a. auf Englisch, Französisch, Deutsch und Italienisch. Simultan-Übersetzungen gab es in insgesamt zehn Sprachen. Große Teile des Programms wurden an etwa 140 Orte per Video-Konferenz live übertragen.
Inhaltlich ging es um die Proklamation der „Sieben Ja zu Europa“: Ja zum Leben, Ja zur Familie, Ja zur Schöpfung, Ja zu einer gerechten Wirtschaft, Ja zur Solidarität, Ja zum Frieden und Ja zur sozialen Verantwortung. Ich empfand es als ermutigend, in welch guter Weise dabei biblische Ethik mit christlicher Spiritualität und sozialpolitischer Weltverantwortung verbunden wurden.
Hier einige „Highlights“ aus den jeweiligen kurzen Reden der einzelnen prominenten Redner:
- Maria Voce, die Präsidentin der „Focolare“, sprach in ihrem einleitenden Grußwort von Europa als einem „gemeinsamen Haus für die Völker und die Minderheiten“;
- Romano Prodi, ehemaliger EU-Ratspräsident, ging in seinem viel beachteten bewegenden Beitrag zunächst auf die christlichen Wurzeln der Gründung der europäischen Gemeinschaften ein (unter Bezug auf Adenauer, Schumann und De Gasperi), sprach dann von der Gefahr der Rückkehr zu neuen Nationalismen und zu einem Europa, das sich als „Festung“ und nicht mehr als „gemeinsames Haus“ versteht und warb schließlich besonders um den Beitrag der Christen, die die Verantwortung hätten, den Ängsten in unseren Ländern entgegenzuwirken, die Krise als Chance zu begreifen und anhand der Stichworte „Solidarität“, „Subsidiarität“ und „Entwicklung“ die Botschaft von der Versöhnung auch im politischen und gesellschaftlichen Leben auszurichten.
- Andrea Riccardi, Minister der italienischen Regierung für internationale Zusammenarbeit und Europa, beklagte die fehlende Zukunftsvision für Europa und eine sich ausbreitende Stimmung des Pessimismus; mit einem Zitat von Habermas („Wir leben in der Geschichte, ohne sie zu gestalten“) beschwor Riccardi die Gefahr, dass Europa zu einem Kontinent des Zerfalls werden könnte, zu einer „quantité négligeable“; Christen müssten Widerspruch leisten gegen die Unglückspropheten, den Traum von der Einheit neu zur Sprache bringen in einem Klima von Sympathie und Solidarität und mit einem ins aktive Handeln wirkende Empfinden für unsere gemeinsame Bestimmung als Europäer.
Über Satellit waren im zweiten Teil des Nachmittags zwölf Städte aus Europa mit deren verschiedenen Aktionen zum Thema „Miteinander für Europa“ zugeschaltet: u.a. Augsburg, Wroclaw/Breslau (wo unser früherer Präsident Siegfried Großmann sich stark eingesetzt hatte für die Versöhnung zwischen Deutschen und Polen), Belfast, Lissabon, Basel, Sevilla, Budapest, Tirana, Lyon und Stockholm. Eine besondere Performance wurde durch eine Gruppe von 15 Teenagern gestaltet, die mit großen Plastikwürfeln das Thema visualisierten: „TOGETHER 4 EUROPE“.
Ein insgesamt gelungener wichtiger Tag des christlichen Engagements für ein menschenwürdiges (nicht nur marktorientiertes) und auf christlichen ethischen Werten zu gestaltendes Europa. Ein Zeichen der Hoffnung für unseren Kontinent und für die Überwindung der „Krise der Hoffnungslosigkeit“ für die Menschen in unseren Gesellschaften.
Hans Guderian
Ein Artikel von Hans Guderian