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Grottenschlechte und gute Nachrichten

Die Sünde des Menschen und seine Umkehr zu Gott

Der Abschnitt „Die Aufrichtung der Gottesherrschaft“ beginnt mit dem zentralen Inhalt christlichen Glaubens, mit Gottes Offenbarung in Jesus Christus. In diesem Zusammenhang wird die Sendung Jesu erklärt. Er ist gekommen, die Herrschaft Gottes aufzurichten und um Menschen zu dem lebendigen Gott zurückzurufen.

Später wird von Jesu stellvertretendem Tod für „die Schuld der Menschheit“ und von Gottes Versöhnungswerk gesprochen. Zudem ist vom „Teufel und seinen Werken“ die Rede. Schon hier wird deutlich, dass etwas mit uns Menschen nicht stimmt: Wir sind von Gott entfremdet, schuldig vor ihm und bedürfen der Versöhnung mit Gott, die wir selbst nicht erwirken können. Zudem sind auch wir von den Werken des Teufels betroffen. Dieses Dilemma schildert der zweite Abschnitt der „Rechenschaft vom Glauben“ (1. Teil) und erklärt näher, wie uns Gottes Handeln in Jesus Christus aus diesem tödlichen Dilemma befreit.

Der Abschnitt beginnt mit Schuld, Sünde und dem Bösen in uns und in den Strukturen einer gottlosen Welt. Sie werden verstanden als Leugnung menschlicher Verantwortung vor Gott. Die Verweigerung vor und Trennung von ihm zeigt sich auch in Gleichgültigkeit, Trägheit, Angst und menschlicher Selbstbehauptung und Rebellion gegenüber Gott. Zudem wird zu Recht betont, dass der Zustand von Menschen vor dem Glauben auf den Widersacher Gottes zurückzuführen ist, der Gottes Werk verderben will. Dazu kommt das Böse tief aus uns Menschen, und so gehorchen wir nicht dem Willen Gottes. Menschen leben in Auflehnung gegen Gott, sind von ihrem Schöpfer entfremdet und folgen ihren Begierden. Durch ihre Haltung und ihre bösen Taten kommen Menschen immer mehr unter die Herrschaft des Bösen.

Dem folgt die Beschreibung der konkreten Folgen der Abwendung von Gott im Umgang mit den Mitmenschen und mich sich selbst. Genannt werden hier Machtmissbrauch in Ausbeutung und Unterdrückung, die Bibel spricht auch von Lüge, Heuchelei, Ehebruch, Stolz etc. (Röm 1,18–3,19). Die verkehrte Herzenshaltung zeigt sich auch im Umgang mit Gottes Schöpfung – und die verheerenden Folgen werden immer deutlicher! In gut lutherischer Tradition (befremdlich für ein Bekenntnis unseres Bundes!) wird ausführlich betont, dass selbst gute Taten Ausdruck von Selbstrechtfertigung und Selbstsucht sein können. Natürlich heißt das nicht, dass das auch zwingend der Fall ist. In der Bibel werden gute Werke durchweg gefordert; sie sind nicht per se verdächtig.

Daher können Menschen, wie sie sind, nicht vor Gott bestehen. Ohne Gottes Gnade und Heilshandeln gibt es keinen Ausweg aus diesem Dilemma, das für Zeit und Ewigkeit verheerende Konsequenten hat: „Wer Gottes Angebot der Gnade und Vergebung ausschlägt, bleibt unter dem Zorn und Urteil Gottes, verwirkt das ewige Leben und verschließt sich in die selbstgewählte Gottesferne“, das heißt, weniger gefällig ausgedrückt, verwirkt das ewige Leben in der Gegenwart Gottes im Himmel und endet in einer Ewigkeit ohne Gott, in der Hölle. Nur auf diesem Hintergrund, dieser erdrückenden schlechten Nachricht, die wir uns oft gar nicht mehr sagen trauen, weil sie so wenig in unsere Zeit passt, kann Gottes Heilshandeln in Jesus als Evangelium, als die gute Nachricht schlechthin, verstanden werden:

Wer sich dem Urteil Gottes über sein Leben stellt, die in Jesu Tod und Auferstehung angebotene Gnade Gottes annimmt, bekommt ewiges Leben in Gottes Gegenwart. Im Glauben wird Gottes Heil angenommen („ergriffen“). Dies gibt es nur durch Christus. In seinem Gehorsam bis zum Tod, „ja zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8) hat er stellvertretend unsere Sünde getragen. Durch ihn, und nur durch ihn, gibt es Vergebung, Versöhnung, Erlösung, Frieden mit Gott und vieles mehr.

Gott wirkt Umkehr – und zugleich werden Menschen in der Bibel zur Umkehr gerufen. Menschen wenden sich von ihrem bisherigen Leben ab und richten ihr Leben an Gott und seinem Willen aus. Durch das unbedingte Vertrauen auf Gottes gnädiges Handeln in Christus und seine Verheißungen, durch die dankbare Annahme dessen, was Gott in Christus getan hat, wird ein Mensch vor Gott gerecht und zu seinem Kind. Schon jetzt ist er von Gott angenommen und wird am Jüngsten Tag im Endgericht freigesprochen. Ja, Glaube ist keine menschliche Leistung – und zugleich werden Menschen aufgefordert, an das Evangelium/den Herrn Jesus zu glauben (etwa Mk 1,15; Apg 16,16).

Menschen, die mit ihrer ganzen Existenz auf Gottes Heilshandeln in Christus vertrauen, erfahren die erneuernde Wirkung des Heiligen Geistes in der Vergebung ihrer Sünden, in der Befreiung von der Herrschaft der Sünde, von der Herrschaft des Teufels und der Sünde und in einem neuen Leben in der Heiligung. Wir gehören Christus und sind mit ihm verbunden: mit ihm gestorben, begraben und auferstanden zu einem neuen Leben (Röm 6). In unserem Leben wächst die in Galater 5 aufgezählte Frucht des Geistes. Es kommt zu einer wirklichen Veränderung.

Biblische Aussagen

Die erste angeführte Bibelstelle (Lk 5,8) verweist auf das Bekenntnis des Petrus: „Herr, geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch.“ In der Begegnung mit Jesu Lehre und seiner Macht (der übergroße Fischzug zur falschen Zeit und an der falschen Stelle, 5,1–11) erkennt Petrus, wer Jesus ist (der Herr) und wer Petrus selbst wirklich ist! Das passt nicht zusammen. Doch Jesus geht nicht nickend weg, sondern beruft Petrus in seine Nachfolge und gibt ihm einen neuen Auftrag. Seine ganz große Chance … und unsere!

In der RvG fehlt der Hinweis auf Römer 1,18–3,19, die ausführlichste und schonungsloseste Analyse menschlichen Versagens vor Gott und gegen Mitmenschen, sei es gegenüber seiner Offenbarung in der Schöpfung oder seinem Wort. Sie bildet den dunklen Hintergrund, auf dem Paulus das Evangelium als rettende Heilsbotschaft darstellt, vom Leben im Geist, der Erneuerung unseres Sinnes und so viel mehr spricht. Die gute und die schlechte Nachricht gehören untrennbar zusammen.

Einladung zum Weiterdenken

1. Verstehen wir manchmal das Evangelium, die „gute Nachricht“ kaum, weil wir die schlechte Nachricht gar nicht kennen, nicht wahrhaben wollen (zumindest was uns betrifft!) und sie anderen in bester Absicht vorenthalten? Lassen wir uns Gottes Urteil über unser Leben gefallen?

2. Wie zeigt sich in unserem Leben und in dieser Welt, wie und wie sehr wir in einer gefallenen Welt leben und Gottes Eingreifen brauchen?

3. Was genau bedeutet es, an Jesus zu glauben? Wie kommt es zu einer umfassenden Erneuerung?

Erschienen in: Die Gemeinde 07/2022, S. 14-15.

Ein Artikel von Prof. Dr. Christoph Stenschke, Dozent für Neues Testament an der Biblisch-Theologischen Akademie Wiedenest

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