Langfristige Hilfsprojekte für Haiti auf dem Weg

350.000 Euro bereitgestellt

Elstal –  Hilfe aus Deutschland soll die Baptisten in Haiti in ihrem Kampf gegen die Folgen des Erdbebens vom Januar 2010 unterstützen. Nachdem bereits kurz nach der verheerenden Katastrophe mit über 250.000 Todesopfern eine viertel Million Euro eingesetzt wurden, stehen weitere Gelder zur Verfügung, die in langfristige Hilfsprojekte fließen sollen. Ekkehard Becker (Leichlingen-Weltersbach) und Michael Kißkalt (Elstal) waren im Februar zu einer Erkundungsreise in Haiti, um mit den dortigen Baptisten über konkrete Hilfsprogramme und Kooperationen zu verhandeln. Am 16. März beriet nun das Haitikomitee des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) bei einem Treffen in Elstal über ein weiteres Hilfspaket von über 350.000 Euro. Dieses wird Teil eines Kooperationsvertrages sein, der in den nächsten Wochen unterzeichnet werden soll.

Ein Jahr nach der Katastrophe ist in Haiti noch lange nicht wieder alles im Lot. Experten rechnen mit 25 Jahren, die nötig sind, um wieder auf den Stand von vor dem Erdbeben zu kommen, das Port-au-Prince sowie weitere Städte und Dörfer im Süden Haitis zerstört hat. Über 250.000 Menschen wurden Anfang 2010 unter den Trümmern ihrer Häuser begraben. „Viele Baptisten waren gerade bei der Chorprobe oder Gebetsstunde, als die Kirche über ihnen zusammenbrach“, berichtete Ekkehard Becker bei der Sitzung des Haitikomitees des BEFG am 16. März in Elstal.

Die Hilfsbereitschaft der deutschen Baptisten war groß, als eine der schwersten Naturkatastrophen Haiti heimsuchte. Fast eine Million Euro spendeten sie innerhalb kurzer Zeit. Über 200.000 Euro gingen als Soforthilfe über den Baptistischen Weltbund und die Hungarian Baptist Aid kurz nach dem Erdbeben an Bedürftige. Der Rest wird entsprechend einer Absprache  mit dem Hilfswerk des Baptistischen Weltbundes für die langfristige Aufbauhilfe verwendet. Über die beriet nun das Haitikomitee des BEFG. „Wir wollen dabei vor allem auf die Stimme der lokal Verantwortlichen hören und mit den Gemeinden vor Ort zusammenarbeiten“, erklärte Christoph Stiba (Elstal), Leiter des Dienstbereichs Mission und Vorsitzender des Komitees, den Ansatz der langfristigen Haitihilfe des deutschen Bundes.

Aus diesem Grund waren Pastor Michael Kißkalt und der Sozialarbeiter Ekkehard Becker Ende Februar zu einer Erkundungsreise in Haiti. „Das Ausmaß der Zerstörung übersteigt alles, was wir erwartet hatten“, meint Kißkalt, Professor für Missiologie am Theologischen Seminar Elstal (Fachhochschule). „Umso beeindruckender war für uns der Einsatz der Baptistengemeinden“, ergänzt Ekkehard Becker. Becker, bis vor kurzem einer der Geschäftsführer im Diakoniewerk Weltersbach und langjähriger Entwicklungshilfeexperte, lobt besonders die Frauengruppen in Haiti. Mit großem Einsatz und hoher Effizienz seien die Frauen in den Gemeinden und im Bund mit der Unterstützung von Erdbebenopfern befasst.

Die Baptisten in Haiti waren zunächst skeptisch, als ihnen BEFG-Generalsekretärin Regina Claas bei einem Treffen auf Hawaii im Sommer 2010 signalisierte, dass die deutschen Baptisten bei ihrer Hilfe vor allem auf die Wünsche der Menschen vor Ort eingehen würden. Die Haitianer hatten nach dem Beben zwar viel Hilfe erhalten. Oft hatten sie dabei jedoch erlebt, dass ausländische Organisationen mit vorgefassten Meinungen und fertigen Rezepten ins Land kommen. Umso mehr waren die Verantwortlichen vor Ort davon überrascht, in Kißkalt und Becker vor allem aufmerksame Zuhörer zu haben. Gemeinsam mit den Haitianern besuchten die beiden Initiativen und Projekte, in denen die Deutschen unterstützend aktiv werden könnten.

Zwei Wochen nach der Reise wurden diese Projektvorschläge im Haitikomitee konkretisiert und in den darauf folgenden Wochen mit den Partnern in Haiti und innerhalb der Geschäftsführung des BEFG weiter beraten. Die Maßnahmen haben ein Volumen von über 350.000 Euro für die ersten drei Jahre. Sie sehen Mittel für soziale Projekte von Gemeinden in deren direktem Umfeld ebenso vor wie die Finanzierung von Stipendien in Theologie und Agrarwissenschaften an der baptistischen Universität von Cap Haïtien. Deren Studierendenzahl stieg von 400 auf 700, nachdem die Hochschulen in Port-au- Prince zerstört worden waren. Unterstützt werden sollen außerdem die Frauengruppen, die sich um Erdbebenopfer und Binnenflüchtlinge kümmern. Auf großes Interesse stieß beim Haitikomitee eine Kooperation im Ausbildungsbereich. Zwei Studierende aus Haiti, die bereits einen Bachelor-Abschluss haben, sollen die Möglichkeit erhalten, in Elstal zu studieren. Dort werden sie einen Master in Freikirchlicher Diakonie anstreben, um anschließend in Haiti tätig zu werden, wo die Universität Lehrkräfte für den neuen Studiengang Soziale Arbeit benötigt. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt wollen die haitianische Universität und die Elstaler Fachhochschule die langfristige Bedeutung der Projekte erforschen und dokumentieren. Unter der Leitung von Prof. Dr. Ralf Dziewas sollen die Hilfsprojekte in Haiti wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden. „So können wir gemeindenahe diakonische Aktivitäten auf ihre Wirksamkeit und Nachhaltigkeit untersuchen“, erklärt der Diakoniewissenschaftler.  „Besonders interessant ist, dass wir anschließend noch Mittel haben, um erfolgreiche Projekte nachhaltig zu finanzieren und weitere Gemeinden einzubeziehen“,  freut sich Pastor Christoph Stiba. „Damit werden wir die uns anvertrauten Mittel effizient einsetzen.“

Zufrieden zeigt sich auch Präsidiumsmitglied Frank Fornaçon (Kassel), der den großen Einsatz von Ekkehard Becker und Michael Kißkalt würdigt: „Die Strapazen der Reise werden den Menschen in Haiti sehr zugute kommen, weil sie in ihren Sorgen ernst genommen und nicht mit gut gemeinten Ratschlägen überfahren wurden.“ Es sei sehr sinnvoll, dass durch die Gelder aus Deutschland Gemeinden in die Lage versetzt würden, in ihrer Umgebung für notleidende Menschen da zu sein.

Frank Fornaçon
21.03.2011