
Foto: David Vogt
Ein Kunstwerk des Himmels
Für und als Christus schwärmen
Im Rahmen des Prozesses „Unser Bund 2025“ fragte Jens Stangenberg auf der Bundesratstagung, was Kirche im Kern ausmacht, wenn gewohnte Strukturen wegfallen. Dabei zeigte er, dass theologische Grundwerte wie das Priestertum aller Glaubenden, kongregationalistische Prinzipien, geistliche Schwarmlogik und eine Schalom-Perspektive neue Wege für gemeindliches Leben eröffnen.
Das Impulsreferat auf YouTube nachschauen.
Bildreich startete Jens Stangenberg in seinen Impulsvortrag mit dem Titel „Raus aus dem Minusgefühl. Wie der Strukturprozess dabei hilft, theologische Grundwerte zu klären“. Seufzend stellte er den Anwesenden den Relevanzverlust der Kirchen vor Augen: Mitten auf einem freien Feld steht ein geöffnetes Tor. „Tür ins Nichts“, nannte er das Foto. Es symbolisiere die Situation der Kirchen in einer Gesellschaft, in der ihr Angebot nicht mehr verstanden werde.
In einem Gedankenspiel fragte er: „Wenn man alles wegnimmt, was man für Kirche braucht, wie das Sonntagsprogramm, ein eigenes Gebäude oder angestelltes Personal – was bleibt dann übrig?“ Die Antwort: „Übrig bleiben die Menschen! Wenn alles wegbricht, sind du und ich noch da“, so Stangenberg. Weiter fragte er: „Wie hilflos sind wir in unseren Gemeinden, wenn die klassischen Strukturen nicht mehr da sind?“
Im Prozess „Unser Bund 2025“ wurden die Strukturen des BEFG hinterfragt und neu gedacht. Jens Stangenberg stellte die These auf: „Indem wir Strukturen reflektieren, reden wir über Inhalte. Struktur ist Botschaft. Kirchliche Strukturen sind theologisch nicht neutral.“ Fragen der Struktur seien beispielsweise: „Wie werden Entscheidungen getroffen?“ oder „Welche Möglichkeiten zur Beteiligung gibt es?“ Folglich fragte er: „Welche Struktur ist bestmöglich jesusgemäß?“
Seine Antwort teilte er in vier Teile auf:
„Es gibt Strukturelemente, die uns näher an das Wesen Jesu bringen“, ist Stangenberg überzeugt. Davon ausgehend nannte er im ersten Teil „täuferische Grundwerte“ wie das „Priestertum aller Glaubenden“ und den Antwortcharakter des Glaubens, also die Mündigkeit. „Die Täufer wurden damals als ‚Schwärmer‘ bezeichnet“, sagte Jens Stangenberg und lud ein, „träumerisch vom Reich Gottes zu schwärmen“.
Im zweiten Teil seiner Antwort ergänzte Stangenberg den Kongregationalismus, also die Autonomie der Ortsgemeinde: „Kongregationalismus mit täuferischen Grundwerten“. Kongregationalistische Überzeugungen zeigten sich nicht in „ausufernden Gremien und Regulierungen“ oder „ermüdenden Gruppen-Diskussionen“, sondern zum Beispiel in „gemeinschaftlicher Christus-Verkörperung“ oder der Entdeckung der Bibel als „gemeinsam zu erkundender Offenbarungsraum“. Auf die Frage, wie groß eine Kongregation sei, schlug er in Anbetracht der gegenwärtigen Entwicklung vor: „Das neue Normal sind nicht mehr 60 bis 80 Personen, sondern vielleicht 25 bis 40 Personen.“ Denn: „Kleine Gemeinden sind nicht unvollständig. Sie sind anders.“
Das Bild eines Vogelschwarms benutzte Jens Stangenberg für den dritten Teil seiner Antwort: „Vogelschwärme sind Kunstwerke des Himmels.“ Sie haben eine sichtbare Gestalt, aber keine Außengrenze. Sie zeichnen sich aus durch Zusammenhalt, Abstand und gemeinsame Ausrichtung. „Man braucht eine Mindestdistanz zueinander, keine himmlische Verklumpung“, leitete Stangenberg aus dem Bild ab. „Wir brauchen einen Christusbezug. Das ist die Anziehungskraft. Wenn Menschen unterschiedlich sind, dann entsteht mündiges Glaubensleben“, führte er aus. Eine geistliche Schwarmlogik zeige sich im Christusbezug, in Diskursbereitschaft und einer gemeinsamen Hoffnungsrichtung. „Nicht nur für Christus schwärmen, sondern als Christus schwärmen“, forderte er.
„Eine prophetische Schalom-Perspektive“ fügte Jens Stangenberg im letzten Teil seiner Antwort auf die Frage nach einer bestmöglich jesusgemäßen Struktur hinzu. „Sucht Schalom: das Wohl und den Frieden für die Stadt, … denn in ihrem Schalom liegt euer Schalom“, zitierte Stangenberg Jeremia 29,7. Er erinnerte an den kreisrunden Regenbogen bei einem BUJU, den einige der Zuhörerinnen und Zuhörer selbst miterlebt hatten als „kosmische Bestätigungen, dass Gott uns braucht“. In solchen Gänsehautmomenten gebe es immer Menschen, stellte er schmunzelnd fest, die dann fragten: „Und was heißt das Ganze denn nun alles praktisch?“ Praktische Fragen seine wie ein konfessionelles Vogelhäuschen, die Verankerung als Konfession in dieser Welt. „Das Eigentliche ist das Schwärmen für Christus und das Schwärmen als Christus“, so Stangenberg. Das große Bild sei ein ökumenischer Christus-Schwarm: „Wir schwärmen ein Kunstwerk des Himmels in diese Welt.“
Jens Stangenberg fasste zusammen: „Gemeinde besteht aus Menschen, die miteinander unter der Leitung des Geistes unterwegs sind, um in der Kraft Jesu andere zu segnen und Frucht hervorzubringen.“
Ein Artikel von Jasmin Jäger