Ewiges Leben in der neuen Schöpfung
Das Ziel Gottes für uns und unsere Mitgeschöpfe
Der letzte Abschnitt der Rechenschaft vom Glauben (RvG) trägt den Titel „Gottes neue Welt“. In ihm geht es um die Hoffnung, dass Gott die Menschheit und seine anderen Geschöpfe am Ende zu dem Ziel führen wird, das er für sie vorgesehen hat.
Die RvG sieht das von Gott gewollte Ziel der Menschheit darin, dass sie auf ewig in enger Gemeinschaft mit Gott leben darf. Und um diesen Zustand zu beschreiben, greift die RvG biblische Gleichnisse und Bilder auf und spricht von der „paradiesischen Erde, von der himmlischen Stadt, von des Vaters Haus und vom neuen Abendmahl als Zeichen und Unterpfand der verheißenen Herrlichkeit“. Dabei macht sie zugleich deutlich, dass auch die christliche Gemeinde nicht in der Lage ist, „die Vision des neuen Himmels und der neuen Erde angemessen zu erfassen und zur Sprache zu bringen“.
Wichtig ist der RvG dabei aber, dass Gottes neue Schöpfung eine „Welt auferstandener, verwandelter und verklärter Leiblichkeit“ sein wird. Es wird hier also keine jenseitige, rein geistige Hoffnung auf eine engelgleiche Existenz im Himmel zum Ausdruck gebracht. Es wird vielmehr eine lebensvolle Vision einer verwandelten Körperlichkeit gezeichnet, die nicht mehr von Leiden, Tränen, Sünde oder Einsamkeit gekennzeichnet ist. Und in dieser erneuerten Schöpfung wird dann auch die Kreatur, also alle Mitgeschöpfe des Menschen, ihre vollkommene Erlösung finden.
Schaut man auf die in der Randspalte abgedruckten biblischen Verweistexte, so fällt auf, dass diese allesamt dem Neuen Testament entnommen sind. Dabei wird vor allem auf die letzten Kapitel der Offenbarung verwiesen. Es ist jedoch misslich, dass dort nur Offenbarung 21,9-27 und 22,1-2 genannt sind, denn die für den inhaltlichen Text der Rechenschaft maßgeblichen Aspekte der Vision, dass das himmlische Jerusalem auf die Erde herabkommt und Gott in der Mitte seiner Geschöpfe Wohnung nimmt, und dass es dort keinen Tod und kein Leid mehr geben wird, finden sich bereits in Offenbarung 21,1-4.
Dass die auf ewiges Leben angelegte neue Schöpfung Gottes eine auferstandene und verwandelte körperliche Lebensweise beinhaltet, belegt die RvG mit Verweisen auf 1. Korinther 15,28.42-49. Auch dieser Verweis ist zu eng, denn der gesamte Abschnitt 1. Korinther 15,35-58 dient dazu, den Korinthern klarzumachen, dass die zu erwartende neue Leiblichkeit der Auferstandenen sowohl mit der des vorherigen Lebens verbunden sein wird (aus einem Weizenkorn kann nur eine Weizenähre hervorgehen, keine andere Frucht V. 38f), als auch, dass der neue Leib zugleich eine unsterbliche und ewige, also veränderte Form haben wird (V. 43f).
Eine Stärke dieses Abschnitts der RvG ist, dass sie die erwartete Erlösung nicht auf die Menschheit begrenzt sieht, sondern deutlich macht, dass sie alle Geschöpfe dieser Welt umfassen wird. Es geht darum, dass auch „die Kreatur Glück und Erfüllung findet“ und erst dies das „der endgültige Sieg der Ehre und Herrlichkeit Gottes“ sein wird. Erst wenn alle gemeinsam „in Ewigkeit Freude, Friede, Gerechtigkeit und Glückseligkeit, Anbetung und Schauen Gottes“ leben, wird die Schöpfung erlöst sein.
Leider sind zu dieser Perspektive der vollendeten Schöpfung Gottes gar keine Bibelstellen am Rand aufgeführt. Zumindest hätte auf Römer 8,18-23 verwiesen werden müssen, denn in diesem Abschnitt beschreibt Paulus, dass die gesamte Schöpfung voll Seufzen darauf wartet, „von der Sklaverei und Verlorenheit befreit zu werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (V. 21). Und auch die prophetische Literatur der hebräischen Bibel bietet eine ganze Reihe von eindrücklichen Bildern, in denen der friedliche Charakter der erneuerten Schöpfung beschrieben wird. So wohnt in der prophetischen Heilsvision in Jesaja 11,6-8 der Wolf beim Lamm, während der Panther beim Böcklein lagert, Kalb und Löwe miteinander grasen und der Löwe Stroh frisst wie das Rind (vgl. auch Jes 65,18-25). Und in Offenbarung 5,13 stimmen sogar die nicht sprachfähigen Geschöpfe im Wasser und unter der Erde mit in den ewigen Lobpreis Gottes ein. Sollte es einmal zu einer Überarbeitung der RvG kommen, sollten zumindest diese Bibelstellen mit in die Verweise aufgenommen werden, um deutlich zu machen, dass die hier beschriebene Hoffnung für eine erlöste Schöpfung eine klare biblische Basis hat.
Was die RvG in ihrem letzten Abschnitt bewusst offenlässt, ist die Frage, wie der Weg zu dieser Vollendung der Schöpfung führen wird. Dazu hat es in der Geschichte der Christenheit und auch des Baptismus sehr verschiedene Vorstellungen gegeben, die hier aber nicht thematisiert werden. Wenn die RvG das biblische Reden vom neuen Himmel und der neuen Erde aufnimmt, macht sie aber deutlich, dass die Verwirklichung des Erlösungszustandes für alle Geschöpfe eines machtvollen Handelns Gottes bedarf. Nur der, der die Welt erschaffen hat, ist dazu in der Lage, sie so zu verwandeln und zu erneuern, dass sie am Ende seinem guten Willen ganz entspricht und alle Geschöpfe auf ewig miteinander in Frieden leben.
Die in der RvG herausgestellte gemeinsame Hoffnung für die Schöpfung steht noch aus, hat allerdings bereits weitreichende Konsequenzen für unsere Selbstwahrnehmung als Menschen angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen. Wir sind nicht die einzigen, zum Heil bestimmten und eingeladenen Geschöpfe. Wir werden nur gemeinsam mit unseren Mitgeschöpfen Anteil an der vollendeten Gottesherrschaft erlangen. Bis dahin bleiben wir als zur Sünde fähige und zum Glauben eingeladene Geschöpfe aber verantwortlich für diese, bereits heute existierende Schöpfungsgemeinschaft mit allen anderen Lebewesen, denen Gott Anteil an der ewigen Herrlichkeit seiner Herrschaft geben will.
Einladung zum Weiterdenken
1. Welche Aspekte meines jetzigen leiblichen Lebens erhoffe ich mir auch für das ewige, vollendete Leben in Gottes Gegenwart?
2. Was bedeutet das Wissen um die gemeinsame Erlösung für unseren Umgang mit der Tierwelt im Blick auf Arten- und Klimaschutz, Ernährungsweise und Haustierhaltung?
Erschienen in: Die Gemeinde 26/2022, S.28-29.
Ein Artikel von Prof. Dr. Ralf Dziewas, Professor für Diakoniewissenschaft und Sozialtheologie an der Theologischen Hochschule Elstal