v.l.n.r.: Henrike Ochterbeck, Natalie Georgi, Dorothee Oesemann, Volker Bohle, Michael Rohde

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Herzensprojekte

Der erste Abend der Bundesratstagung

Gottes Reich setzt uns in Bewegung. Wie kann das konkret aussehen? Davon erzählten vier Mitglieder des Präsidiums am ersten Abend der Bundesratstagung und stellten ihr Herzensprojekt vor.

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Vier Sätze und eine Rollgarderobe – so könnte man den Abend zusammenfassen, mit dem der Bundesrat geistlich eröffnet wurde. Was hatte es damit auf sich? Sie waren die hör- und sichtbare Zusammenfassung von vier Projekten, in denen das Reich Gottes schon hier und heute seine Kraft entfaltet. Henrike Ochterbeck, Mitglied des Präsidiums, moderierte den Abend und begrüßte die vier Männer und Frauen, die Initiativen und Projekte vorstellten, die ihnen besonders am Herzen lagen.

Dorothee Oesemann machte den Anfang. Ihr Kernsatz: Reich Gottes bewegt auf Menschen zu und ermöglicht bedingungslose Zugehörigkeit. Jeder einzelne Begriff in diesem Satz spricht eine Not in Stadtsee an, einem Stadtteil von Stendal mit etwa 10.000 Einwohnern. Es gibt keine Kirche hier – ein Erbe aus DDR-Zeiten. Man kann hier geboren werden und sterben, ohne jemals mit Christen in Kontakt gekommen zu sein. So formuliert es Samuel Kloft, Geschäftsführer des Vereins Lebendige Steine e.V., der im Interview mit Dorothee Oesemann von seiner Arbeit erzählt. Kinderarmut, Arbeitslosigkeit, Suchtstrukturen: Der Stadtteil ist ein sozialer Brennpunkt. „Lebendige Steine“ hält dagegen: Der Verein begleitet Jugendliche, organisiert Ausflüge und Seniorenweihnachtsfeiern und lädt zum Kaffeetrinken ein. Kurz: Er bietet Menschen einen Raum, wo sie geliebt und gewollt sind, und lebt so Gottes Werte.

Samuel Kloft erzählte von seinem persönlichen Berufungserlebnis: Nach der Bibelschulausbildung in Wiedenest und einem Praktikum in Stendal war er sich unsicher, wie es weitergehen sollte. Seine Seelsorgerin fragte ihn: Wie würde es mit der Arbeit, die du hier angefangen hast, weitergehen, wenn du weggehst? Die Antwort lag für ihn auf der Hand: Sie würde eingehen. Damit war die Entscheidung klar: Er musste weitermachen. Darüber hinaus hat Samuel Kloft einen Traum: Er träumt vom Zehnten. Nicht in Form von Geld, sondern in dem Sinn, dass Gemeinden im westlichen Teil Deutschlands zehn Prozent ihrer Mitglieder in den Osten aussenden, um die kleinen Gemeinden zu stärken, für sie zu beten und Menschen Hoffnung zu bringen. Für den Garderobenständer hatten Dorothee Oesemann und Samuel Kloft ein Superheldenkostüm mitgebracht. Denn sie haben eine ganz bestimmte Superkraft: Sie bringen Zeit mit für die Menschen, denen sie begegnen.

Ben Seipel

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Dorothee Oesemann (li.) und Samuel Kloft

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v.l.n.r.: Jens Hobohm, Voker Bohle, Grenna Kaiya, Daniel Neumann

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Musikalisch umrahmt wurde der Abend von Ben Seipel, der einen Hälfte des Duos 2Flügel. Ach was, umrahmt ist das falsche Wort. Er ließ sich auf das Thema des Abends ein und rührte Herzen an und begeisterte am Flügel mit seiner Musik, mal virtuos, mal jazzig, mal mit leisen Tönen.

Als nächster berichtete Volker Bohle, Pastor der Bethel-Gemeinde Berlin-Lichterfelde, von der Partnerschaft mit der Jerusalem Baptist Church in Blantyre (Malawi). Sein Kernsatz: Gottes Reich bewegt uns durch Menschen aus anderen Kulturen. Aus seiner Gemeinde hatte er Jens Hobohm, Daniel Neumann und Grenna Kaiya mitgebracht, die Tochter von Fletcher Kaiya, dem Pastor der Jerusalem Baptist Church. Sie erzählten von den gegenseitigen Besuchen, bei denen man viel voneinander gelernt hat. Ein wesentlicher Punkt: Diese Partnerschaft ist keine Einbahnstraße, sondern eine Beziehung auf Augenhöhe. So ist die Bethel-Gemeinde in den letzten Jahren offener und internationaler geworden – an einem normalen Sonntag kann man vor und nach dem Gottesdienst sechzehn verschiedene Sprachen hören. Dass ihre Partner in Malawi zum Beispiel Frauen bei der Geschäftsgründung mit Mikrokrediten unterstützen, hat sie veranlasst, auch in ihrem Umfeld genauer hinzusehen, wo sie helfen können. Für die Rollgarderobe hatten sie farbenfrohe Hemden aus Malawi mitgebracht. Grenna Kaiya hatte noch ein anderes Mitbringsel im Gepäck: ein Lied in ihrer Muttersprache Chichewa, in das alle, begleitet und unterstützt von Ben Seipel, mit einstimmten.

Dr. Michael Rohde, Pastor der EFG Kassel-Möncheberg, hatte den folgenden Satz mitgebracht: Gottes Reich bewegt mich dazu, dankbar zu sein und zu fragen, wie und wo möchte Jesus, dass ich meine Gaben einsetze? Die Second-Hand-Kleidungsstücke, die er an die Garderobenhaken hängte, erzählten schon die halbe Geschichte – die des Sozialkaufhauses „Austausch“ in Hannover, das 2017 von Mihaela Münch gegründet worden war. Sie war nach Kassel gekommen und stellte im Gespräch mit Michael Rohde das Projekt vor. Nicht nur, dass Bedürftige hier Kleidung zu günstigen Preisen bekommen. Ihnen wird Hoffnung geschenkt! Jesus begegnet ihnen durch das Leben, das Vorbild und die Worte der inzwischen fünfzig Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Geschichte dahinter erklärt manches: Mihaela stammt aus Rumänien und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Manchmal wusste ihre Familie nicht mehr ein noch aus. Eines Tages lag ein Lebensmittelpaket vor der Tür, das ihnen nicht nur handfeste Hilfe zum Überleben bot, sondern auch Hoffnung schenkte. Damals kannte sie Jesus noch nicht. Als sie sich später bekehrte, erinnerte sie sich daran: Jesus sieht mich! Diese „himmlischen Berührungen“ können die Mitarbeitenden heute im Sozialkaufhaus weitergeben. Übrigens sind nicht alle von ihnen Christen, aber alle wissen, dass sie Teil einer christlichen Gemeinschaft sind.

Mihaela Münch (li.) und Dr. Michael Rohde

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Natalie Georgi (li.) und Prof. Dr. Christiane Dienel

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Ben Seipel

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Als letztes fand ein Paar Wanderschuhe Platz an der Garderobe. Natalie Georgi, Pastorin der EFG Berlin-Steglitz, hatte sie dort aufgehängt. In den letzten fünf Jahren hat sie bei Pilgertouren rund 750 Kilometer in und um Berlin zurückgelegt. Ihr Kernsatz: Gottes Reich bewegt mich, Räume zu gestalten, in denen spirituell Suchende Gottes Nähe erfahren und neue Inspirationen finden. Zusammen mit Prof. Dr. Christiane Dienel stellte sie einen ganz besonderen Dreiklang vor. Neben der Bewegung an der frischen Luft gehören auch Fasten nach Buchinger und zu Beginn der Tagesetappe ein geistlicher Impuls dazu. Wie kam es dazu? Christiane Dienel erzählt, dass sie einmal bei einer Fastenwanderung mit nichtchristlichem Hintergrund mitgemacht hatte und begriff: Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen suchen noch etwas ganz anderes, Sinn. Zusammen mit Natalie Georgi entwickelte sie ein Konzept, das geistliche Impulse, Pilgern und Fasten miteinander verband – übrigens mit soliden gesundheitlichen Infos, da Christiane Dienel ausgebildete Fastenleiterin ist. Das Konzept kommt an. Auch Teilnehmerinnen, die nicht zu einer christlichen Gemeinde gehören und nach eigenem Bekunden nicht so fromm sind, lassen die biblischen Impulse nicht nur über sich ergehen, sondern finden in ihnen etwas, nach dem sie lange gesucht haben.

Der Höhepunkt jeder Fastenwoche ist das gemeinsame Fastenbrechen am Samstag. Nicht nur mit einem schnöden Apfel, sondern mit einem kleinen Fest. Ein kleiner Vorgeschmack auf das himmlische Festmahl, wie ein Teilnehmer anmerkte.

Ein Artikel von Wolfgang Günter (Die Gemeinde)