Foto: David Vogt

Lasst die Kinder Gemeinde gestalten

Forum auf dem Bundesrat: Von Partizipation und Kinderparlamenten

In vielen Gemeinden hört man den Stoßseufzer: Warum haben wir so wenige Kinder bei uns? Und warum wirken sie manchmal so still und lustlos? Im Forum 5 der BEFG-Bundesratstagung in Kassel wurde diesen Fragen nachgegangen – mit überraschenden Ergebnissen.

Lea Herbert, Leiterin des Bundes-GJWs, eröffnete den Nachmittag mit einem biblischen Impuls zu Markus 10,13-16. Der bekannte Text, der in der Aussage Jesu gipfelt: „Lasst die Kinder zu mir kommen“, lud in der Fassung der Alle-Kinder-Bibel ganz neu zum Zuhören ein, zum Beispiel mit Sätzen wie: „Kinder verstehen die Sprache Gottes sehr gut. … Erwachsene sollen von Kindern lernen.“ Auffällig in diesem Text: Die Kinder werden zu Jesus gebracht, verharren also in Passivität. Jesus dreht das mit seiner Aufforderung um: Die Kinder können aus freien Stücken kommen. Wie kann es uns in unseren Gemeinden gelingen, diese Muster ebenfalls zu durchbrechen und von einer Bring-Kultur zu einer Komm-Kultur zu gelangen?

Im Zusammenhang mit der Jahreslosung stellte Lea Herbert dann die Frage: Gibt es in unseren Bund eine Gemeinde, die das Experiment wagen würde, alles, was sie tut, daraufhin zu prüfen, ob Kinder von sich aus kommen? Denn Mündigkeit gehört zu unserer DNA. Machen wir Kinder mündig?

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Stefanie Diekmann, Gemeindepädagogin in der EFG Göttingen, vertiefte die Thematik in ihrem Referat anhand von drei Thesen. Zum ersten: Demokratie braucht Menschen. Für den Gemeindealltag heißt das konkret: Beteiligung ist kein nettes Extra, sondern absolut notwendige Grundbedingung. Eine gute Form dafür sind Kinderparlamente, die Stefanie Diekmann aufgebaut hat und in denen die Kinder echte Entscheidungen treffen können. Ein Beispiel: In einer Gemeinde wünschten sich die Kinder eine Rutsche vom Dach bis in den Keller. Nun konnte (oder wollte) die Gemeinde diesen Vorschlag nicht eins zu eins umsetzen, nahm aber im Dialog mit den Kindern das Grundbedürfnis dahinter wahr: toben und sich bewegen zu können, ohne den Erwachsenen in die Quere zu kommen. Daraus ergaben sich andere Lösungen, die von Kindern und Erwachsenen akzeptiert wurden. Für die Kinder war es wichtig, gehört und ernstgenommen zu werden und sich nicht ohnmächtig zu fühlen. Und ganz wichtig: Sie müssen Fehler machen dürfen. Die zweite These: Beteiligende Gemeinde fördert eine Haltung der Entdeckerfreude. Dann werden aus schweigenden Kindern, die keine Wünsche äußern, aus Kindern, die – möglicherweise nur ungern  – mitkommen, Kinder und Jugendliche, die die Initiative ergreifen. Drittens: Selbstwirksamkeit ist die Chance zu einem mündigen Christsein. Selbstwirksamkeit bedeutet hier: Die Kinder dürfen nicht nur Alibi-Entscheidungen treffen, die sich nur auf unbedeutende Kleinigkeiten auswirken. Das lohnt sich: Von zehn Jugendlichen, mit denen Stefanie Diekmann ein Jugendparlament aufgebaut hatte, haben heute acht leitende Positionen übernommen.

Zum Abschluss stellte Tobias Köpke, Referent für den Freiwilligendienst im GJW, Fragen, über die man sich in Kleingruppen austauschen konnte. So zum Beispiel: Welche konkreten Schritte können wir als Gemeinde gehen, um Kindern mehr Beteiligung zu ermöglichen? Die Rückmeldungen machten deutlich, dass es dem GJW-Team gelungen war, die Sehnsucht nach einer Gemeinde zu wecken, in der Kinder echte Beteiligungsmöglichkeiten haben.

Ein Artikel von Wolfgang Günter (Die Gemeinde)