Beim Hingehen erlebt

Ertan Cevik erzählt

Der im Passionszeitkalender 2016 „Leben mit Passion – Staunen über Christus im Anderen“ veröffentlichte Text ist ein kleiner Auszug des Textes, den Ertan Cevik uns zur Verfügung gestellt hat. An dieser Stelle finden Sie den ganzen Text. Viel Freude beim Lesen!


In der Türkei ist es nicht einfach...

..., Räume für christliche Zwecke zu finden, denn oft verlangt der Vermieter mehr Miete, wenn er merkt, dass Christen die Mieter sein wollen.  Auch mit anderen Anwohnern im Haus entstehen manchmal Probleme.  Besonders dann, wenn man Lieder singt, kann es passieren, dass Nachbarn sich bei  der Polizei beschweren. Diese überprüft  dann alle Ausweise der anwesenden Christen.  Wenn Interessierte oder  Neubekehrte solch eine „Razzia“ erleben, wollen sie danach nicht mehr zu  Hausversammlungen  kommen und  sind verängstigt.

Beim  Erwerben eines Grundstücks gibt es viele Auflagen. Zum Beispiel muss ein großes Grundstück zur Verfügung stehen, um Parkmöglichkeiten anzubieten. Das  jedoch können sich nur große internationale Gemeinden oder Gemeinden, die viel Unterstützung aus dem Ausland erhalten, leisten.

Wir trafen uns wegen der Schwerigkeiten bzgl. eines öffentlichen Raumes meistens in Wohnungen, in Büroräumen und vor 25 Jahren auch auf Waldlichtungen. Da wir als protestantische Christen keinen Status hatten, war bei Problemen die Terroreinheit der Polizei für uns zuständig.  Aus Sicherheitsgründen trafen wir uns mit Interessierten, bevor wir zu unseren Veranstaltungen einluden, erst im Kaufhaus oder im Kaffeehaus. Die Angst vor Spitzeln und „falschen“ Geschwistern war zu groß.

Es war schwierig,  Interessierten einen Ort des Kennenlernens, der Gemeinschaft  und der offenen Türen anzubieten.   

Zu Weihnachten 2001 geschah bei uns in Izmir ein Wunder.

Schon seit längerer Zeit hatten wir einen Raum zur kirchlichen Nutzung beantragt. Überraschend erhielten wir eine alte Kirche.  Das war das erste Mal in der  Geschichte der Türkei, dass eine zuvor verstaatliche Kirche an eine christliche Gemeinde zurückgegeben wurde. Da die 160 Jahre alte anglikanische Kirche in Kreuzform gebaut worden war, verhinderte dies die Umgestaltung der Kirche zu einer Moschee. Muslime wollen nicht in einem kreuzförmigen Gebäude beten.

Vor der Unterzeichnung des  Übergabeprotokolls  wurden wir darauf hingewiesen, dass wir das Gebäude zu renovieren und zu erhalten hätten. Ohne eine Ahnung zu haben, wie wir dies als kleine Gemeinde schaffen sollten, unterschrieb ich zitternd den Vertrag. Wir sollten erleben, dass Gott für seine Sache „Geld wie Heu“ hat.   Jesus hatte uns eine Kirche geschenkt! Wir konnten zu unseren Gottesdiensten, Bibelstunden und auch sechs Tage in der Woche Besucher empfangen. Da in unserem Stadtteil 60.000 Studenten wohnen, haben wir teilweise 30-50 Besucher pro Tag.  Auch heute benötigen wir mindestens eine Person täglich, welche sich um Gäste kümmert, wenn um  sich um 11 Uhr unser Gartentor öffnet.

Laut unserem Besucherprotokollbuch haben wir offene Türen für tausende Besucher aus der gesamten Türkei, besonders auch aus dem Osten des Landes, wo es kaum Christen und Gemeinden gibt.

Im Sommer spielt sich außer dem Gottesdienst und Hochzeiten alles im Garten ab. Die Bibelstunden, der Taufunterricht, die Jugend- und Kinderstunden. Auch Konzerte, japanische Kotomusik und türkirsche Volksmusik, Kulturabende, Schulungen, Weiterbildungen, Dichterlesungen, Hochzeitsfeiern, Vereinstreffen fanden in unseren Räumlichkeiten und auf unserem Gelände bereits statt.

2012 veranstalteten wir ein Essen im Monat Ramadan, zu welchem wir Juden, Christen und Muslime einluden. Etwa 50 Personen waren eingeladen. Es kamen aber 110 Personen und wir waren mit dem Besorgen von Tischen und Stühlen beschäftigt.

Wir haben immer viele Gäste, wenn wir an Weihnachten ein abwechslungsreiches Programm anbieten:

Die Kirche ist überfüllt und viele Besucher stehen noch draußen. Für nächstes Jahr planen wir eine Übertragung in den Gemeinderaum, der 2006 entstand, und in ein Zelt neben der Kirche (seit 2008). Im Zelt ist neben dem Gemeinderaum, der 30 Personen Platz bietet, nochmals Platz für knapp 40 Personen.

Im Januar 2014 wurde wir von einer iranischen  Frau, welche sich um teilweise christliche Asylanten, die sie  in Parks oder auf den Straßen auflas, kümmert,  angefragt  ob wir ihr und ihren Schützlingen eine geistliche Heimat bieten könnten. Wir halfen bei der Suche nach einfachen Wohnungen und lernten dadurch andere Asylanten kennen, die nach Hilfe und offenen Türen suchten. Leider konnten wir Menschen aus Afghanistan schlecht erreichen, da sie sich untereinander sehr „kontrollieren“ und zum christlichen Glauben Bekehrte sofort ermorden. Ein schwer geplagtes Volk, das kaum eine Heimat findet. Und ihre eigene Heimat ist keine mehr!   

Seitdem trifft sich diese Gruppe bei uns in der Gemeinde. Sonntags um 16 Uhr kommen zwischen 60-80 iranische Flüchtlinge zu uns. Da in unserer Kirche für  bis zu 120 Personen Platz ist, konnten wir unsere Türen öffnen. Im Sommer werden nach dem Gottesdienst Käse, Melonen und Brot, die vorher in der Küche des Gemeinderaums für 80-110 Personen vorbereitet werden, und Winter eine Suppe angeboten. Je nach Wetter essen wir drinnen oder draußen. Dienstags findet für die iranischen Geschwister eine Bibelstunde statt. Etwa 20 Personen nehmen daran teil.

Oft haben wir gebetet und dabei Jesus auch gebeten, uns auch Kontakte zu syrischen Flüchtlingen zu schenken.

Wir  kamen in Kontakt mit dem Vorsitzenden des Syrischen Vereins in unserer Stadt. Wir haben gemeinsam mit den Ortsvorstehern begonnen, in ärmlichen Gebieten, etwa 6 Kilometer von der Kirche entfernt, Nahrungsmittelpakete und Kinderkleidung und Stofftiere zu verteilen. Dadurch erhielten wir Kontakt zu einer armenischen Frau, die Mitte 50 ist, und zu deren Tochter, die vor drei Jahren nach der Ermordung des Ehemanns und Vaters aus Aleppo geflohen sind.  

Zuerst gingen sie in die Türkei nach Mersin. Von dort ging es nach Nordzypern. Die Reise sollte nach Südzypern und  Europa weitergehen. Dies ist ihnen jedoch nicht gelungen und der nächste Halt war für kurze Zeit Izmir. Da es in Izmir kaum Armenier gibt, reisten sie nach Istanbul.

Sie hofften bei der armenischen Gemeinde auf Verständnis und Hilfe. Leider wurden sie nicht begrüßt und fühlten sich unerwünscht. Sehr enttäuscht kehrten die Frauen nach Izmir zurück. Hier fühlten sie sich wohler. Da die Mutter psychisch und körperlich angeschlagen ist, kann sie nicht arbeiten. Sie hat jedoch viele Kontakte in der Nähe ihrer Wohnung. In Aleppo arbeitete sie bei der Zeitung. In Syrien hatte die Tochter Jura studiert und hätte die Möglichkeit, in Izmir ihr Studium zu beenden. Um ihre Mutter zu versorgen, Miete und Nahrungsmittel zu bezahlen, muss sie jedoch arbeiten. Der Silberschmied im Herzen Izmirs lässt sie mindestens neun Stunden pro Tag arbeiten. Oft auch sonntags, 6 Tage die Woche. Ihr Lohn ist gering und die lebt auch ohne Versicherungen...                          

In unserer ersten Zweiggemeinde in Samsun...
... kämpft unser Bruder und Pastor Orhan seit vielen Jahren um offene Türen an der mit dem Evangelium wenig erreichten Schwarzmeerküste. Mit türkischen Gläubigen traf er sich viele Jahre lang in Wohnungen oder angemieteten Einzelhäusern in Wohngebieten, um niemanden zu stören. Als die Fenster des Hauses, in dem sich die Geschwister trafen, mehrere Male mit Steinen eingeworfen und zerstört wurden, fühlten sie sich dort nicht mehr sicher. Pastor Orhan erhielt einen Bodyguard und für die Gemeinderäume wurden bis heute 24 Stunden Polizeischutz gewährt.  

Vor einigen Jahren hat die Gemeinde ein zweistöckiges Gebäude an einer Hauptstraße gemietet. Im 1. Stock auf dem Balkon hat Orhan ein Kreuz anbringen lassen, welches nachts beleuchtet ist und das jedem zeigt, dass hier Christen eine offene Tür haben. In der Gemeinde Samsun treffen sich Türken - teilweise mit armenischem Hintergrund - und Asylanten aus vielen verschiedenen Ländern. Den Asylanten in Samsun und auch anderen Flüchtlingen im Südosten der Türkei hilft Orhan mit Nahrung, Decken und Kohlen. Wärme ist beim dort herrschenden Klima sehr nötig. Im Wohnzimmer des Hauses ist der Gottesdienstraum. Da dieses zu klein ist, sitzen viele Geschwister noch in Nebenzimmern oder im Treppenhaus. Die Gemeinde betet um die Erlaubnis zur Nutzung einer leerstehenden katholischen Kirche in der Stadtmitte Samsuns.

Auch in Städten rund um Samsun fand Orhan bei einzelnen Gläubigen offene Türen und besucht sie regelmäßig und hält Bibelstunden. In Ordu, einer weiteren Stadt östlich von Samsun, wurde vor einigen Monaten eine Zweiggemeinde gegründet.

Unsere 2. Zweigemeinde in Adana...
...hat mit viel Freude Anfang Juni 2015 eine Apartmentwohnung in zentraler Lage als Gemeinderäume eingeweiht. Jetzt gibt es offene Türen und viel Platz für Türken und Kurden, iranische und besonders auch syrische Flüchtlinge. Bruder Sükrü, der Pastor, organisiert mit viel  Freude und Elan die Verteilung von Nahrungsmittelpaketen an bedürftige Syrer, die meist in einfachen Zelten leben.

Unsere 3. Zweiggemeinde  in Istanbul...
...trifft sich seit einiger Zeit in einer Wohnung im asiatischen Teil der größten Stadt der Türkei und hat viele Möglichkeiten, sich um Menschen zu kümmern. Besonders syrischen Flüchtlingen werden besucht, und die Geschwister helfen ihnen, so gut sie können.

Wir alle sind sehr dankbar für offene Türen, die der Herr Jesus uns in der Türkei geschenkt hat. Wir können nicht nur Kurden und Türken, sondern seit einigen Jahren auch vielen Flüchtlingen helfen.  

Bitte betet für alle helfenden Geschwister, dass sie jeden Tag die nötige Kraft und Liebe von Jesus erhalten.

Denn ohne IHN können wir nichts tun.

Ertan Cevik