Gemeinde bilden
Glauben feiern – zur Nachfolge ermutigen
Eine Gemeinde hat viele Aufgaben, aber eine Lebensäußerung tritt an dieser Stelle der Rechenschaft vom Glauben unter anderen besonders hervor: In der Gemeinde wird Glauben gelebt, gefeiert und weitergegeben.
„Die Sendung der Gemeinde in die Welt findet ihre Zuspitzung in der öffentlichen Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus an alle Menschen und in der biblischen Unterweisung ihrer Glieder und der Kinder.“
Die Gemeinde hat einen Auftrag nach außen und nach innen. Durch sie wird das Evangelium allen Menschen mitgeteilt (nach außen) und Menschen, die zur Gemeinde gehören, werden im Glauben angeleitet (nach innen). So wird die Sendung der Gemeinde konkret. Menschen werden zum Glauben eingeladen und die, die dieser Einladung folgen, werden im Glauben ausgebildet und begleitet. Dabei werden die Kinder besonders in den Blick genommen. Sehr spannend ist hier die Formulierung, die für die „Rechenschaft vom Glauben“ gewählt wurde. Die Frage nach den handelnden „Personen“ wirkt erhellend: Wer verkündigt und wer unterweist denn hier? Zu erwarten wäre, dass die Gemeinde hier aktiv wird oder einzelne Personen in der Gemeinde: Eine Verkündigerin oder ein Lehrer. Davon ist aber nicht die Rede. Auch die Gemeinde als Ganze handelt hier nicht. Bei genauerer Betrachtung entdecken wir, dass im zweiten Abschnitt Jesus Christus selbst der Handelnde ist und nur er: „In den Versammlungen der christlichen Gemeinde richtet Jesus Christus seine Herrschaft auf, indem er seinen Jüngern sein Wort gibt, seine Vergebung zuspricht, seine Liebe zuwendet und ihnen den Heiligen Geist schenkt.“
Die „Rechenschaft vom Glauben“ fragt unser Verständnis von Gemeinde und Gottesdienst an: Wie spiegelt sich das in unseren Gottesdiensten und Gemeindeveranstaltungen wider, dass Jesus selbst der Handelnde ist? Was bedeutet das für unser Handeln, unsere Aktivitäten? Wie sehr sollen wir selber handeln und was sollen wir besser einfach wachsen oder geschehen lassen, einfach nur zur Geltung kommen lassen?
Das eigene Handeln kann auch sehr anstrengend sein. Wir sprechen von Gemeinde-„ARBEIT“. Hinter einem festlichen Gottesdienst, einer überzeugenden Predigt oder einem ansprechenden Bibelunterricht stecken sorgfältige Vorbereitungen und oft viele Stunden wertvoller kreativer Überlegungen. Aber das Eigentliche können wir mit all unserer guten Vorbereitung nicht erzeugen: Glauben. Hier kann das in der „Rechenschaft vom Glauben“ Gesagte sehr entlastend wirken: Jesus ist der Handelnde. Er richtet seine Herrschaft auf. Vielleicht auch durch das, was wir tun oder auch trotz unseres Tuns. Bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass es hier nicht um „Programme“ und Veranstaltungen gehen kann, sondern um eine natürliche Lebensäußerung des Glaubens, initiiert durch den Heiligen Geist. Die dem Abschnitt zugeordneten Bibeltexte (Gal. 3,2; Joh. 20,22f; Apg. 4,31) unterstreichen dies noch einmal in besondere Weise. Der Glaube wird durch den Heiligen Geist geschenkt. Er führt Menschen in die Gemeinschaft miteinander und in die Nachfolge.
In den folgenden Zeilen wird der Gottesdienst noch konkreter in den Fokus gerückt. Auch hier wird zunächst das Handeln Jesu herausgestellt: „Im Gottesdienst verpflichtet Jesus Christus die Seinen zur Nachfolge und zum Gehorsam, zum Glauben und zum Dienst, zur Liebe und zur Hoffnung. Im Gottesdienst ruft Jesus Christus Menschen, die noch keine Christen sind, zur Entscheidung des Glaubens und zur Hingabe ihres Lebens an Gottes Herrschaft.“ Hier kann gefragt werden, ob der Gottesdienst damit nicht überfrachtet ist und ob diese Aufzählung dem Wesen eines Gottesdienstes gerecht wird. Der Gottesdienst als Feier des Glaubens muss keinen Zweck verfolgen. Er muss nicht zur Belehrung oder zur Mission verwendet werden. Zugespitzt könnte man auch sagen, er darf nicht zu missionarischen oder belehrenden Zwecken missbraucht werden. Aber die Feier unseres christlichen Glaubens, so wie sie im Gottesdienst geschieht, kann zur Verkündigung des Evangeliums werden. Sie wird zur „Darstellung“ unseres Glaubens und wirkt auf diese Weise missionarisch, d.h. der Heilige Geist kann hier durch die Predigt, die Gemeinschaft, die Gebete, das Lob Gottes wirken.
Der zweite Abschnitt nimmt jetzt die Gemeindebildungsarbeit in den Blick. Durch das „Studium der Bibel“ und die „Übersetzung des Evangeliums in die heutige Zeit“ sollen die Gemeindeglieder zu einem Leben im Glauben befähigt werden. Auch hier ist das handelnde Subjekt interessant, nämlich die „christliche Unterweisung“ kommt hier ihrer Aufgabe nach.
Anschließend wechselt das Subjekt zur „christlichen Gemeinde“. Endlich wird nun ihre Aufgabe angesprochen. Ihre „besondere Aufgabe“ besteht in der „Unterweisung der Kinder und Jugendlichen“. Hier fällt auf, dass der Gemeinde eine spezielle Verantwortung zukommt. Während in den Zeilen zuvor Jesus Christus selber der Handelnde ist und durch den Heiligen Geist Glauben entfacht, wird hier die Gemeinde in die Verantwortung genommen, die „junge Generation zum Glauben an Jesus Christus und zum Leben in seiner Nachfolge“ zu ermutigen. Kinder und Jugendliche werden insbesondere dadurch ermutigt, wenn wir sie und ihre Fragen und Interpretationsansätze ernst nehmen, wenn wir ihren wachsenden Glauben fördern und begleiten, uns ihren Ängsten und Sorgen zuwenden und sie an Entscheidungsprozessen in unseren Gemeinden beteiligen. Ernst nehmen wir Kinder und Jugendliche, wenn wir uns fragen, was wir auch von ihnen lernen können oder was wir mit ihnen gemeinsam lernen können, z.B. Sorge um die Schöpfung Gottes oder besonders vertrauensvoll zu beten und vieles mehr. Wenn wir so als Kinder, Jugendliche und Erwachsene in einer Gemeinde gemeinsam in einem intergenerationellen Lernprozess sind, dann schwindet auch das Gefälle bzw. die Asymmetrie, die dem Wort „unterweisen“ anhaftet. Kommunikations- und Lernprozesse beschreibt man heute eher mit Begriffen wie „Vermittlung – Aneignung – Verständigung“. Gottes Wort wird vermittelt und Menschen unterschiedlicher Generationen eignen es sich an, und sie verständigen sich untereinander darüber. Und in mit und unter diesen Kommunikationsprozessen wirkt der Geist Jesu Christi, der allein Glauben bewirken kann und der die treibende Kraft zur Weitergabe des Glaubens ist.
Einladung zum Weiterdenken
1. Wie geschieht in unserer Gemeinde die Weitergabe des christlichen Glaubens?
2. Was sind Inhalte in unseren Gottesdiensten und wie verhält sich das zu dem, was in der Rechenschaft vom Glauben über die christliche Versammlung und den Gottesdienst steht?
3. Wie geschieht die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in unseren Gemeinden?
4. Wie wird in unserer Gemeinde das Miteinander der Generationen gestaltet, sodass Kinder und Jugendliche zu Glauben ermutigt werden?
Erschienen in: Die Gemeinde 12/2022, S. 16-17.
Ein Artikel von Prof. Dr. Andrea Klimt, Professorin für Praktische Theologie an der Theologischen Hochschule Elstal
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