Schöpfungsverantwortung: „Versöhnung – so kann’s gehen“
Vortrag und Workshop über die Bewahrung der Schöpfung
„Ich kann Gott nicht lieben und dabei seine Schöpfung missachten oder sie auf ein Stück Materie reduzieren!“ Mit diesen Worten appellierte Pastor i.R. und Autor Dr. Heinrich Christian Rust an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bundesratstagung, sich für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen. Die „Versöhnung mit der Schöpfung“ wurde danach in einem Workshop vertieft.
In seinem einstündigen Impulsvortrag unterstrich Heinrich Christian Rust zunächst die Dringlichkeit der Schöpfungsbewahrung. Der Weltklimabericht von 2023 mache deutlich: „Der Klimawandel schreitet schneller voran und seine Folgen sind verheerender, als es zunächst angenommen wurde.“ Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung werde einschneidende Folgen erleben müssen, doch noch könne man etwas tun: „Dieser Planet kämpft ums Überleben! Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“ Rust zeigte sich überzeugt, dass hier gerade auch Christinnen und Christen gefordert seien: „Ja, Gott ist der Herr aller Zeiten und auch dieser Zeitenwende. Dennoch hat er das Mandat, sich um diese Erde zu kümmern, niemals von uns Menschen genommen!“ Es sei viel versäumt worden: „Warum werden die vielen wertvollen Impulse, Handreichungen und Dokumente zu einem verantwortlichen Umgang mit der Schöpfung bisweilen sogar als gefährliche ‚Klima-Ideologie‘ gesehen, die uns verführen will?“ Es sei auch nicht mit der Gründung eines Umwelt-Arbeitskreises, mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach oder mit Fairtrade-Kaffee getan, sondern ein „neues Ausrichten unserer Theologie und der daraus folgenden Ethik und Spiritualität“ sei nötig. Beim Evangelium gehe es nicht nur um die Menschen: „Die Versöhnung gilt der ganzen Schöpfung, der ganzen Erde!“
Anschließend ging Rust ausführlich auf die biblisch-theologischen Grundlagen für ein solches Handeln ein. Er beschrieb Schöpfung als trinitarisches Geschehen: „Gott der Vater schafft durch den Sohn in den Energien des Heiligen Geistes. Die Schöpfung selbst ist nicht göttlich, aber von Gott durchdrungen.“ Er zitierte den Theologen Jürgen Moltmann, für den der Respekt für alle Geschöpfe, „in denen Gott durch seinen Geist anwesend ist“, Voraussetzung für „das Überleben der Menschheit auf Gottes einmaliger Erde“ ist. Rust zeigte anhand mehrerer Bibelstellen auf, dass die Versöhnung zwischen Gott und Kreatur nicht auf die Menschen begrenzt sei. Und er beleuchtete die Stellung des Menschen in der Bibel. Wenn der Mensch sich „die Erde untertan machen“ solle, gehe es nicht um ein gewalttätiges Herrschen, sondern um „Pflege und Fürsorge“. Heinrich Christian Rust warnte angesichts der Sonderrolle des Menschen in der Schöpfung vor Überheblichkeit und betonte in Anlehnung an Ingeborg Gabriel drei Charakteristika des „neuen Menschen“: ökologische Verantwortung, Demut und Dankbarkeit. Auch auf die Eschatologie, also die Lehre von den letzten Dingen, ging Rust ein. Dass „Himmel und Erde vergehen“ werden, dürfe nicht „dahingehend interpretiert werden, dass diese geschaffene Welt keine Zukunft haben kann“. Die Fokussierung auf das Vergänglichkeitsmotiv habe „in der Kirchengeschichte allzu oft zu einer Weltabgewandtheit, zu einem Desinteresse an der nichtmenschlichen Schöpfung“ geführt. Vielmehr solle das „Nachdenken über eine ökologische Spiritualität, Ethik und Theologie“ geprägt sein von Hoffnung: „Auf die Erde wartet nicht der Untergang, sondern die Verwandlung in eine vollendete neue Schöpfung.“
Abschließend ging Heinrich Christian Rust auf die konkrete Rolle der Gemeinde ein. Zu den klassischen Säulen der Gemeindearbeit – Anbetung, Gemeinschaft, Evangelisation, Diakonie und Lehre – sollten zwei neue: Frieden und Gerechtigkeit sowie Bewahrung der Schöpfung – hinzugenommen werden. „Schließlich wächst in mir die Einsicht, dass unser christliches Zeugnis an Glaubwürdigkeit verliert, wenn wir Gottes Passion für seine Erde aus dem Blick verlieren und die Bewahrung der Schöpfung jenen überlassen, die sich ohne die Realität der neuen Schöpfung um Subsistenz auf diesem Planeten bemühen.“
Den ganzen Vortrag von Dr. Heinrich Christian Rust auf YouTube anschauen
Im darauf aufbauenden Workshop des Beirats „Evangelium und gesellschaftliche Verantwortung“ wurde die Frage „Wie können wir ‚Versöhnung mit der Schöpfung‘ praktisch in der Gemeinde erleben?“ vertieft. Die Anwesenden hatten die Möglichkeit, sich einer von drei Gruppen anzuschließen: „Lokale Vernetzung“, „Schöpfungsspiritualität“ oder „Schöpfungsleiter“. Sören Brünninghaus, Pastor der EFG Oldenburg, berichtete in der Gruppe „Lokale Vernetzung“ von seinen Erfahrungen in der Lokalgruppe von Micha Deutschland. Das Programm der „Schöpfungsleiter“ stellte Dr. Frank Hellberg vor, der in der Gemeinde am Döhrener Turm in Hannover den Arbeitskreis Weltverantwortung leitet. Er stellte heraus, warum es sich lohnt, sich auf den Weg zu machen, eine ökofaire Gemeinde zu werden. Heinrich Christian Rust vertiefte das Thema „Schöpfungsspiritualität“ und kam mit den Teilnehmenden zum Beispiel über die geistliche Motivation, sich für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen, ins Gespräch. Und die Zoom-Teilnehmenden diskutierten mit Oskar Schultz, Pastor der Friedenskirche Lüneburg, wie der praktische Einsatz für Umwelt und Schöpfung aussehen kann. Carsharing, ein Diakonat für Umwelt und viele andere Ideen wurden auch beim anschließenden Podiumsgespräch eingebracht. Brünninghaus, Hellberg, Rust und Schultz ermutigten die Gemeindevertreterinnen und -vertreter, sich in ihrem jeweiligen Einflussbereich für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen, klein anzufangen und hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. So wurde 2. Timotheus 1,7 zitiert: „Denn Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ Zum Abschluss beteten die Teilnehmenden mit Carl Buschmann, Mitglied des Beirats, das Vaterunser im Horizont unseres menschlichen Umgangs mit der Schöpfung. Die Bitte „Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auch auf Erden“ stelle die Erde in den Hoffnungshorizont des guten Willen Gottes. „Und wenn wir beten ‚Vergib uns unsere Schuld‘, dann erkennen wir, wo wir bewusst und unbewusst unserer Mitwelt Schaden zugefügt haben und bitten um Vergebung, um versöhnt zusammen nach vorne schauen zu können.“
Ein Artikel von Dr. Michael Gruber und Jasmin Jäger